Unterhaltung

Den Schnuckelputz a bisserl anbraten Kommissar Eisner blickt in Abgründe

Fellner und Eisner schmieden einen Plan.

Fellner und Eisner schmieden einen Plan.

(Foto: rbb/ORF/Petro Domenigg)

Der Wiener "Tatort" erzählt eine düstere Verschwörungsgeschichte, die an den Entführungsfall Kampusch angelehnt ist. Es ist ein starker Film - der deutsche Zuschauer allerdings vor manche sprachliche Rätsel stellt.

In dem Österreich dieses "Tatorts" will man nicht leben. Immer schneit es dort und dämmert und die Macht liegt in den Händen einer korrupten Elite, die ihre Seilschaften und Gspusis pflegt. Ein Anruf von oben genügt, um auch die übelste Affäre zu vertuschen. "Mich wundert es nicht, wenn man bei uns einen Psychiater braucht", seufzt Kommissar Moritz Eisner (Harald Krassnitzer).

Der eigensinnige Polizist lässt sich aber von dem Widerstand der Mächtigen erwartungsgemäß nicht entmutigen - und ermittelt in einem richtig starken Fernsehkrimi. Der erzählt eine düstere Verschwörungsgeschichte um den Tod einer Ex-Polizistin. Immer weiter spitzt sich das Geschehen zu, bis die "Abgründe" zum Vorschein kommen, die dem Film seinen Namen geben. Zugleich sorgt das wunderbar harmonierende Duo aus Eisner und Kollegin Bibi Fellner (Adele Neuhauser) für knochentrockenen Humor - kurz: ein gelungener Beitrag des östlichsten "Tatort"-Teams.

Kommissar Eisner hat zugeschlagen - und zwar beim Kollegen.

Kommissar Eisner hat zugeschlagen - und zwar beim Kollegen.

(Foto: rbb/ORF/Petro Domenigg)

Die Handlung ist an den realen Entführungsfall Kampusch angelehnt. Melanie heißt in dem Film das Mädchen, das fünf Jahre im Keller eines Hauses eingesperrt worden war. Wie in der Vorlage hat sich der Täter nach seiner Enttarnung getötet - oder zumindest scheint es ein Selbstmord gewesen zu sein. Als ein Jahr später sein Haus abgerissen werden soll, findet sich im Kellerverlies die Leiche der Leiterin der damals gebildeten Sonderkommission. Sie hatte nie an die Theorie eines Einzeltäters geglaubt und war wegen angeblicher psychischer Probleme inzwischen vom Dienst freigestellt worden.

Die psychologischen Tiefen des berühmten Entführungsfalls sind nicht das Thema dieses Films, klingen aber in einer eindrucksvollen Szene an, in der die Ermittler die traumatisierte Melanie und ihre Mutter zu Hause besuchen und sehen, welches Leid das Verbrechen angerichtet hat. Im Mittelpunkt steht jedoch die Frage, ob es nicht doch weitere Täter gab - das wurde auch bei den Ermittlungen im Fall Kampusch diskutiert. 

Es ist kühl - draußen, und in den Herzen

Das Drehbuch von Uli Brée entwickelt aus dem Stoff ein Szenario, das an britische Spionagethriller erinnert - niemand der Akteure kann sich sicher sein, wer die Fäden wirklich in der Hand hat. Schnell wird der Tod der Polizistin zum Unfall erklärt, Beweisstücke gehen verloren und lauter ernste Männer führen vertrauliche Gespräche, die meist mit einem Rückschlag für die Ermittlungen enden. Dass die ernsten Männer dabei oft im Schnee stehen, war dem Sender zufolge ein Glücksfall während der Dreharbeiten, passt aber zu der kühlen Atmosphäre.

Kälte und Stress machen den beiden Kommissaren zu schaffen.

Kälte und Stress machen den beiden Kommissaren zu schaffen.

(Foto: rbb/ORF/Petro Domenigg)

Deutschen Zuschauern mutet der Wiener Tatort wie immer unverfälschtes österreichisches Deutsch zu – ohne Rücksicht auf Verluste. Manche Äußerungen und Begriffe sind für Auswärtige auch bei mehrmaligem Anschauen schlicht nicht zu verstehen - dass die tote Polizistin zum Beispiel "karenziert" worden war, bleibt ohne einen Blick in Wikipedia ein Rätsel (Anm.d.Red.: Die Karenzierung ist in Österreich eine befristete Dienstfreistellung von Arbeitnehmern, zumeist unter teilweisem oder gänzlichem Ruhen der Bezüge). Den Dialogen vor allem der Ermittler folgt man aber trotz aller Verständnisschwierigkeiten gern - oder auch gerade wegen des charmanten Wiener Dialekts.  

Bibi Fellner, die dem einsamen Wolf Eisner vor drei Jahren zur Seite gestellt worden war, erweist sich wieder als großer Gewinn. Autor Brée, der den Charakter der schwierigen Assistentin mit der Schauspielerin entwickelt hatte, lässt die beiden inzwischen ein charmantes und sehr reifes Verhältnis im weiten Feld zwischen Kollegen- und Liebschaft pflegen. "Ich schlafe bei ihm, aber nicht mit ihm", erklärt Bibi Fellner der jungen Kollegin, die so gern ein richtiges Liebesverhältnis mit dem Chef hätte ("Das Einzige, wo ich mich als Frau spür', das ist, wenn ich den Schnuckelputz da drin ein bisserl anbrat").

Dass man am Ende nicht weiß, wie viele Schuldige doch wieder davongekommen sind, ist nur konsequent. Ein klares Happy End hätte in dieses kalte und verschneite Österreich nicht gepasst.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen