"Werbe-Diktator" Die Welt - eine Google?
18.04.2008, 10:27 UhrVon Thomas Leidel
Jeder kennt sie, fast jeder nutzt sie: die Suchmaschine Google. Das Unternehmen aus Mountain View, das dieses Jahr zehn wird, gilt als bunt, unkonventionell und "cool". Google ist als Arbeitgeber extrem beliebt und gehört inzwischen zu den größten Konzernen der Welt.
Das Motto der Firma lautet nach wie vor "Sei nicht böse" – aber damit scheint es nicht (mehr) weit her zu sein. Denn Google trachte danach, den weltweiten Markt für Information und Werbung zu dominieren. Und dabei sei, so Gerald Reischl, Autor von "Die Google Falle", so ziemlich jedes Mittel recht.
Dominanz um jeden Preis
Doch warum sollte das den "normalen" Internetnutzer interessieren? Schließlich liefert die Suchmaschine doch brauchbare Ergebnisse – und inzwischen zusätzlich eine schier unübersehbare Palette weiterer Angebote und Dienste, von der zugekauften Videoplattform Youtube über den eMail-Dienst Google Mail, den virtuellen Globus GoogleEarth bis hin zu Software im "Google Pack"– und das alles durchweg völlig gratis.
Es sollte jeden interessieren, weil das Google-Imperium in erster Linie auf einer Grundlage aufgebaut ist: den Daten seiner Nutzer. Sucheingaben werden gespeichert, das Surfverhalten systematisch analysiert. Durch Verknüpfung mit weiteren Daten können so detaillierte Persönlichkeitsprofile entstehen. Ein Schatz für jeden Werbetreibenden, ein Horror für jeden Datenschützer.
Datenschutz bleibt auf der Strecke
Dass bestimmte personenbezogene Informationen von Google nach 18 Monaten gelöscht werden, ist eine von vielen Behauptungen, die sich a) nicht beweisen lassen und b) leicht Gegenstand juristischer Winkelzüge sein können. Etwa: Beginnt die Frist mit jeder einzelnen Suchanfrage, mit jedem abgerufenen Video von neuem?
Google ist, das wird im durchweg auch für Nicht-Techniker gut lesbaren Text Reischls überdeutlich, längst eine wuchernde Datenkrake, die sich öffentlicher Kontrolle systematisch entzieht. Nicht einmal die genaue Zahl der von Google betriebenen Serverfarmen ist bekannt – von ihren Standorten ganz abgesehen.
Zensor für Diktaturen
Google ist das Musterbeispiel eines "supranationalen" Konzerns, der einerseits staatlichem Einfluss leicht ausweichen kann, sich andererseits aber sogar zum Zensor für Diktaturen (wie China) macht, wenn es den Geschäftsinteressen nützt.
Vieles, was im laut Eigenwerbung "ersten wirklich Google-kritischen Buch der Welt" detailreich zusammengetragen ist, ist in Fachkreisen durchaus bekannt. Neu dürfte selbst vielen Insidern sein, dass Google dutzende Projekte in der Pipeline hat, die innerhalb von Stunden auf den Markt gebracht werden könnten. Und dass man sich – über die Beteiligung an 23andme.com - intensiv damit befasst, auch noch das Erbgut jedes Einzelnen zu digitalisieren und online "verfügbar" zu machen. Big Brother war dagegen ein Waisenknabe.
Wer Reischls Buch gelesen hat, wird vielleicht nicht gleich ganz auf Google verzichten wollen. Aber er wird nicht so schnell wieder ganz unvoreingenommen eine Google-Suche starten.
Quelle: ntv.de