30 Jahre Privatfernsehen Was wurde aus den Pionieren?
02.01.2014, 16:37 Uhr
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Harry Wijnvoord, Hans Meiser und Margarethe Schreinemakers: Sie waren die Stars der ersten Stunde, Quotengaranten an der Showfront und Stammgäste in unseren Wohnzimmern. Wer verschwand in 30 Jahren Privatfernsehen in der Versenkung? Wer hat es zurück auf die Mattscheibe geschafft? Und wer landete im TV-Dschungel?
Ein rosafarbenes Etwas vom anderen Stern mit Kulleraugen und spitzer Schnauze, verdammt niedlich das Vieh. Karlchen sein Name. Und wenn man so will, auch ein "Mann" der ersten Stunde. Karlchen ging im Jahr 1984 bei RTL, damals noch RTLplus, auf Sendung, 2500-mal hauchte Björn-Hergen Schimpf dem Maskottchen seine frechen Sprüche ein. Die Karriere von Karlchen und seinem Herrchen ist insofern mattscheibentypisch für viele Berufskollegen, weil beliebte Fernsehgesichter wie diese plötzlich aus der ersten Reihe verschwanden.

In den ersten Tagen des Privatfernsehens gab es nichts, was es nicht gab: Hans Meiser auf einem Elefanten.
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Lässt man 30 Jahre Privatfernsehen an einem vorbeiflimmern, sind da die Trash-Erotik-Show "Tutti Frutti", Gewinnsendungen wie "Glücksrad", Krawallshows wie der "Heiße Stuhl", Talkshows am Nachmittag und TV-Tortenschlachten - aber nicht nur. Denn es sind vor allem die Köpfe des Privatfernsehens, die zum Markenzeichen von RTL und Co. geworden sind: Nackedei-Ansager Hugo Egon Balder bringt blanke Busen ins Wohnzimmer, Linda de Mol feiert "Traumhochzeiten", Harry Wijnvoord verscherbelt Konsumgüter unter dem Motto "Der Preis ist heiß", Erika Berger gibt Sextipps via Kamera, Arabella Kiesbauer talkt sich den Mund wund und Peter Bond lässt seine Maren am Glücksrad drehen.
Von den anfänglichen Stars an der Showfront sind heute nicht mehr viele da. Das werbefinanzierte TV setzt seit seiner Geburtsstunde auf gute Quoten, viel Geld und den Unterhaltungsfaktor. Das Publikum kürt die Bildschirmkönige und entscheidet, wann, wen und wie lange er sie in seinem Wohnzimmer beherbergt. Wer nicht den Massengeschmack bedient, muss seine Sachen packen. Dass es selbst für alte Hasen, die sich lange gehalten haben, keinen Platz mehr in der TV-Landschaft gibt, erlebt zur Stunde Harald Schmidt. Ihn setzt demnächst der Bezahlsender Sky vor die Tür, weil die Quote nicht stimmt.
"Es grassiert der pure Alters-Rassismus"
Spitzenquoten durch Sabbelwasser hingegen bescherten den Privaten in den 90er Jahren die Bekenntnis-Nachmittags-Shows. Ihr Motto: "Lass uns reden!" Wer bei Ilona Christen, Hans Meiser und Arabella Kiesbauer auf dem Sessel saß, heulte sich aus über Ex-Freundinnen, böse Schwiegermütter und die eigene Arbeitslosigkeit. Was wäre die TV-Manege von damals ohne ihre Dompteure gewesen? Und wo stecken die Talk-Queens und -Kings eigentlich heute?

