Bad Boy Bushido? Zu viel der Ehre
11.11.2011, 14:58 Uhr
Vom Bordstein bis zur Skyline bis zum Establishment: Bushido.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
"ersguterjunge" heißt Bushidos Plattenlabel. Doch obwohl sich der Gangsta-Rapper im feinen Zwirn alle Mühe gibt, das der Altherren-Runde beim Bambi zu beweisen, kommt es zum Eklat. Da wird man sprachlos - aber nur fast.
Wie heißt es so schön? Man könnte gar nicht so viel fressen, wie man kotzen möchte. Für den ganzen Rummel um den Bushido-Bambi trifft das wie die Faust aufs Auge zu. Das Schlimme daran: Würgereize bereiten einem sowohl der - au weia, au weia - "Skandal-Rapper" in Fliege und Smoking als auch die Equipe der "Politisch Korrekten", die jetzt laut "Haltet den Dieb" rufen. Auf der Bambi-Verleihung. Ausgerechnet.
Keine Frage: Bushido ist ein Armutszeugnis auf zwei Beinen. Das Gangsta-Getue des im echt total krassen Ghetto Berlin-Tempelhof aufgewachsenen Ex-Gymnasiasten war von der ersten Silbe an, die er in ein Mikrofon gerappt hat, daneben. Okay: Dass sein Vater seine Mutter früher verdroschen hat, ist schlimm. Dass der Tunesier die Familie, als der kleine Anis (so Bushidos bürgerlicher Vorname) drei Jahre alt war, verlassen hat, womöglich auch (wenn man davon absieht, dass es sicher besser ist, ohne statt mit einem prügelnden Vater aufzuwachsen). Dass Anis mit Drogen in Berührung kam, ist doof. Und sicher mag er es auch aufgrund seines Migrationshintergrunds im Leben nicht immer leicht gehabt haben. Nur: Ähnliche Erfahrungen haben vermutlich Millionen Menschen in Deutschland. Aber nur wenige von ihnen kommen, weil sie bei einer alleinerziehenden Mutter aufgewachsen sind, einer Multikulti-Familie entstammen, gekifft oder Pillen eingeworfen und vercheckt haben, auf die Idee, sich zum Märtyrer von der Straße hochzustilisieren.
Doch freilich ist Bushido damit auch nicht ganz allein. Deutscher Gangsta-Rap und die dazugehörige Szene ist seit geraumer Zeit eine gewichtige Strömung innerhalb der Jugendkultur. Und hier gelten im Prinzip die gleichen Mechanismen wie eh und je. Will man sich von den Alten abgrenzen, funktioniert das besonders gut mit Provokation. Das war schon so beim damals als unsittlich geltenden Hüftschwung im Rock'n'Roll, beim Anarchie-Gebrüll der Punks und den barbusigen Tänzerinnen auf den Trucks der Loveparade. Da ihre Eltern das jedoch bereits alles durch und vorherige Generationen sich mehrheitlich dafür entschieden haben, gegen Rechts, für die Emanzipation und die Homo-Ehe zu sein, verfängt es bei nicht wenigen Jugendlichen heute besonders gut, latent rechtsextrem, frauenfeindlich und homophob zu sein.
"Ficken und Bier holen"
Der Witz ist doch, dass sogar die vermeintlichen "Opfer" da nicht selten selbst begeistert mitspielen. Als die Rapper von K.I.Z. etwa, die in ihren Texten Frauenfeindlichkeit mit ironischem Unterton bis zur Spitze treiben, in Berlin ein Konzert nur für Frauen gaben, war das ruckzuck ausverkauft und die weibliche Zielgruppe sang inbrünstig mit, dass sie nur "zum Ficken und Bier holen gut" ist. Und, ja, es soll auch einige eingeschworene Linkspartei-Wähler geben, die bei Rammstein - trotz ihres Spiels mit faschistoider Symbolik und Videos in Leni-Riefenstahl-Optik - so richtig abgehen. Denn natürlich funktioniert das alles nicht nur im Rap sehr gut. Auch die hoch geschätzten Ärzte haben sich in Texten über die "fette Elke", die gefesselte Gwendolin, die man wunderbar als Postpaket verschicken, aber auch ideal in dieser Stellung f … könnte, oder über den "Samen im Darm", der ja so schön warm macht, nicht gerade frauen- und schwulenfreundlich gegeben. Den Unterschied macht an sich nur, dass bei Gruppen wie K.I.Z., den Ärzten und, ja, auch Rammstein, eine gehörige Portion Humor und Selbstironie mitschwingt. Bushido hingegen ist furztrocken.
