Herr der Raben und Räuber Otfried Preußler wird 85
20.10.2008, 11:30 UhrBefragt, welches wohl das schönste Buch Otfried Preußlers sei, muss der Nachwuchs nicht lange grübeln: Das Vorschulmädchen ruft sofort: "Die kleine Hexe!", die Grundschülerin liebt den knollen-nasigen "Räuber Hotzenplotz" und der Prä-Pubertist ist fasziniert von "Krabat" und seiner düsteren Welt verzauberter Raben. Otfried Preußler hat mit seinem märchenhaft-beseelten Ton eine Literatur geschaffen, die alle Altersklassen fesselt und nun schon Jahrzehnte Klassiker-Status hat. Am 20. Oktober wird der Herr der Raben, Hexen und Räuber, dessen 32 Bücher in 55 Sprachen übersetzt, vielfach preisgekrönt und weltweit mehr als 50 Millionen Mal verkauft wurden, 85 Jahre alt.
Schönes Geburtstagsgeschenk
Und eines seiner schönsten Geburtstagsgeschenke dürfte die aufwendige, just angelaufene Krabat-Verfilmung sein. "Ich glaube ja nicht an Zufälle, für mich ist es Fügung, dass die Geschichte, mit der ich mich mein ganzes Leben lang auseinandergesetzt habe, ausgerechnet zu meinem 85. Geburtstag ins Kino kommt", schreibt Preußler, der keine Interviews mehr gibt, dazu den Filmemachern gerührt in einem Dankesbrief.
In der Tat rührt die mythische, an eine Sage angelehnte Geschichte um den Müllerjungen, der nach dem 30-jährigen Krieg in der wild-romantischen Oberlausitz sein Glück sucht und den Teufel findet, an Preußlers frühe Kindheitserinnerungen. 1923 im böhmischen Reichenberg in eine Lehrerfamilie geboren, erlebte er einen Vater, der als leidenschaftlicher Heimatforscher die Sagen des Isergebirges sammelte, und eine Großmutter, die ihn unermüdlich mit Geschichten fütterte. "Das Geschichtenbuch meiner Großmutter, das es in Wirklichkeit überhaupt nicht gegeben hat, ist das wichtigste aller Bücher für mich, mit denen ich je im Leben Bekanntschaft gemacht habe", erinnert sich Preußler.
Schon mit zwölf schrieb er selbst erste Geschichten und wünschte sich, später einmal als Schriftsteller in Prag zu leben. Doch der Weltkrieg durchkreuzte alles: Gleich nach seinem Abitur 1942 wurde Preußler einberufen und landete schließlich nach fünf Jahren russischer Gefangenschaft 1949 im oberbayerischen Rosenheim, wo er mit Glück seine Familie und seine Verlobte wiederfand. Um sich eine Existenz aufzubauen, fing er noch während des Lehramts-Studiums mit dem Schreiben an - zunächst als radelnder Lokalreporter, dann als Autor für den Kinderfunk.
Von kleinen Wassermännern und Hexen
Sein erster großer Erfolg gelang Preußler 1956 mit dem versponnen- lustigen "Kleinen Wassermann". Und als eine seiner drei in den 50er Jahren geborenen Töchter aus Angst vor bösen Hexen nicht einschlafen konnte, erfand er ein Jahr darauf kurzerhand "Die kleine Hexe", die mit Hilfe des redseligen Raben Abraxas alles dafür tut, eine gute Hexe zu werden.
1962 schließlich rief Otfried Preußler den herrlich unverschämten Räuber Hotzenplotz ins Leben, der gleich in mehreren Büchern dem tumben Wachtmeister Dimpflmoser das Leben schwer macht und mit Gert Fröbe ein legendäres Gesicht bekam. Nach dem "Kleinen Gespenst" (1966) präsentierte Preußler 1971 schließlich seinen ersten Jugendroman "Krabat" - das Buch über den Kampf um Freiheit, das Ringen um Macht, Magie und Liebe wurde ein Welterfolg, der in 31 Sprachen übersetzt und mit zahlreichen Preisen, darunter dem Deutschen und Europäischen Jugendbuchpreis, ausgezeichnet wurde.
"Kinder sind das klügste Publikum"
Aber auch zahlreiche Bilderbücher ("Die dumme Augustine"), Weihnachtsgeschichten ("Der Engel mit der Pudelmütze") und immer wieder sagenhaft angehauchte Werke entstanden im Laufe der Jahre, von den "Abenteuern des starken Wanja" über Rübezahl-Geschichten bis hin zu einer dicken Balladen-Sammlung. Eigen ist ihnen allen eine kraftvolle, etwas altertümliche Sprache, die besonders eindringlich unter die Haut geht, wenn Preußler seine Geschichten - wie in zahlreichen Hörspielen geschehen - selbst vorträgt. Jeden neuen Text stellt er zuerst vor Kindern auf den Prüfstand - eine Achtung, die sich bis heute in Dankesbriefen begeisterter Kinder widerspiegelt. "Kinder sind das beste und klügste Publikum, das man sich als Geschichtenerzähler nur wünschen kann", sagt Preußler dazu. "Und sie sind strenge, unbestechliche Kritiker."
Quelle: ntv.de, Andrea Barthlmy, dpa