Unterhaltung

Der Abschied von "Wetten, dass..?" Gottschalk geht ohne Wehmut

Gottschalk verlässt die Bühne.

Gottschalk verlässt die Bühne.

(Foto: Reuters)

Mit großem Aufwand inszeniert das ZDF den Abschied von Thomas Gottschalk als Moderator von "Wetten, dass..?" Die Show-Legende hat aber wenig Lust auf tränenreiche Nostalgie. Lieber liefert Gottschalk Business as usual und damit den besten Beweis, dass seine Zeit abgelaufen ist.

Das ZDF hatte sich wirklich Mühe gegeben. Fünfzig Minuten lang stimmte ein Countdown auf die Abschiedssendung von als Gastgeber von "Wetten, dass..?" ein. Auch der letzte Zuschauer sollte merken: Hier wird gleich Fernsehgeschichte geschrieben. Kameraleute, Assistenten und Redakteure kleideten sich in spezielle T-Shirts mit Gottschalks Konterfei. Das Publikum in Friedrichshafen präsentierte zahlreiche Banner mit Dankesworten an die Moderatoren-Institution, sogar eine Lockenperücke gab es zu bewundern.

Gottschalk zeigt noch mal, wie es geht.

Gottschalk zeigt noch mal, wie es geht.

(Foto: dpa)

Als die originale Haarpracht und ihr Besitzer dann zum finalen "Guten Abend, Herrschaften" ansetzten, wurde schnell klar, dass nur Gottschalk selbst die Dramaturgie bestimmen würde. Und so setzte es statt einer rührseligen Begrüßung gleich mal deftige Worte in Richtung des anwesenden ZDF-Intendanten Markus Schächter, dem die zu einem Desaster geraten ist: "Ich zeig' euch noch mal, wie es geht, und dann sucht ihr weiter."

Ob Gottschalk die Suche überhaupt für angebracht hält, ist fraglich. Seinen alten Weggefährten Günther Jauch, der als erster Gast routiniert harmlosen Jux lieferte, nutzte der Moderator zu einem geschickten Spiel über Bande. Nur zwei Personen gebe es im deutschen Fernsehsehen, die untrennbar mit ihrer Show verbunden seien – ihn selbst und Jauch. "‘Wer wird Millionär‘ kann sich auch keiner ohne dich vorstellen" – kann sich also auch niemand "Wetten, dass..?" ohne Gottschalk vorstellen?

Der Star ist die Wette

Das ZDF kann. In einer großen Boulevardzeitung enthüllte der künftige Intendant Thomas Bellut, dass die Mainzer an Michelle Hunziker festhalten wollen. Das war vor der Sendung. Während der 182 Minuten lieferte die Schweizerin dutzende Gründe, diesen Plan noch einmal zu überdenken. Selbst in ein kleines Gedicht für den Kollegen baute die 34-Jährige einen peinlichen Patzer ein; dass es ihr partout nicht gelingen wollte, auch nur ein Stück des eigens angefertigten Abschiedskuchens unfallfrei an die Gäste zu bringen, passte ins Bild.

Seite an Seite: Hunziker und Gottschalk.

Seite an Seite: Hunziker und Gottschalk.

(Foto: Reuters)

Ihre Daseinsberechtigung hat Hunziker nur an der Seite von Gottschalk. Als seine persönliche Zivildienstleistende lenkte sie den gewohnt unkonzentrierten Showmaster stets zur richtigen Kamera und sorgte mit viel Vehemenz dafür, dass die Wetten nicht im fahrigen Gerede untergingen – eine nicht zu unterschätzende Leistung. Schließlich, und das wurde an diesem letzten Abend mit Gottschalk sehr deutlich, sind die Wetten der Star der Sendung.

Bieten die Kandidaten spannende Herausforderungen an – so wie die Wettkönige, die auf akrobatische Weise einen menschlichen Wollknäuel formten -, ist der Abend gerettet. Bizarre Ideen kitzeln jenen Anarchismus aus Gottschalk heraus, der ihn zu einem Unikum gemacht hat. Ein Handwerker konnte WC-Spülungen am Klang erkennen – was lag also näher, als 2,13-Meter-Mann Dirk Nowitzki zu fragen, ob er im Stehen pinkelt?

