Frohmut und Lebensfreude Auf Sinnsuche in Indien
15.12.2008, 15:14 UhrÜber Indien ist viel geschrieben worden: Indien-Romane sind dabei für gewöhnlich Ausschmückungen von Wunschwelten, erzählen religiöse Heldendramen nach, verstehen sich auf die Verklärung der guten alten Zeit. Zeitschriftenbeiträge dokumentieren hingegen eher das triste Indien mit großer Armut, Umweltverschmutzung, Korruption und Analphabetentum.
Einen anderen Weg der Annäherung an den Subkontinent hat indes der Autor und Fotograf Rainer Thielmann gewählt. Thielmann, der als Liedtexter von diversen Schlager-Größen wie etwa Udo Jürgens von sich Reden machte, hat die Eindrücke, die er auf seiner zweiten Indienreise gewonnen hat, in Form von Gedichten und Fotografien festgehalten. Das aus diesem Projekt entstandene Lyrikbuch "Indien von innen", welches 80 Gedichte und mehr als 150 Farbfotografien beinhaltet, ist seit Ende Oktober erhältlich.
Farben und Schmutz
Thielmann zeigt anhand vieler Postkartenmotive das liebenswürdige, religiöse und auch das oftmals ziemlich skurrile Indien. Ein vollständiges Bild entsteht aber erst durch die flankierenden Gedichte, welche nicht zuletzt die Abgründe des Landes in den Blick nehmen. Denn hinter den in den buntesten Farben schillernden Bildern lauern immer auch Schmutz in allen Variationen, sinnlose Anstrengungen und kaum zu ertragenden Zumutungen.
Die Bandbreite der Gedichte reicht dabei von poetischen Elogen über nachdenklich-philosophische Reflexionen bis hin zu eher kindlich anmutenden Versspielen – womit ein schönes Abbild der mannigfaltigen und auch ein wenig unergründlichen indischen Gemütslage gewonnen wäre. Lyrischen Glanz strahlt etwa das Gedicht "Pferdemensch" aus, das über einen Rikscha-Fahrer und dessen nie endenden Lebenskampf berichtet. Wohingegen "Der Pilger" vom Alltag eines Gläubigen erzählt und einen nahezu mantraartigen Rhythmus besitzt. Eher einem Literaturkurs der gymnasialen Oberstufe scheint hingegen das Stück "Thali" über die etwas gewöhnungsbedürftigen indischen Essgewohnheiten entnommen zu sein.
Westler in Indiens Bann
Vielfalt ist also Trumpf bei Thielmann, was auf jeden Fall Kurzweil garantiert. Das eigentlich Faszinierende an dem Buch sind aber die Porträts von lebensfrohen Menschen, die eine Indienreise stets zu einem unvergleichlichen Erlebnis werden lassen. Man merkt, dass auch der Autor in den nachgerade hypnotischen Bann des unbändigen indischen Frohsinns und Lebensmutes gezogen wurde. Dabei hat Thielmann seine Beobachtungen – auch wenn der Titel etwas anderes suggeriert – von außen, aus der Perspektive eines Westlers gemacht. Seine Motivauswahl folgt daher den typischen Interessen und Wahrnehmungen eines ausländischen Indien-Reisenden.
Etwas anderes ist naturgemäß aber auch kaum zu erwarten gewesen. Nichtsdestotrotz sind in dem Band intensive und lyrische Momentaufnahmen vereinigt, die einen guten Eindruck von der Vielschichtigkeit des indischen Lebens geben – und zwar in positiver wie negativer Hinsicht. In diesem Sinne ist "Indien von innen" ein Buch, das man vor oder auch nach einer Indienreise immer wieder aufblättern und dabei seine Gedanken auf Reisen gen Osten schicken kann.
Rainer Thielmann: "Indien von innen. Rätselhaft magisch – wundersam fremd", Reiselyrik Verlag, Halfing 2008, 116 Seiten, 24,90 Euro
Quelle: ntv.de