Berliner Tatort "Großer schwarzer Vogel" Ermittelst du noch - oder schläfst du schon?
09.02.2014, 22:10 Uhr
Da gucken selbst die beiden Hauptfiguren skeptisch: Boris Aljinovic (links) und Dominic Raacke hätten sich ihren gemeinsamen Abschied wohl auch anders vorgestellt.
(Foto: rbb/Conny Klein)
Kein Grande Finale, kein letztes "Goodbye", nicht mal ein müdes "Tschüss". Nach 13 Jahren endet das Teamwork der Berliner Kommissare Ritter und Stark mit dem 30. gemeinsamen Fall. Der heißt "Großer schwarzer Vogel" - und entpuppt sich als flügellahmer Flattermann.
Was hätte man nicht alles draus machen können? Was wäre nicht alles möglich gewesen, um das Berliner "Tatort"-Gespann ehrenhaft aus dem Dienst zu entlassen? Zum Abschied ein gemeinsames Besäufnis, möglicherweise der beweinte Tod einer der beiden oder wenigstens eine letzte Umarmung in irgendeinem Döner-Imbiss.
Aber nein, der insgesamt 30. Fall von Ritter und Stark war bereits abgedreht, als die Nachricht des Dienstendes der beiden die Runde machte. Boris Aljinovic alias Felix Stark wird noch einmal solo ermitteln, bevor 2015 ein neues Gespann in der Hauptstadt ermittelt. Für Dominic Raacke alias Till Ritter war es das jetzt schon.
Äußerst schade, dass nach knapp 13 gemeinsamen, zumeist äußerst unterhaltsamen Jahren ein fahrig zusammengeschusterter Fall wie dieser den Abschluss bildet: Im Mittelpunkt steht Nico Lohmann (Florian Panzner). Der war einst Leistungsschwimmer, jetzt ist er ein bekannter Radiomoderator, der sich als Nighttalker um die einsamen und verwirrten, die orientierungslosen und problembeladenen Schlaflosen Berlins kümmert.
Innovativer Plot: Fehlanzeige
Als Lohmann und seine schwangere Freundin Anne (Klara Manzel) Opfer einer Briefbombe werden sollen, explodiert diese im Treppenhaus zu früh und tötet ein spielendes Kind. So weit, so schlimm, so bekannt. Spätestens seit "Talk Radio" (1988) ist das Krimi-Konstrukt "Radiomoderator verprellt Anrufer und bekommt dafür Saures" nicht eben neu.
Doch Regisseur Alexander Dierbach ist nicht Oliver Stone, Florian Panzner nicht Eric Bogosian und Berlin eben nicht Dallas. Und so entspinnt sich hier nicht etwa ein bunter Reigen telegener Irrer, die es vielleicht auf den Talker abgesehen haben könnten - der Blick von Ritter und Stark fällt zügig aufs direkte Umfeld des Radiomannes.
Da ist Ex-Freundin Henriette, die seit Jahren darauf wartet, dass Lohmann zu ihr zurückkehrt. Da ist dessen Vater, der ihn einst als Schwimmtrainer zu Höchstleistungen trieb, bis ein Autounfall seines Sohnes alle Olympia-Ambitionen zunichte macht. Lohmann war auf freier Strecke mit einem entgegenkommenden Auto kollidiert. Er selbst überlebte mit gebrochenen Beinen, im anderen Auto starb eine Frau mit ihrer kleinen Tochter. Deren Ehemann gehört flugs auch zum Verdächtigenkreis, ist er doch fest davon überzeugt, dass seine Frau keine Schuld hatte, sondern Lohmann mit Absicht in sie hineingerast sei.
Spannungsarm bis zum Stillstand
Der Weg zur Wahrheit - dass Lohmann tatsächlich versucht hatte sich umzubringen, und die verschmähte Ex mörderische Absichten hatte - entpuppt sich als fast unwirklich zähe Angelegenheit für alle Beteiligten. Beinah im Stile einer Telenovela gibt es unzählige Schnitt/Gegenschnitt-Einstellungen, die die - zumeist unbewegten - Gesichter der Darsteller zeigen.
Spannungsarm bis zum Stillstand scheint das Geschehen zuweilen einzufrieren, macht das Ensemble den Eindruck, als stünde es kurz vor der R.E.M.-Phase, wachgehalten nur von plakativsten Erklärdialogen voll wundersam flacher Zeilen: "Ich könnte mir vorstellen, dass der Konkurrenzdruck unter Sportlern groß ist" oder der Replik darauf: "Sie kämpfen hart, aber nur gegen sich selbst".
Bullenphrasen-Bingo mit Berlin
Fast schon grotesk auch, wie Ritter und Stark agieren. Wüßte man es nicht längst, an ihnen ließe sich hier im Gang der Ermittlungen ablesen, dass die Polizistenrente unmittelbar bevorsteht. "Die Fahndung läuft" sagt der eine, "Ja, das ist doch super" erwidert der andere. Als müssten hier zum Schluss noch einmal alle Bonmots von "Wo waren Sie zur Tatzeit?" bis zu "Haben Sie Feinde?" abgefeuert werden - man könnte dazu Bullenphrasen-Bingo spielen, und zwar diverse Runden.
Den einsamen Höhepunkt liefert Stark: "Ich habe eine Idee: Wir machen eine Gegenüberstellung!". Tusch. Konfetti. So geht Polizeiarbeit heute. Ritter hat es gut. Der kann es sich jetzt schon zum Feierabend gemütlich machen. Stark muss nochmal ran. Hoffentlich bekommt man ihn wach zum letzten Einsatz.
Quelle: ntv.de