Unterhaltung

Stuttgarter Verkehrs-"Tatort" Die Nadel im Stauhaufen

Die überforderte Mutter (Susanne Wuest) des Terrorkindes auf der Rückbank gehört zum großen Kreis der Verdächtigen.

Die überforderte Mutter (Susanne Wuest) des Terrorkindes auf der Rückbank gehört zum großen Kreis der Verdächtigen.

(Foto: SWR/Alexander Kluge)

Rien ne va plus auf Stuttgarts Straßen: Während die Stadt im Feierabendverkehr erstickt, wird in einer Wohngegend ein Mädchen totgefahren. Spuren gibt es so gut wie keine - nur die vage Gewissheit, dass der Täter genau wie der Rest der Welt im Stau steht.

38 Stunden steht jeder Deutsche pro Jahr durchschnittlich im Stau. Das ist nicht nur eine Menge verschwendeter Lebenszeit, sondern auch Teil der Lebenswirklichkeit jedes Autopendlers. Und weil der "Tatort" diese ja immer ein Stück weit abbilden möchte, wurde es eben langsam mal Zeit für einen Mord im Stau. Die zähflüssige Natur einer Blechlawine, soviel schon mal vorab, teilt sich dieser Krimi zum Glück aber nicht mit seinem Motiv.

Kommissar Lannert (Richy Müller) sucht nach der Nadel im Stauhaufen.

Kommissar Lannert (Richy Müller) sucht nach der Nadel im Stauhaufen.

(Foto: SWR/Andreas Schäfauer)

Der Winter hat Stuttgart fest im Griff: Eine kaltnasse Dunkelheit hängt über der Stadt, nur durchbrochen vom rotgelben Lichtermeer, das die Verkehrsadern der Stadt markiert. Die stehen indes kurz vor dem Infarkt, Baustellen und Feierabendverkehr sei Dank. Als an einer vielbefahrenen Straße schließlich auch noch ein Wasserrohr bricht, geht gar nichts mehr. Zumindest für die Stuttgarter Ermittler Lannert (Richy Müller) und Bootz (Felix Klare) ist die Vollsperrung aber ein Glücksfall: An einer nahegelegenen Zufahrtsstraße wurde ein Mädchen totgefahren - und der flüchtige Täter muss noch irgendwo im Megastau feststecken.

"Das ist ja 'Mord im Orient-Express'"

Der Plot von "Stau" ist natürlich arg konstruiert, der Geschichte schadet das allerdings nicht. Ganz im Gegenteil: Weil jedes Auto sein eigenes kleines Biotop ist, nutzen die Drehbuchautoren Daniel Bickermann und Dietrich Brüggemann die Gelegenheit, um eine ganze Riege grundverschiedener Charaktere einzuführen, die alle eines gemeinsam haben: "Ein Anwalt mit Kleinkind, eine Mutter mit einer zehnjährigen Nervensäge, ein zerstrittenes Ehepaar, ein schlechtgelaunter Rentner, ein schlechtgelaunter Angestellter, ein schlechtgelaunter Fahrer und ein gutgelaunter Fahrer - und die alle können's gewesen sein", fasst Kommissar Lannert die Situation zusammen, als er merkt, dass er die Nadel im Stauhaufen sucht.

"Das ist ja eigentlich 'Mord im Orient-Express': Ein Ort, wo die Leute nicht wegkommen", sagte Autor Brüggemann über den ersten "Tatort", bei dem er auch Regie führte, kürzlich der "FAZ": "Keiner verlässt den Raum. Warum schaut man das gerne an? Wenn man es mit Massenpsychologie erklären will: So ein Film ist immer eine kleine Metapher fürs Leben. Aus dem Leben als Ganzes kommt man ja auch nicht raus."

Das sind freilich ziemlich große Worte, um einen Krimi zu beschreiben. Aber auch, wer sonntagabends keine Lust mehr auf Metaebenen hat, wird mit dem Film seinen Spaß haben: "Stau" ist ein schwungvoller Krimi, der den Spagat zwischen Klamauk und ernsthafter Ermittlungsarbeit ziemlich perfekt beherrscht - und dank des großartigen Panoramas mit der nächtlichen Stadt im Hintergrund und der Blechlawine im Vordergrund ganz nebenbei auch noch eine wohlig melancholische Winterstimmung erzeugt. Wem das noch nicht genug ist, der wird sich dann vielleicht zumindest über den feinfühlig erzählten Nebenplot freuen: Bootz verliebt sich.

Quelle: ntv.de

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