Vor dem Bambi sind wir alle gleich Schmidt & Bushido in einer Reihe
11.11.2011, 14:58 Uhr
"Ob ich den Bambi verdient habe? Ich weiß es nicht."
(Foto: dapd)
Much ado about nothing? Naja, nicht ganz, denn ein Gangsta-Rapper spaltet die Nation, und das, obwohl seine rüpelhaften Tage angeblich schon lange vorbei sind.
Es ist ein Preis, ein Unterhaltungsindustrie-Preis!! Entspannt euch mal, Leute. Ja, es ist schon gewöhnungsbedürftig, dass ein – noch freundlich ausgedrückt – Rüpelrapper nun in einer Reihe steht mit Helmut Schmidt, Karl-Heinz Böhm, Audrey Hepburn, Sophia Loren, Hans-Dietrich Genscher und anderen verdienten Recken. Auf der anderen Seite: Selbst schuld! Sogar Dieter Bohlen – nicht gerade dafür bekannt, mit der deutschen Sprache konsequent feingeistig umzugehen ("Das klingt, als ob sie dir den Arsch zugenäht haben und die Scheiße jetzt oben raus kommt.") hat schon zwei Rehlein im Regal.
Zur Veranschaulichung mal ein Beispiel: Würden Sie auch protestieren, wenn US-Rüpel-Rocker 50 Cent einen Bambi bekäme? Wäre Ihnen dann sofort klar, dass er frauenverachtende Texte rappt und sexistisch bis unter die Haarwurzeln ist? Oder haben Sie gedacht, dass "Candy Shop" echt was mit einem Süßwarenladen zu tun hat? Lassen Sie sich den Text doch mal richtig auf der Zunge zergehen (woah): "I take you to the candy shop, I let you lick the lollypop, go 'head girl, don't you stop, keep going 'til you hit the spot (woah)".
Und woran denken Sie bei: "I melt in your mouth girl, not in your hands"? Dass sein Stiel-Eis geschmolzen ist? Das war jetzt bloß ein Beispiel, aber ganz sicher hätte es keine Proteste gegeben, wenn der Mann mit den fetten Ketten am Hals, dem frechen Grinsen und seiner Macho-Attitüde auf die Bühne gekommen wäre. Veronika Ferres hätte gesagt: "I’m so proud to present this Bambi to this unique artist", Peter Maffay hätte gesagt: "Wir haben dieselben Roots, Alter", und Frau Riekel, ihres Zeichens Chefredakteurin der Zeitschrift "Bunte" und somit quasi Mutter der Veranstaltung, hätte sich sicher nicht bemüßigt gefühlt, extra ein paar einleitende Worte für den reizenden Herrn Cent vorweg zu schicken.
Es ist sicher vollkommen unter der Gürtellinie, was Bushido früher von sich gegeben hat (Achtung, es folgen explicit words!!): "Ein Schwanz in den Arsch, ein Schwanz in den Mund, ein Schwanz in die Fotze, jetzt wird richtig gebumst, es ist Gang Ga Gang Ga Gang Gang Gang Bang." Dass das ein Fehler war, sieht er ja selbst ein inzwischen. Oder? Ja, also, geht so, hat er richtig sorry gesagt bei den Frauen, Kranken, Schwachen, Alten, Homosexuellen, Kindern? Wahrscheinlich, wir haben es sicher überhört, obwohl wir ja selbst zu der einen oder anderen Randgruppe gehören. Und sonst hätte der Burda-Verlag ihn doch auch gar nicht auserwählt, oder? Egal, wir brauchen FaktenFaktenFakten und tatsächlich: Jeder hat eine zweite Chance verdient.
Was viel mehr gestört hat an dem Bambi-Abend ist, dass der Deutsche mit den tunesischen Wurzeln eine quasi nicht enden wollende Dankes- und Rechtfertigungsrede gehalten hat, und das, obwohl er sich weder rechtfertigen wollte noch von allzu größter Dankbarkeit ergriffen schien ("Mich berührt das alles nicht (...)."). Auf der anderen Seite aber war er doch recht realistisch in diesem Punkt: "Es hat mich schon ein wenig erstaunt, dass ich mit dem Bambi belohnt werden soll. Ob ich ihn verdient habe - man weiß es nicht genau."
Um Kopf und Kragen geredet
Ja, frau weiß es auch nicht so genau: Ein wenig schleicht sich das Gefühl ein, Bushido könnte von den Organisatoren des Formats nur deshalb eingeladen worden sein, weil die Veranstaltung in Wiesbaden ein wenig peppiger werden sollte als die letztes Jahr. Sicher, Veronika Ferres redet stundenlang und pathetisch, die Schlitze in den Kleidern der Damen sind lang und die Dekolletees tief, die Herren versuchen seriös bis witzig zu sein - doch trotz der extravaganten Frisuren und der vielen Pailletten war das ein Abend, der, zumindest beim Fernsehzuschauer, nicht das Geringste an Emotion auslöste.
Sicher, die stillen Helden sind gut und wichtig, ein blindes Mädchen, das toll singen kann, auch, aber so richtig schön wird es doch erst, wenn man mit den Lästereien über Maria Furtwänglers merkwürdiges Kleid, Andrea Sawatzkis zu tief sitzende und Gwyneth Paltrows trotz Dekolletee bis zum Bauchnabel nicht sichtbare Brüste fertig ist, und dann ein Rosenstolz sagen: "Bäh, den wollen wir nicht, der hat uns früher auch nicht gewollt", damit sich dann eben jener Ungewollte um Kopf und Kragen reden kann.
Wir wollen nicht päpstlicher sein als der Papst, wir wollen aber auch nicht, dass unsere Kinder den Gangbang-Song hören. Wir müssen aufpassen, was demnächst geschieht: Wird Bushido den Erwartungen, die man an einen Bambi-Träger haben kann, gerecht? "Zeiten ändern dich" - so hieß der Film, den er mit Bernd Eichinger gemacht hat. Hoffen wir das Beste.
Quelle: ntv.de