Unterhaltung

Schwester Münchhausen Tatort: Borowski trickst den Todesengel aus

Borowski und die schöne Schwester - leider tickt sie nicht ganz richtig.

Borowski und die schöne Schwester - leider tickt sie nicht ganz richtig.

(Foto: dpa)

Dezent überdreht, klasse besetzt und mit Mut zum Morbiden. Zum ausklingenden "Tatort"-Jahr sorgt Borowski an der Kieler Förde für einen unterhaltsamen Schlusspunkt. Seine Gegenspielerin: eine sehnsuchtsvolle Altenpflegerin, die über Leichen geht.

So glamourös ihr Vorname ist, so schnöde ist ihr Alltag. Sabrina heißt sie, und sie ist Altenpflegerin. Eine zurückgezogene, wehmütige Altenpflegerin. So einsam und voller Sehnsucht, dass sie nicht nur Trost in alten Schwarz-Weiß-Schinken aus dem Pantoffelkino sucht, sondern zur Not auch mal mit einem ihrer halb ohnmächtigen Pflegefälle kuschelt. Doch selbst der siechende Greis verstößt das junge Ding und schubst sie mit knochigem Arm vom Sofa. Kurz darauf ist Opa hinüber und seine schwarze Katze, die Sabrina in einer Tasche entführt, bringt nicht nur das handelsübliche Unglück, sondern zeigt in Borowskis jüngstem Fall auf gar schillernde Weise, was mit dem ominösen Butterfly-Effect gemeint ist.

Sorgen für Spannung und Ordnung: Axel Milberg und Sibel Kekilli.

Sorgen für Spannung und Ordnung: Axel Milberg und Sibel Kekilli.

(Foto: dpa)

An einer Straßenecke entlässt Sabrina Dobisch den Samtpföter aus der Tasche. Der läuft auf die Straße, direkt vor ein Auto. Die Fahrerin weicht aus, brettert in ein Blumengeschäft und erwischt einen lockigen Jüngling beim Rosenkauf. Unsere Altenpflegerin leistet erste Hilfe, rettet zwar die Frau am Steuer, für den jungen Mann kommt jedoch jede Hilfe zu spät. Feuerwehr, Wolldecken, Schaulustige, die Leute vom Regionalfernsehen sind auch gleich da. Klappe. Ende? Mitnichten!

Denn Schwester Sabrina juckt ein massives Münchhausen-Syndrom unterm Pony und so flunkert sie gegenüber der Polizei, dass der Verstorbene ihr noch die Worte "Sie will mich töten" bluthustend ins Ohr geflüstert hätte. Irgendwie muss dieser Begebenheit doch mehr Aufmerksamkeit zu entlocken sein, als ein schnödes Interview mit dem "Schleswig-Holstein-Magazin". Und Sabrinas Plan nimmt umgehend mächtig Fahrt auf.

Showdown am Nord-Ostsee-Kanal

Dabei reiht sich "Borowski und der Engel" ein in die Liste jener "Tatort"-Folgen, die den schnöden Normalo-Fall links liegen lassen und stattdessen einen eher klassischen, in Teilen überdrehten Kriminalfall entfalten. Voller Old-School-Spannung, die nicht unbedingt den Reality Check besteht, in diesem Fall jedoch äußerst unterhaltsam daherkommt - und das bis zum Showdown am Nord-Ostsee-Kanal.

Feiert 10-jähriges Dienstjubiläum: Borowski alias Milberg.

Feiert 10-jähriges Dienstjubiläum: Borowski alias Milberg.

(Foto: dpa)

Es sind nicht zuletzt die Charaktere, die Sascha Arangos Script über Wasser halten: Horst Janson, selbst als Senior an Krücken und im Rollstuhl, als gebrochener Bankier, der seinen toten Sohn betrauert, immer noch mit der Aura des ewigen "Bastian" umgeben. Leslie Malton als neurotische Todesfahrerin mit ebenso neurotischer Tochter, zermürbt von kaputter Ehe und einem Konto, das bis zum Kehlkopf im Dispo steht. Bruno Cathomas als schwuler Klavierlehrer, der seinen Eleven, den getöteten Rosenkavalier, nicht nur zum Wunderpianisten, sondern auch zu seinem Lover gemacht hatte. Sie tragen diese morbide Schnurre mit einer Leichtigkeit, die sonntäglich zwischen 20.15 und 21.45 Uhr selten geworden ist.

Und das müssen sie auch, so schräg hat Arango sein Panoptikum der Grausamkeiten angelegt. Da erledigt die Altenpflegerin im Handstreich auch noch die Todesfahrerin, erschwindelt sie sich das Vertrauen der Eltern des Toten, zieht gar zu ihnen ins Schloss, wenn auch nur als Altenpflegerin am Katzentisch und nicht, wie so heiß ersehnt, als Ersatztochter. Und der Klavierlehrer belegt eindrucksvoll, dass man für einen gelungenen Suizid nur ein Glas Milch, eine Handvoll Erdnüsse und einen Mixer benötigt. Jedenfalls, wenn man unter einer ausgeprägten Nuss-Allergie leidet. Als wäre das nicht wendungsreich genug, schießt sich auch noch Borowskis Vorgesetzter in den Fuß und verfehlt dabei die Kollegin Sarah Brandt nur um Zentimeter, aber das ist eine andere Geschichte.

Von Trier meets Wallace

Ein Höhepunkt unter diversen auch, wie die Kamera langsam an der langen Barocktafel entlanggleitet, wo sich die buckelige Bankers-Verwandtschaft zum Leichenschmaus niedergelassen hat. Stumm wird hier gespeist und getrauert, bis der Klavierlehrer sich schließlich erhebt, um den Verstorbenen posthum zu outen. Als hätte Lars von Trier in einer alten Edgar-Wallace-Kulisse "Das Fest" neu verfilmt. Dass die gute Sabrina am Ende für einen Mord in den Bau geht, der nicht einmal einer war, geschweige denn, dass sie ihn begangen hätte, ist ein letztes, stimmiges Augenzwinkern in der ungewöhnlichen Dramaturgie dieses Falles.

Fazit: Wer diesen "Tatort" der etwas anderen Art annahm und sich nicht vom gemächlichen Anfangstempo Richtung Fernbedienung drängen ließ, wurde mit einem der kurzweiligsten Fälle aus der nördlichsten Landeshauptstadt belohnt.

Quelle: ntv.de

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