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Für Nachkriegsroman "Landgericht" Krechel gewinnt Buchpreis

Ursula Krechel ist 64 Jahre alt und kommt aus Trier.

Ursula Krechel ist 64 Jahre alt und kommt aus Trier.

(Foto: dapd)

Ein Jude kehrt zurück ins Nachkriegsdeutschland - und trifft auf Gleichgültigkeit und Abwehr. Meisterhaft beschreibt Ursula Krechel die Atmosphäre in den frühen Jahren der Bundesrepublik. Jetzt hat sie dafür den Deutschen Buchpreis erhalten.

"Landgericht" erzählt die Geschichte eines jüdischen Flüchtlings.

"Landgericht" erzählt die Geschichte eines jüdischen Flüchtlings.

(Foto: dpa)

"Er war angekommen", so beginnt Ursula Krechels jüngstes Buch "Landgericht". Doch er kommt nicht mehr an im Nachkriegsdeutschland, der Jude Kornitzer, der vor den Nazis nach Kuba flüchten musste. Nun kehrt er in ein Land zurück, das so schnell wie möglich zurück in die Normalität will und in dem er erneut nicht erwünscht ist. Kornitzer lehnt sich auf gegen das kollektive Vergessen und Verdrängen - und wie er das tut, das beschreibt Ursula Krechel meisterhaft in diesem großen Roman. Am Montag erhielt sie dafür in Frankfurt den Deutschen Buchpreis.

Die Autorin, 1947 geboren, hatte erst 2008 mit "Shanghai fern von wo" ihren späten Debütroman vorgelegt - eine Geschichte um jüdische Flüchtlinge am Vorabend des Zweiten Weltkriegs, die in Shanghai zu überleben versuchen. Krechel wurde für den Roman mehrfach ausgezeichnet. "Landgericht" knüpft in gewissem Sinne daran an - es geht hier um das Schicksal eines Rückkehrers aus dem Exil, um Entnazifizierung und Wiedergutmachung in den Gründungsjahren der Bundesrepublik.

1933 wird Richard Kornitzer, Patentrichter in Berlin, von den Nazis aus dem Dienst entfernt, in den "Ruhestand" versetzt. Einige Jahre übersteht er noch mit Hilfe seiner protestantischen Frau Claire, doch 1939 muss er fliehen. Die beiden Kinder werden nach England gebracht, Claire bleibt in Deutschland. Erst 1948 kommt Kornitzer zurück, zunächst an den Bodensee, wo Claire Unterschlupf gefunden hat. "Alles schwankte, es gab keinen festen Boden unter den Füßen. Das Ankommen war eine Erschütterung wie das Weggehen."

Feindseligkeit und das Misstrauen

Die geplante Familienzusammenführung scheitert; die Kinder, der Heimat und den Eltern entfremdet, bleiben in England. Kornitzer wird ans Landgericht nach Mainz berufen. Gestützt auf detaillierte Recherchen, in einer Mischung aus Fakten und Fiktion, beschreibt Krechel brillant die Atmosphäre der frühen Nachkriegsjahre, den noch immer gärenden Antisemitismus, die Feindseligkeit und das Misstrauen gegen den Rückkehrer, der es doch gut gehabt habe, weil er den Krieg nicht mitmachen musste.

Was er erleiden musste ("abgezockt - aus dem Land gejagt - erniedrigt - aus der Staatsbürgerschaft entlassen"), das zählt in den Augen der Einheimischen nicht gegen ihre eigenen Kriegsschicksale ("geplündert - verhaftet - verschollen - vergewaltigt"). Fassungslos beobachtet Kornitzer, wie die Täter der Nazi-Zeit wieder in ihre alten Positionen zurückkehren, wie sie erneut Recht sprechen und darüber entscheiden, welches ihrer früheren Opfer Anspruch auf Wiedergutmachung hat. Er hadert, lehnt sich auf, verbeißt sich in das ihm angetane Unrecht, kämpft um seine Ansprüche. Einem Kohlhaas gleich, will er sein Recht.

In nüchterner und doch eindringlicher Sprache berichtet Ursula Krechel von Gleichgültigkeit und Herzlosigkeit gegenüber den Überlebenden der Nazi-Zeit, sie flicht Lebensläufe von Tätern und Opfern ein, zitiert aus amtlichen Schreiben, die Eiseskälte spüren lassen: "Man wollte Bittsteller, keine Anspruchsberechtigten. Und am Ende stand ein Urteil, meistens eines, das sich gegen den Antragsteller richtete, seine Ansprüche abwehrte." Das sind die stärksten Passagen dieses Romans, in den Krechel auch Rückblicke auf die Zeit vor Kornitzers Flucht im Berlin der 1930er Jahre und auf sein Dasein als Flüchtling in Kuba einbaut. Ein beklemmendes Buch über den Schrecken einer seelenlosen, oft unmenschlichen Bürokratie.

Quelle: ntv.de, Stephan Maurer, dpa

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