Unterhaltung

In Bremen regieren die Clans Guter "Tatort", böse Ausländer

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(Foto: Radio Bremen/Jörg Landsberg)

Wenn sich deutsche Krimis an US-amerikanischen Formaten versuchen, endet das meistens unschön. Wenn dann auch noch das Thema Ausländerkriminalität politisch unkorrekt aufgearbeitet wird, ist die Katastrophe programmiert. Oder?

Teststreifen sind uncool. Findet jedenfalls Hassan Nidal (Dar Salim), dem gefährlich aussehende Klappmesser mehr Spaß bereiten. Die sind außerdem viel funktionaler: Man kann mit ihnen nämlich nicht nur kamerawirksam Heroinpakete aufschlitzen und den Inhalt dann per Zungentest auf ihren Reinheitsgrad testen - sondern sich auch ninjamäßig auf Maschinenpistolen-bewehrte Polizisten stürzen, wenn sich die per Container eingetroffene Lieferung als Falle entpuppt und die eigenen Jungs im Kugelhagel der Polizei untergehen.

Bei so vielen abgedroschenen Hollywood-Zitaten auf einen Schlag zuckt die Hand fast schon automatisch in Richtung Fernbedienung. Wie gut, dass es dafür dann schon fast zu spät ist: Denn obwohl Regisseur Florian Baxmeyer auch beim Rest des neuen Bremer "Tatorts" immer wieder tief in der Klischeekiste wühlt, ist die neueste Episode rund um die Kommissare Inga Lürsen (Sabine Postel) und den wie immer vornamenlosen Stedefreund (Oliver Mommsen) durchaus sehenswert.

Wiedersehen beim Brutalisierungskurs

Wobei von einem "rund um" eigentlich keine Rede sein kann, spielen die beiden farblosen Ermittler in ihrem eigenen Krimi doch bestenfalls die zweite Geige. Angelehnt an amerikanische Cop-Thriller rückt stattdessen ein anderes Duo in den Fokus, wie es unterschiedlicher kaum sein könnte: Nachwuchsschauspieler Christoph Letkowski überzeugt nach seiner Kinopremiere in "Feuchtgebiete" als Streifenpolizist David Förster, der, hin- und hergerissen zwischen Angst und Wut, Rache für den Mord an seiner Kollegin nehmen will. Doch dabei braucht er die Hilfe seines Jugendfreundes Mesut (Matthias Weidenhöfer), den  er zufällig beim Brutalisierungskurs wiedertrifft.

Ganz schön farblose Ermittler: Lürsen und Stedefreund.

Ganz schön farblose Ermittler: Lürsen und Stedefreund.

(Foto: Radio Bremen/Jörg Landsberg)

"Vergesst mal das Multikulti-Gelaber von der Polizeischule", sagt Mesut da, der selbst einen libanesischen Migrationshintergrund mitbringt. "Wenn ihr euch keinen Respekt verschafft, wird e s auch keinen Dialog geben. Ihr müsst denen zeigen: Die Bullen sind immer noch die stärkste Gang da draußen." Mesut weiß, wovon er redet, schließlich entstammt er selbst dem kriminellen Nidal-Clan, dessen mächtigen Fängen er nur mit aller Macht entkommen konnte. Die Nidals sind es auch, die Försters Kollegin auf dem Gewissen haben - zusammen mit Insider Mesut plant der von Schuldgefühlen getriebene Polizist seinen Rachefeldzug.

"Wer hat zuerst geschissen?"

Zugegeben, nicht nur an dieser Stelle wirkt die Story arg konstruiert - die spannende Thematik kaschiert solche Fehltritte aber größtenteils. Die Beschreibung der Nidals orientiert sich nämlich an zwei real existierenden Großfamilien: Der Miri-Clan sorgt in Bremen schon seit Jahren mit einem breiten Portfolio an schmutzigen Geschäften für Schlagzeilen, wohingegen der Abou-Chaker-Clan vor allem wegen seiner Verbandelungen mit Bushido ins öffentliche Bewusstsein rückte. Wenn die Nidals im neuen "Tatort" vor Gericht Zeugen bedrohen und den Richter duzen, wirkt das zunächst zwar reichlich überdreht - ist es aber nicht, die Macher haben sich die realen Prozesse gegen die Abou-Chaker-Familie zum Vorbild genommen.

Sicher, die Angehörigen der Nidal-Familie kommen ganz schön schablonenhaft daher und der sozialkritische Aspekt nach dem Grund für die Kriminalisierung der libanesischen Einwanderer beschränkt sich auf eine kurze Szene zwischen Kommissarin Lürsen und dem Clanvater ("Das ist die Frage nach Henne und Ei: Wer hat zuerst geschissen?"), aber zumindest Langeweile kommt während der 90 Minuten keine auf.

"Es hätte eine so schöne Nacht werden können", sagt Försters Kollegin kurz vor ihrem Tod. Wer die Bremer "Tatorte" kennt, weiß aber: Es hätte auch viel schlimmer kommen können.

Quelle: ntv.de

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