Samstagabend in Deutschland: Ein Knäuel aus Menschen wird bestaunt.

Samstagabend in Deutschland: Ein Knäuel aus Menschen wird bestaunt.

(Foto: dpa)

Gottschalk ist sich des überragenden Wertes der Wetten für die Sendung völlig bewusst. Nicht umsonst galt sein größter Dank in seiner Abschiedsrede den Kandidaten. Wie oft ist gemutmaßt worden, dass der nur Anlass, nicht Ursache für gewesen ist. Tatsächlich aber traf der Vorfall den Kern der Sendung. Nur eine Wette konnte den Ausschlag für den Rücktritt geben. Die Kritik an seiner desaströsen Gesprächsführung oder seinem Hang zu Altherrenwitzen hätte nie solche Selbstzweifel bei der Showlegende auslösen können.

Typberatung mit Lagerfeld

Im Gegenteil, Gottschalk kokettierte auch in seiner letzten Sendung mit seiner schludrigen Vorbereitung. "Der Jauch bereitet sich manchmal länger vor, als die Show dann dauert", feixte er über seinen Gast. Spätestens als Dirk Nowitzki auf dem Sofa Platz nahm, hätte man sich gewünscht, der Moderator hätte sich wenigstens 20 Minuten Zeit genommen, um sich in der ZDF-Mediathek das Backstage-Interview von Mirjam Weichselbraun anzuschauen. Vielleicht wäre dem notorischen Dampfplauderer dann wenigstens eine halbwegs vernünftige Frage für den Basketball-Superstar eingefallen. Lieber stammelte er etwas über Nowitzki als "Exoten", weil viele Schwarze in seiner Mannschaft spielten. Statt Gottschalk für diese fragwürdige Formulierung über den Mund zu fahren, rief der PR-gestählte Profi einige müde Phrasen ab und rettete damit die Zeit bis zur nächsten Wette.

Echte Typen? Lagerfeld und ein kleiner Lagerfeld und Gottschalk.

Echte Typen? Lagerfeld und ein kleiner Lagerfeld und Gottschalk.

(Foto: dpa)

Ob er echte Typen im Show-Business vermisse, fragte Gottschalk einige Minuten später den Modezar Karl Lagerfeld, und man traute seinen Ohren kaum. Gottschalk hatte wohl selbst wieder nicht genau hingehört, was er da sagte, und die Antwort interessierte ihn wahrscheinlich auch nicht. Echte Typen hielten es wahrscheinlich keine fünf Minuten auf der Couch aus, ohne sich mit dem Moderator in die Haare zu kriegen – so wie Götz George, dem 1998 einmal mächtig der Kragen platzte. Diese Szene ist im kollektiven Gedächtnis der Fernsehnation verankert.

Die Karawane zieht weiter

Vom Ruf, solche Momente zu kreieren, lebt "Wetten, dass ..?" noch heute. Allein, . Was bleibt von der letzten Sendung? Wahrscheinlich die nüchterne Abschiedsrede Gottschalks, die nicht so recht zu den pathetischen Klängen und den Rosamunde-Pilcher-Schnitten passen wollte, mit der die Regie auf die Tränendrüse drückte. Der Entertainer erinnerte daran, dass auch er ersetzbar ist: "Ich habe Menschen verehrt aus der Unterhaltung, die es nicht mehr gibt. Wir sind wie Spuren im Sand, das Wasser geht drüber, und es kommen andere."

Jauch will über Gottschalks Angebot nachdenken.

Jauch will über Gottschalks Angebot nachdenken.

(Foto: Reuters)

Die Karawane zieht weiter. Es bleibt die Frage, wer der neue Sultan wird. Einen neuen Kandidaten gibt es übrigens seit Samstagabend: Sichtlich erfreut über seinen spitzbübischen Einfall überfiel Gottschalk seinen Kumpel Jauch mit dem Angebot, die Sendung zu übernehmen. 24 Stunden Bedenkzeit hat der sich erbeten, in seinem großen Jahresrückblick auf RTL am Sonntag will er sich entscheiden – eine bessere Werbung für die Show hätte sich Jauch nicht wünschen können. That’s Entertainment.

Quelle: ntv.de

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