Trotzdem scheint sich bis zur Bambi-Verleihung niemand groß daran gestört zu haben. Im Gegenteil: Bushido wurde schon ein Echo, der Comet und ein MTV Award verliehen. In der "Bravo" war er eine Zeit lang - ehe aufflog, dass er sich bei seiner Musik ausgiebig am geistigen Eigentum anderer vergriffen hat - Dauergast. Seine Biografie "Zeiten ändern dich" wurde von und mit deutschen Film-Ikonen wie Uli Edel (Regisseur), Bernd Eichinger (Produzent), Moritz Bleibtreu, Hannelore Elsner, Katja Flint und Uwe Ochsenknecht auf Zelluloid gebannt. Dafür wurde am Potsdamer Platz in Berlin schon mal der rote Teppich ausgerollt, über den dann auch Leute wie Karel Gott, Martin Semmelrogge oder Nora Tschirner flanierten. Und Peter Maffay adelte Bushido nicht zuletzt, indem er auf dem gemeinsamen Album des 33-Jährigen mit Ex-Intimfeind Sido mitwirkte.
Geständnis in Altherren-Runde
So gesehen, wirkt die Aufregung bei der "Bambi"-Verleihung geradezu inszeniert. Besser hätte man einer drögen Veranstaltung wie dieser, gegen die der Unterhaltungs-Dampfer "Wetten dass..?" schon beinahe wie ein schnell geschnittener MTV-Trailer anmutet, wohl kaum Aufmerksamkeit bescheren können. Der offen zu seiner Homosexualität stehende Peter Plate von Rosenstolz meinte offenbar ebenso wie die Grünen und manche Frauenverbände, dass ausgerechnet dieses abgetakelte Kreuzfahrtschiff der Preisverleihungen und der längst im Establishment beheimatete Rapper der richtige Ort und Adressat seien, um mal ein Fanal zu setzen. Und der Ex-Möchtegern-Gangsta im feinen Zwirn, der heute selbst in Altherren-Runden wie der Bambi-Zeremonie am liebsten nicht mehr anecken möchte, wusste sich nicht anders zu helfen, als zu gestehen: "Ich habe gelernt, dass das, was ich gesagt habe, falsch war."

Unter Freunden: Bushido mit Karel Gott (l.), Moritz Bleibtreu (r.), Bernd Eichinger und dessen Frau Katja.
(Foto: REUTERS)
Irgendwie bleibt man da ratlos zurück, wer von den Beteiligten eigentlich kleingeistiger, uncooler und spießiger ist. Nein, Bushidos in Liedtexte gegossenes Gewäsch wollen wir hier ganz bestimmt nicht verteidigen. Aber ihn zum herausragenden "Bad Boy" zu stempeln, wäre dann doch zu viel der Ehre. Will man über die sprachlichen Umgangsformen mancher Sänger und Bands im Musik-Geschäft reden, dann ist die Bambi-Verleihung ganz sicher nicht der richtige Ort dafür. Ohnehin wäre Schweigen statt Reden eigentlich die näherliegende Lösung. Doch so lange Plattenfirmen, Zeitschriften, Filmemacher und Co mit grenzwertigen Provokationen lieber Geld verdienen, als sie zu ignorieren, wird das wohl nicht passieren. Genauso wie damals beim Rock'n'Roll. Und siehe da: Die Welt dreht sich noch immer.
Quelle: ntv.de