Finanzkrise bedroht US-Kulturwelt Wann trifft der Sturm aufs Land?
23.10.2008, 11:03 UhrJahrzehntelang waren die Amerikaner stolz, dass ihre Museen, Theater und Konzerthäuser vor allem von privaten Spenden leben. Doch in Zeiten der Finanzkrise bläst der US-Kulturwelt ein scharfer Wind ins Gesicht, viele Geldquellen drohen zu versiegen. Kleinere Einrichtungen fürchten ums Überleben, und selbst die großen Traditionshäuser stehen vor einer unsicheren Zukunft. "Wir wissen, dass ein Sturm über das Meer zieht und dass er auf Land treffen wird. Wir wissen nur noch nicht, wie schlimm es sein wird und wann er kommt", warnte der Direktor des New Yorker Museum of Modern Art, Glenn Lowry, in einem Gespräch mit der "New York Times".
Das MoMA, ein Flaggschiff der US-Kunstszene, verhängte vergangene Woche einen Einstellungsstopp. Der Etat wird noch für dieses Jahr um zehn Prozent gekürzt. Auch andere Häuser stellen kein Personal mehr ein und verordnen Sparmaßnahmen. Das Contemporary Museum of Art in Honolulu im US-Bundesstaat Hawaii musste gar 25 Leute entlassen - mehr als die Hälfte der gesamten Mannschaft. Direktorin Georgianna Lagoria kürzte ihr eigenes Gehalt um 15 Prozent.
Von privatem Geld abhängig
Die Abhängigkeit der Kunst von privatem Geld ist enorm. Allein im Jahr 2006 spendeten die Amerikaner 12,5 Milliarden Dollar für kulturelle Einrichtungen, während die Unterstützung durch den Staat nur einen Bruchteil dessen ausmacht. Das öffentliche Förderprogramm "National Endowment for the Arts" wurde in diesem Jahr nach hartem Kampf gerade mal auf 145 Millionen Dollar aufgestockt. Zum Vergleich: In Deutschland geben Bund, Länder und Gemeinden acht Milliarden Euro für Kultur aus.
Zu den größten Geldgebern in den USA gehören traditionell die jetzt von der Krise besonders betroffenen Banken. Auf der "Forbes"- Liste der zehn spendabelsten Unternehmen standen 2007 allein drei Kreditinstitute. Der Zusammenbruch des Traditionshauses Lehman Brothers war der bisher härteste Schlag. Dem Finanzdatendienst Bloomberg zufolge hat das Unternehmen allein im vergangenen Jahr 39 Millionen Dollar für Kunst gespendet.
Kunstwerke unter dem Hammer
Auf der Förderliste standen so renommierte Projekte wie die Brice-Marden-Retrospektive im MoMA und die Jackson-Pollock-Schau "No Limits, Just Edges" im New Yorker Guggenheim Museum. Vom Dallas Museum of Art bis zum Miami Art Museum erhielten zahlreiche Häuser quer durch das Land regelmäßige Zuwendungen, sogar das Städel-Museum in Frankfurt wurde bedacht. Das ist alles vorbei.
Unsicher ist zudem das Schicksal von etwa 3500 zeitgenössischen Kunstwerken, die die Investmentbank bis zur Pleite in ihren Büros rund um die Welt ausgestellt hatte, darunter Arbeiten von Mark Rothko, Jasper Johns und Jackson Pollock. Experten rechnen damit, dass zumindest ein Teil auf dem Markt zu Geld gemacht wird. Einem Bericht des Fachmagazins "artnet" zufolge wollen jedenfalls Bankchef Richard Fuld und seine Frau Kathy einige Schmuckstücke aus ihrer privaten Sammlung verkaufen: Sie sollen für einen Schätzpreis von 15 bis 20 Millionen Dollar bei der traditionellen Herbstauktion von Christie's am 12. November in New York unter den Hammer kommen.
Private Mäzene müssen Gürtel enger schnallen
Allerdings sind es nicht nur Firmenspenden, um die die Kunstwelt fürchtet. Auch die zahllosen privaten Mäzene könnten angesichts der unsicheren Zeiten ihren Geldbeutel enger zusammenhalten. "Wir konkurrieren da mit den Ausgaben fürs Tanken und fürs Essengehen", sagt der Direktor des Los Angeles County Museum of Art, Michael Govan. Acht Millionen Dollar seines Jahresetats stammen von Spendern, die sich durch die Mitgliedschaft im Freundeskreis des Museums Vorteile wie verbilligte Eintrittskarten oder Einladungen erkaufen. Das MoMA hat 115.000 solcher Unterstützer, die - bisher - zwischen 50 Dollar und 60.000 Dollar Mitgliedsbeitrag im Jahr zahlen.
Wie die Auswirkungen wirklich sind, lässt sich nach Einschätzung von Kunstkennern erst zum Jahreswechsel absehen, weil bis dahin die von der Steuer absetzbaren Spenden eingegangen sein müssen. Trotz aller Sorgen - die wegen der Finanzkrise nun möglicherweise auch sinkenden Preise auf dem Kunstmarkt könnten für die Museen zumindest einen Vorteil haben: "Vielleicht sind wir dann endlich mal wieder in der Lage, auch selbst etwas zu kaufen", sagt Govan.
Quelle: ntv.de, Nada Weigelt, dpa