Unterhaltung

Bundestag statt klare Kante Von den Onkelz zu Bushido

Hallo, hier Bushido - der Rapper an seinem Praktikanten-Platz im Büro des CDU-Abgeordneten Freiherr von Stetten.

Hallo, hier Bushido - der Rapper an seinem Praktikanten-Platz im Büro des CDU-Abgeordneten Freiherr von Stetten.

(Foto: dpa)

Das Resozialisierungsprogramm für den einstigen "Rüpel-Rapper" Bushido geht weiter. Nach dem Erhalt des Integrations-Bambis bekommt er nun von der Union auch noch die Bundestags-Bühne inklusive Schulterklopf-Fotos mit Innenminister Friedrich bereitet. Das geht zu weit.

"Zeiten ändern dich" hieß die Filmbiografie über Bushido, die vor zwei Jahren in die Kinos kam. Wenn man auf die Laufbahn des 33-Jährigen in den vergangenen Jahren zurückblickt, kann man die verdrehte Redewendung jedoch getrost wieder zurechtrücken. Die Zeiten ändern sich. In einer Weise, die noch vor wenigen Jahren kaum denkbar gewesen wäre.

Das wurde nicht erst mit Blick auf das Ensemble des Streifens klar, zu dem die vermeintliche Crème de la Crème der deutschen Filmbranche zählte - von Regisseur Uli Edel über Produzent Bernd Eichinger bis hin zu den Darstellern Moritz Bleibtreu, Hannelore Elsner, Katja Flint und Uwe Ochsenknecht. Schon lange zuvor wurde der Sänger schließlich von Jugendzeitschriften wie der "Bravo", Musiksendern wie MTV und Branchen-Vertretern wie dem Echo-Komitee weitgehend unkritisch abgefeiert. Weiter ging es mit der Bambi-Verleihung 2011. Und nun, nur noch ein Jahr später, rollt nicht allein die Bundestags-CDU Bushido den roten Teppich aus - sogar der Bundesinnenminister ist sich für gemeinsame Fotos mit ihm nicht zu schade.

Die bösen Journalisten

Wer sich gegen eine derartige öffentliche Umarmung des einstigen "Rüpel-Rappers" wendet, geht auf einem verdammt schmalen Grat. So schmal, dass man beinahe zwangsläufig auf eine Seite abzustürzen droht. Denn natürlich ist es ultra-spießig, auf Erscheinungen wie ihn mit erhobenem Zeigefinger zu reagieren. Natürlich legt man hier schnell andere Maßstäbe an, als man sie etwa bei englischsprachigen Sängern und Gruppen zugrundelegen würde. Natürlich sollte man niemandem bis in alle Ewigkeit seine Vergangenheit vorhalten. Und natürlich hat jeder ein Recht auf Resozialisierung.

Ob sie wohl auch ein Praktikum bekommen hätten? Die Böhsen Onkelz 1991.

Ob sie wohl auch ein Praktikum bekommen hätten? Die Böhsen Onkelz 1991.

(Foto: picture-alliance / dpa/dpaweb)

Vorausgesetzt allerdings, derjenige erfüllt selbst die Bedingungen dazu. Denn die Frage, um die sich bei einem wie Bushido alles dreht, ist die nach seinem Verhältnis zu dem, was er früher einmal gesagt und getan hat, und danach, welche Konsequenzen er daraus zieht. Diese Frage ist alles andere als neu. Ganz ähnlich etwa stellte sie sich lange Jahre bei einer Gruppe wie den Böhsen Onkelz. Auch nach ihrer Loslösung von der Skinhead-Szene hafteten ihnen die teils gewaltverherrlichenden und ausländerfeindlichen Texte aus ihren Anfangstagen schwer an. Dass sie als eine der ersten Bands des sogenannten "Rechtsrocks" galten und somit einen gewissen Kultstatus genossen, kam in ihrem Fall sicher noch weiter erschwerend hinzu.

