Unterhaltung

"Tatort" aus Stuttgart Wer bewacht die Wächter?

Zu gute Freunde? Bootz und Lannert wollen Gerechtigkeit, sind in der Wahl ihrer Mittel wenig zimperlich.

Zu gute Freunde? Bootz und Lannert wollen Gerechtigkeit, sind in der Wahl ihrer Mittel wenig zimperlich.

(Foto: SWR/Johannes Krieg)

Wenn der Täter gleich in der Anfangsszene stirbt, ist der Fall in der Regel recht schnell erzählt. Außer die Ermittler geraten selbst ins Zwielicht. "Eine Frage des Gewissens" könnte ein spannender Justizkrimi sein - wenn da dieses Harmoniebedürfnis nicht wäre.

Holm Bielfeldt hat den Wahnsinn in den Augen, eine Waffe in der Hand und eine Geisel im Schwitzkasten. Keine gute Kombination. Vollgepumpt mit Speed sieht der Supermarkträuber nur noch eine Option, als ihn zwei Polizisten bei seinem vermeintlichen Coup überraschen: Eskalation. Geifernd droht der Gangster, seine Geisel zu erschießen - und sinkt nur Sekunden später mit einem Loch im Kopf zu Boden, niedergestreckt von einem "finalen Rettungsschuss". Hauptkommissar Thorsten Lannert will den Willen zu töten in den Augen des Räubers gesehen haben.

Toter Täter: Supermarkträuber Bielfeldt.

Toter Täter: Supermarkträuber Bielfeldt.

(Foto: SWR/Johannes Krieg)

Der neue Stuttgarter "Tatort" beginnt mit einer enorm spannenden Prämisse: Was passiert, wenn der eigentliche Täter zum Opfer wird? Nach der Eröffnungsszene und immer wieder eingestreuten Erinnerungsfragmenten von Lannerts Kollege Sebastian Bootz stellt sich nicht nur dem Zuschauer die Frage, ob das Stuttgarter Ermittlerteam tatsächlich so integer ist, wie es wirkt. Auch Opferanwalt Christian Pflüger versucht mit aller Macht, Lannert bei der anschließenden Anhörung "polizeiliche Willkür" nachzuweisen.

Es ist beklemmend zu sehen, wie machtlos die beiden Kommissare im Angesicht der Anschuldigungen sind: Aus Solidarität zu seinem Partner verstrickt sich Bootz in einem Geflecht aus gut gemeinten Lügen und taucht später sogar bei einer Belastungszeugin auf, die kurz darauf in seinen Armen stirbt. Das sieht nicht gut aus. Bei so viel Grau weiß man schon nach kurzer Zeit nicht mehr, wer hier Gut und wer Böse ist.

Schnell noch die schwarzen Flecken auf der Seele wegschaffen

Hätten es Sönke Lars Neuwöhner und Sven Poser bei diesem Erzählstrang belassen, "Eine Frage des Gewissens" wäre ein zermürbend spannender Justizkrimi geworden. Leider trauen die beiden Drehbuchautoren ihrem Publikum nicht zu, bei der Menge an verstörenden Grundsatzfragen zum Thema Rechtsstaat bei der Stange zu bleiben und führen die neueste Episode recht bald zurück in bekanntes "Tatort"-Fahrwasser: Lannert und Bootz ermitteln in genau dem Mordfall, in dem sie eigentlich maximal befangen sind. Das wirkt nicht nur unglaubwürdig, es nimmt auch den Druck aus einer Erzählung, die sich bis dato mit einem im Krimigeschäft erfrischend unverbrauchten Dauerthema beschäftigt hat: "Wer bewacht die Wächter?", fragten sich schließlich schon die alten Römer.

Zugute halten muss man dem Streifen allerdings, dass er nach dem Durchhänger im Mittelteil gegen Ende hin wieder Fahrt aufnimmt: Die Wendung zum Schluss wirkt zwar arg konstruiert, kommt dafür aber umso überraschender. Nur um dann in einer viel zu langen und viel zu soften Schlussszene wieder in Vergessenheit zu geraten: Bootz, der 90 Minuten lang mit falsch verstandener Loyalität und seiner gescheiterten Ehe kämpfen musste und dabei immer tiefer in den Alkoholismus abrutschte, wirkt am Ende genauso gelöst wie der Fall.

Die Botschaft: Schwarze Flecken auf der Seele lassen sich genauso einfach wegschaffen wie die Müllsäcke aus der ehedem verschmutzten Wohnung. Den Drehbuchautoren möchte man bei so viel Harmoniebedürfnis am liebsten zurufen: "Bekennt euch zur dunklen Seite, es ist die richtige!"

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen