Unterhaltung

Unterirdisches "Polizeiruf"-Jubiläum Endstation Magdeburg

Sascha (Nino Böhlau) schlägt auf seine Mutter Manuela (Julischka Eichel) ein.

Sascha (Nino Böhlau) schlägt auf seine Mutter Manuela (Julischka Eichel) ein.

(Foto: dpa)

Doreen Brasch ist die wahrscheinlich unsympathischste Ermittlerin im deutschen Fernsehen. Das ändert sich auch zum 45-jährigen Jubiläum des "Polizeirufs" nicht. Einziger Lichtblick in der krimitechnischen Entwicklungsstadt ist Braschs neuer Kollege.

Die Kommissare in den Sonntagskrimis der ARD sind so unterschiedlich wie die Städte, in denen sie ermitteln: Da gibt es mal mehr und mal weniger witzige Klamauk-Antihelden wie Thiel und Boerne im Münsteraner "Tatort" sowie philosophisch angehauchte Meta-Ermittler wie den Wiesbadener LKA-Mann Murot. Es gibt lokale Brechstangen-Helden wie Hauptkommissar Bukow im Rostocker "Polizeiruf 110" und den Dortmunder Ermittler Faber, der seine Misanthropie wie einen Schild vor sich her trägt. Man muss nicht zwingend jeden dieser Charaktere mögen, eines haben sie aber doch alle gemeinsam: Man versteht, warum sie tun, was sie tun und warum sie sind, wie sie sind. Bei Doreen Brasch, der wahrscheinlich unsympathischsten Ermittlerin im deutschen Fernsehen, versteht man hingegen gar nichts, sondern möchte einfach nur zur Fernbedienung greifen und das Elend wegzappen.

Das ist auch im neuesten Fall der Magdeburger "Polizeiruf"-Kommissarin nicht anders: Ein zwölfjähriges Pflegekind fällt aufs Übelste verprügelt mitten auf der Straße tot um und Brasch muffelt sich 90 Minuten lang durch die Kulissen, dass es ein Graus ist. Das liegt gar nicht mal an der schauspielerischen Leistung von Grimme-Preisträgerin Claudia Michelsen, die ihren Job ganz okay macht. Aber was soll die Arme denn bitteschön aus einer Figur herausholen, die offenbar aus der Feder eines im Fieberwahn schreibenden MDR-Redakteurs stammt und irgendwo zwischen dem verrenteten Haudrauf Schimanski und einem vom Leben gezeichneten Kommissar wie Faber angelegt ist? Genau, herzlich wenig.

Eine weitere kaputtgespielte Leiche

Unter Brasch leidet natürlich auch der Rest des Magdeburger "Polizeirufs", der immer düster sein will, meistens aber nur peinlich ist. Ex-Kollege Sylvester Groth, ebenfalls ein veritabler Schauspieler, zog nach fünf Fremdschäm-Episoden die einzig logische Konsequenz und ließ sein Alter Ego, Hauptkommissar Jochen Drexler, das Handtuch werfen. In "Endstation" übernimmt nun Matthias Matschke als Hauptkommissar Dirk Köhler an Braschs Seite - und schon bei der Einführung des neuen Charakters steht zu befürchten, dass hier bald eine weitere kaputtgespielte Leiche den Weg der Brachialermittlerin säumt.

Tatsächlich aber entpuppt sich Matschke als einziger Lichtblick in der Krimi-Entwicklungsstadt Magdeburg: Die aufgeräumte Art des entspannten Bartträgers, der vor allem aus humorigen Produktionen wie "Ladykracher" und der "heute-show" bekannt ist, markiert einen angenehmen Kontrapunkt zu Braschs Brecheisen-Mentalität - jede Szene mit Kommissar Köhler ist Wellness für die strapazierten Sinnesorgane der Zuschauer.

Retten kann der Neue in Magdeburg trotzdem nicht allzu viel, dafür ist das Drehbuch zu platt und zu vorhersehbar und der Rest der Besetzung zu sehr bemüht, bei Braschs Wutlevel mitzuhalten - was darin resultiert, dass quasi jede zweite Dialogzeile mit voller Kraft herausgeschrien wird, ganz egal, ob das gerade passt oder nicht. Erst ganz zu Schluss schafft es "Endstation" kurz, auch mal die leisen Töne zu bedienen. Da steht die Mutter des toten Pflegekindes in einer Blutlache und schluchzt: "Ich hatte mir das alles anders vorgestellt." Wir uns auch, Frau Brasch, wir uns auch …

Quelle: ntv.de

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