Bei den Böhsen Onkelz wurde klare Kante gezeigt. Und das, anders als von ihnen und ihren Anhängern gerne postuliert, nicht nur von den bösen Journalisten. Konzertveranstalter boykottierten die Gruppe, Plattenläden verbannten ihre Veröffentlichungen aus den Regalen und andere Künstler weigerten sich, mit ihr eine Bühne zu teilen. Und das hatte - auch wenn einem bei einer Aussage wie dieser auch heute noch vermutlich zahlreiche Schmäh-, Beleidigungs- und Droh-Zuschriften eingefleischter Onkelz-Fans gewiss sind - einen Grund: Wenngleich auch der mediale Umgang mit der Band sicher nicht immer fair und angemessen war, so agierte die Gruppe bei der Verarbeitung ihrer Vergangenheit zumindest ungeschickt.

Oder, je nachdem, wie man es sieht, sehr geschickt. Die Opfer- und Märtyrer-Rolle, die sich die Band selbst zuschrieb, funktionierte schließlich so gut, dass ihre Anhängerschar beständig wuchs und die Böhsen Onkelz selbst sieben Jahre nach ihrer Auflösung noch eine solide Fanbase haben. Dass dazu selbstredend auch ihr gereifter deutscher Hardrock beitrug, der musikalisch viele ins Herz traf, soll nicht verschwiegen werden.

"Ich bin der Leader wie A."

So seltsam das auf den ersten Blick klingt - bei dem Rapper und Inhaber des Plattenlabels "ersguterjunge" verhält es sich ganz ähnlich wie mit den Böhsen Onkelz. Gewaltverherrlichungen lassen sich auch in Bushidos früheren Texten finden, dazu noch frauen- und schwulenfeindliche Äußerungen. Ja, sogar Rechtsextremismus wurde dem Sohn einer deutschen Mutter und eines tunesischen Vaters schon vorgeworfen, aufgrund von Textzeilen wie "Salutiert, steht stramm, ich bin der Leader wie A.".

Bei der Bambi-Verleihung führte das zum Eklat. Bushidos Auszeichnung mit dem "Integrations-Bambi" stieß nicht nur bei Rosenstolz-Sänger Peter Plate auf massive Kritik. Auch Peter Maffay, der bei der Zeremonie noch die Laudatio für den Rapper gehalten hatte, entzog ihm wenig später die Unterstützung. Zwar habe sich Bushido "von diskriminierenden, Gewalt verherrlichenden Inhalten distanziert", erklärte Maffay. Er habe jedoch die Konsequenz vermissen lassen, diese vom Markt zu nehmen, und keine Zusage gemacht, auf Veröffentlichungen dieser Art künftig zu verzichten. Lippenbekenntnisse ohne Konsequenz - tatsächlich ähnelt dies sehr stark der Argumentation, die seinerzeit manch einer auch im Fall der Böhsen Onkelz ins Feld führte.

Nur noch eine weitere Petitesse ist es da, dass Bushido längst diverse Urheberrechtsverletzungen nachgewiesen wurden. Dafür, dass er sich insbesondere bei den Liedern der französischen Band Dark Sanctuary freizügig bediente, wurde er rechtskräftig verurteilt. Während kleine Raubkopierer mit drakonischen Strafen überzogen werden und der Bundestag weitere Verschärfungen diskutiert, war das wohl nur ein Kavaliersdelikt. Und eines, das man den Böhsen Onkelz übrigens ganz sicher nicht vorwerfen kann - ihre Songs haben sie stets selbst geschrieben.

Ja, die Zeiten ändern sich, dich und mich. Und zweifelsohne steht es einem freiheitlichen Land wie Deutschland heutzutage gut zu Gesicht, auf manche Provokation, zumal aus der Jugend- und Popkultur, gelassener zu reagieren. Allerdings kann dies nicht so weit gehen wie nun im Falle von Bushido, der CDU und Innenminister Hans-Peter Friedrich. Solange der Sänger keine Konsequenz aus seinen, wie er selbst eingeräumt hat, "falschen" Aussagen in der Vergangenheit zieht, sondern lieber weiter munter daraus Kapital schlägt, kann es nur eins geben: die klare Kante. Das gilt heute wie früher.

Quelle: ntv.de

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