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Dann wird eben was abgeschnitten Wer schön sein will, muss leiden

Laufen auf High Heels - eine Kunst für sich.

Laufen auf High Heels - eine Kunst für sich.

(Foto: imago/Future Image)

Was am Ende so leicht aussieht und so leichtfüßig daher kommt, war harte Arbeit und viel Vorbereitung. Da wird anprobiert, genäht, gezuppelt - und was nicht passt, wird mit rabiaten Methoden passend gemacht: Fashionweek backstage.

Zimperlichkeit hilft da nicht. "Haben wir einen Cutter da?", fragt eine Stylistin, als sie den Fuß des Models sieht. Kurz darauf schneidet sie mit einer kleinen Schere wenige Zentimeter ins - nein, nicht ins Fleisch, nur ins Schuhleder - und das Model, rothaarig und blass, zerrt das Material an der Ferse auseinander und quetscht sich mit einem Schuhlöffel in den Pumps. Berlin ackert während der Fashion Week. Und während die Designer ihre Kreationen seit Monaten planen, hat die Arbeit mit den Models beispielsweise erst wenige Tage vorher begonnen.

Gurre di gu, Blut ist im Schuh!

Gurre di gu, Blut ist im Schuh!

(Foto: dpa)

"Gebucht werden die meisten Models gar nicht großartig vorher", erklärt Claudia Midolo von Modelwerk. Die Hamburger Agentur hat 30 Frauen und 10 Männer zu den Castings geschickt, die am Wochenende über die Bühne gingen. Hinzu kommen drei "Topmädchen", wie Midolo sagt, die nur direkt gebucht werden können, weil sie gerade noch auf den Pariser Haute-Couture-Schauen laufen. Die wenigsten Designer machen es wie Marcel Ostertag, der seine Models höchstpersönlich und aufwendig gecastet und gebrieft hat.

Zeitstress und Reisen

"Jobs auf dem Laufsteg werden nicht so gut bezahlt wie Werbejobs", erklärt Midolo. Models verdienten sehr unterschiedlich, zwischen 200 Euro und 10.000 Euro pro Show. Ein Standardmodel bekäme 400 Euro für zwei Stunden. Viele Termine hinter sich hat Model Eva Staudinger, die zwischen Amerika und Deutschland pendelt. Die 20-Jährige besuchte zehn Castings am Tag. "Zehn ist schon relativ entspannt", erzählt die große Blonde mit dem filigranen Gesicht. In New York seien es manchmal zwanzig. "Man ist halt immer im Zeitstress." Das Schönste am Modeln sei das Reisen, sagt sie. "Das Nervigste ist, dass man oft alleine sein muss."

Und dieses Fitting! Da steckt man zum Beispiel bei einer Anprobe in einem schwarzen Rock, um die Hüften wölbt sich ein Gestell mit Fransen. Vor den Shows muss ja ausgeklügelt werden, welches gebuchte Model was trägt. Fitting heißt das in der Modeszene. Und weil Designer ihre Outfits noch nicht verraten wollen, dürfen fremde Fotografen nur Details ablichten. Hektik herrscht dann oft, Assistenten mit Nadelkissen laufen durch die Räume, die Stylistinnen suchen ihre Fotoapparate. High Heels stapeln sich auf Schuhkartons. Auf einem Tisch liegen Stifte, ein Bügeleisen und eine Packung mit Pads zum Abkleben der Brustwarzen. Nachwuchsdesigner friemeln an ihren Kleidungsstücken herum.

Der Meister und der Neue: Matteo Lamandini (l) bekommt nach der Präsentation seiner Kollektion für Frühjahr/Sommer 2015 im Rahmen der Designer for Tomorrow Show am 9. Juli in Berlin den Titel "Designer for Tomorrow" verliehen. Tommy Hilfiger gratuliert ihm.

Der Meister und der Neue: Matteo Lamandini (l) bekommt nach der Präsentation seiner Kollektion für Frühjahr/Sommer 2015 im Rahmen der Designer for Tomorrow Show am 9. Juli in Berlin den Titel "Designer for Tomorrow" verliehen. Tommy Hilfiger gratuliert ihm.

(Foto: dpa)

Zum Beispiel Designer Yong Kyun Shin aus Südkorea zeigt zerschnittene Kleider, die mit Metallteilen und Garn geflickt sind, die Bulgarin Sylvia Roustcheva übergroße Strickkleider, die Raupenkokons ähneln, und der Italiener Matteo Lamandini Männeranzüge mit bunten Karos und schwarz-weißem Muster. Die Irin Maria Roche hat sich von der menschlichen Anatomie inspirieren lassen, kreierte einen Overall mit Herzprint und Kleider, die an Rippen erinnern. Alle zusammen zeigten diese Woche bereits ihre Kollektion beim Nachwuchspreis Designer for Tomorrow, für den Tommy Hilfiger erstmals die Schirmherrschaft übernommen hat. Gewonnen hat Matteo Lamandini den Nachwuchs-Award, der seit sechs Jahren verliehen wird. Er ist der Erste, der die Jury mit einer Herrenkollektion überzeugen konnte.

Die Fashion Week in der deutschen Hauptstadt ist angekommen unter den großen Laufstegschauen der Welt, wie die Jungdesigner berichten. Das Image: Ein bisschen weniger glamourös als Paris oder Mailand, nicht so verrückt wie London, dafür eher cool und durchaus chancenreich für Unbekannte. "Die Leute unterstützen dich, sind gespannt auf deine Ideen", erzählt Julia Winkler, die über dem Auge einen knallblauen Lidstrich trägt. Sie nutzt Stoffe, die nicht gefärbt sind, sondern durch eine große Druckmaschine gejagt wurden.

Manchmal müssen die Kleider enger gemacht werden, weil die Models so dünn - wirklich sehr, sehr dünn - sind. Zur Anprobe braucht man daher nicht nur jede Menge Sicherheits- und Stecknadeln, sondern Schuhe in allen Größen. Da brauche man für jedes Paar einen guten Mix, "zweimal 40, einmal 41, zweimal 38 vielleicht". Trotzdem passen die Pumps dem rothaarigen Model nicht. Dass dann zur Schere gegriffen wird, stört Winkler nicht, das sei für ein höheres Ziel. Nachdem sich das Model endlich in den zu kleinen Absatzschuh gezwängt hat, stellt sie sich aufrecht hin und überragt dabei alle. "Oh, das werden Höllenqualen", sagt sie, "aber okay." Wer schön sein will, muss leiden - so heißt es nicht erst, seit es die Fashion Week gibt.

Quelle: ntv.de, soe

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