Die Regeln von "Tutti Frutti" hat nie jemand so richtig verstanden. Das war aber auch egal.
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Hans Meiser, gelernter Radiojournalist, langjähriger Anchor-Man für die RTL-News ("7 vor 7", "RTL Aktuell") und später Nachmittagstalker, ist zu seinen Wurzeln zurückgekehrt. Auf Radio Regenbogen in Mannheim hat er heute eine eigene dreistündige Talksendung. Warum er damit nicht auf die Bildfläche zurückkehrte, sagte Meiser in einem Teleschau-Interview: "Niemand würde so was mit einem Hans Meiser ins Programm nehmen, weil er zu alt ist! So was sagt dir ein 25-jähriger TV-Redakteur auch ohne Weiteres ins Gesicht. Dort grassiert der pure Alters-Rassismus."
Auch bei Talk-Queen Arabella Kiesbauer steht der Schnabel seit 2004 still - zumindest auf der Mattscheibe: Die Königin des Nachmittagstalks hat sich optisch kaum verändert, will trotzdem nie wieder die Probleme anderer wälzen. Was sie zurzeit tut, erzählte die 44 Jahre alte Österreicherin kürzlich in einem Blitz-Interview mit "Promiflash" auf dem roten Teppich: "Ich genieße das Leben in Wien, lebe in Wien und arbeite nur noch sehr, sehr wenig. Vielleicht arbeite ich mal ein bisschen mehr, aber sicher nicht genau dasselbe, was ich schon zehn Jahre gemacht hab", so Kiesbauer.
Eine traurige Wende nahm die Karriere der ehemaligen Talkshow-Pionierin Ilona Christen. Die Moderatorin mit den wechselnden bunten Brillen und der blonden Kurzhaarfrisur starb im Jahr 2009 im Alter von 58 Jahren an den Folgen einer Blutvergiftung.
Über Nacht an die Macht
Neben den Tages-Talkern wie Christen, Meiser und Kiesbauer traten nach 21 Uhr die Schichtarbeiter der späten Stunde auf. An dieser Stelle verdient die wohl erfolgreichste Late-Night-Schwätzerin der 90er Jahre eine Erwähnung: Margarethe Schreinemakers bescherte ihrem Sender Sat.1 Spitzenquoten, indem sie mit Zeitgenossen stundenlang über Gott und die Welt plauderte. Der Wechsel zu RTL und ein Steuerskandal brachen ihr das Genick. Im Mai 2007 gelang ihr ein TV-Comeback: Schreinemakers tanzte vor einem Millionenpublikum als Kandidatin bei der RTL-Show "Let's Dance". Es blieb aber bis heute bei diesem letzten Pas de deux mit dem TV-Zuschauer. Schreinemakers gelang keine zweite Rückkehr ins Fernsehen, was sie offenbar locker nimmt: "Was gibt es Neues? Ganz ehrlich gesagt: nichts von Bedeutung - jedenfalls, was die TV-Branche angeht", schreibt sie auf ihrer Internetseite.

Bild aus alten Tagen: Bei Margarete Schreinemakers läuft heute TV-mäßig nichts mehr.
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Nicht nur die ergrauten Schläfen früherer Vorzeige-Köpfe sind ein Grund für den TV-Zwangsabschied vieler Promis. Björn-Hergen Schimpf etwa legte seine TV-Karriere mit dem Wechsel zu den Öffentlich-Rechtlichen lahm. Denn nach nur fünf Sendungen setzte der WDR "Einladung zu Schimpf" ab. Schimpf wechselte zwar noch einmal zurück zu den Privaten, moderierte "Björns Welt" für Vox, an die großen Erfolge der Anfänge knüpfte er jedoch nicht mehr an. "Ein bisserl habe ich den Wechsel zu den Öffentlich-Rechtlichen bereut", sagt der 70-Jährige, der noch gelegentlich Reportagen für den Reiseverkaufssender Sonnenklar-TV macht.
Dabei gibt es durchaus Gesichter im TV, bei denen das Bäumchen-wechsle-dich-Spiel zwischen öffentlichen und privaten Sendern funktioniert hat: Johannes B. Kerner und Reinhold Beckmann haben ihre Sat.1- und RTL-Karrieren abgeschaltet, um sie erfolgreich bei den Öffentlich-Rechtlichen fortzusetzen. Ein Meister im Hin- und Herzappen ist der Quotenkönig Günther Jauch, der wohl einzige Moderator, der sich erlauben darf, zwischen seiner eigenen ARD-Talkrunde und "Wer wird Millionär?" auf RTL hin und her zu wechseln. Doch dabei handelt es sich um eine große Ausnahme.
Endstation Dschungel: "Hast du Schulden?"
30 Jahre Privatfernsehen sind ein stetiges Kommen und Gehen. Ein Trost für all die guten Seelen, die von der Bildfläche verschwanden, ist die allerletzte Rückzugsmöglichkeit ins "Private": der australische Dschungel. Auch Björn-Hergen Schimpf zog ins TV-Camp. "Als ich mich dazu entschloss, fragten mich viele: Warum machst du das? Hast du Schulden?" Schimpf lachte und verneinte, ihm gehe es gut. "Ich wollte den Spaß einfach mitmachen!"
Auch Harry Wijnvoord, "Der Preis ist heiß"-Moderator und "Slim Fast"-Werbefigur, zog in den Dschungel ein, als die Karriere längst vorbei war. "Ich bin ein Star - holt mich hier raus!", rief er den Zuschauern noch aus dem Reality-Dschungel zu. Da war es allerdings längst zu spät.
Quelle: ntv.de