Coachella-Festival 2014 Sandsturm, Stars und Selfies
19.04.2014, 12:40 Uhr
Wer hier der Star ist? ICH!! Und ICH! Und ICH!
(Foto: REUTERS)
Das Musikfestival Coachella in Kalifornien steht für schöne Menschen, Promis und Mode. Ist die Musik hier denn wirklich nur Nebensache? Zu Besuch auf dem glamourösesten Festival der Welt.
Es fällt nicht schwer, sich über das Coachella lustig zu machen. Überall die gestylten Menschen, denen ihr Aussehen wichtiger zu sein scheint als jede Playlist. Die langen Schlangen vor den Beauty-to-go-Ständen und den Handy-Ladestationen für die Generation Selfie. Die gähnende Leere im Plattenladen neben dem überfüllten Fashion-Zelt. All die luxuriösen Poolpartys, von denen es mehr gibt als Bands auf dem Festival. Alles Klischee? Von wegen.
In US-Medien wird in diesen Tagen zwischen den beiden Coachella-Wochenenden (11.-13.4. und 18.-20.4.) viel über die Kommerzialisierung des Events geschimpft. Dabei hat sich das Festival schon vor langer Zeit vom kleinen, rebellierenden Indie-Event zur Luxus-Party gewandelt. Vor 15 Jahren wollten hier in der Wüste in der Nähe von Palm Springs 20.000 Fans Pearl Jam sehen. Heute warten 90.000 auf Pharrell Williams und Lana del Rey, die Vogue gibt Stylingtipps für den "typischen Coachella-Look" und Stars kassieren Tausende Dollar dafür, dass sie Fotos von sich in Klamotten der Sponsoren bei Twitter und Instagram posten. Sich darüber aufzuregen wäre unangebracht. Wer zum Coachella geht, weiß, was er tut und was er will - und wird bedient.
Dass die Tickets, lange bevor das Line-up veröffentlicht wurde, ausverkauft waren, sagt viel über die Mentalität der Besucher aus. Dabei sein ist alles. Keiner fährt mehr (nur) wegen der Musik in die Wüste. Knapp 400 Dollar haben die meisten für das Wochenende bezahlt. Vermutlich nicht viel weniger für das Outfit, das auf Facebook und Pinterest präsentiert werden will.
Und so ist die Kunstinstallation von Phillip K. Smith, die inmitten des Geländes steht, sinnbildlich für das Festival: In der verspiegelten Oberfläche riesiger Würfel fotografieren sich Besucher dabei, wie sie sich selbst fotografieren. Das Selfie hat längst das Autogramm des Lieblingsstars abgelöst. Hier ist jeder selbst der Star. Man braucht nur einen Instagram-Account. Vielleicht ist es nur ein Gerücht, dass Instagram am ersten Coachella-Samstag lahmgelegt wurde.
Abwegig scheint es nicht. Der Tweet des Schauspielers David Spade dürfte vielen aus der Seele gesprochen haben: "Instagram is down. Does that mean they cancel coachella? I mean whats the point of going now. To hear the music??" ("Instagram geht nicht. Wird Coachella jetzt abgesagt? Ich meine, wozu soll man dann da hingehen? Um Musik zu hören?").
Das Spa unter den Festivals
Wem es allein um die Musik geht, der ist auf anderen Festivals sicherlich besser aufgehoben. Wer auf dem Hurricane in Scheeßel oder dem Glastonbury im englischen Somerset im Staub stand, dem dürfte diese Veranstaltung unter der kalifornischen Sonne wie eine andere Welt vorkommen.
Das Coachella ist die Spa-Anwendung unter den Festivals. Statt Bier-Wetttrinken gibt es morgens auf den Zeltplätzen Yoga-Stunden und Massagen. An den Food Trucks gibt es Organic Food für den ernährungsbewussten Kalifornier. Gefühlt fließt mehr Champagner als Bier und statt im Matsch wird auf gepflegtem Rasen des Empire Polo Club in Indio gefeiert.
Die Veranstalter haben sich auf die anspruchsvollen Partybesucher aus Los Angeles und der ganzen Welt eingestellt. Inzwischen werden Luxus-Pakete für 6500 Dollar angeboten. Dafür darf im luxuriösen Safarizelt genächtigt werden und es gibt einen Concierge. Das etwas rustikalere Tipi-Zelt ist schon für 2200 Dollar zu haben. Sterneköche aus Los Angeles servieren den rich kids aus Hollywood ein Vier-Gänge-Menü im Rosengarten für über 200 Dollar.
Aber wenn man mal all den Blumenschmuck und die Fransen-Tops abzieht, all die Paris Hiltons, die sich für den klimatisierten VIP-Bereich einfliegen lassen, und man es schafft, den Blick abzuwenden von den schönen Menschen mit ihrer viel zu perfektionierten Lässigkeit, dann ist das Coachella noch immer ein magisches Festival. Headliner wie Muse, Arcade Fire und OutKast sieht man sicherlich auch auf anderen Festivals. Dass Superstars wie Snoop Dogg, Gwen Stefani, Jay Z, P. Diddy oder Beyoncé plötzlich unangekündigt auf der Bühne stehen wie am ersten Coachella-Wochenende, ist eher selten.
Absolut einmalig ist jedoch die Kulisse: Gefeiert wird unter einem Sternenhimmel, den es so nur in der Wüste gibt, umgeben von Palmen und den kargen Bergen des Coachella-Valleys. Was jeder einzelne feiert, sich selbst oder das Leben, scheint dann für einen Moment unwichtig.
Und dann gibt es da diese magischen Momente, wie am Samstagabend, als plötzlich der Sandsturm aufzog - nicht ungewöhnlich für die Gegend: Die Luft glüht rosa, Wüstensand legt sich über alles und jeden und auf der Bühne spielte die heimische Band Queens of the Stone Age "No one knows".
Dann scheint das Festival wieder ganz nah dran an seinem Ursprung. Und plötzlich geht es nur noch um die Musik. Nur die Gespräche im Publikum, die die "LA Times" aufgeschnappt hat, sollte man lieber ignorieren: "Sag mal findest du nicht auch, dass mich der Sand sexy gebräunt aussehen lässt?".
Quelle: ntv.de