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Maigrets "Vater" Simenon Ein Leben wie ein Roman

Autor hunderter Romane mit Milliardenauflage, rasender Reporter, Frauenheld und Weltreisender - Georges Simenon war schon zu Lebzeiten eine Legende. Der gebürtige Belgier und "Vater" von Kriminalkommissar Jules Maigret starb vor 20 Jahren im schweizerischen Lausanne.

Georges Simenon betrieb das Schreiben als Hochleistungssport.

Georges Simenon betrieb das Schreiben als Hochleistungssport.

(Foto: dpa)

Der Schriftsteller passt bis heute in kein Schema. Obwohl er Weltruhm erlangte, blieben ihm größere literarische Auszeichnungen versagt. Er betrieb Literatur quasi als Hochleistungssport - und verlor beim Schreiben eines Romans bis zu fünf Kilo Gewicht.

Simenon, am 13. Februar 1903 in Lüttich geboren, hatte nichts gegen Legendenbildung - er betrieb sie selbst. Der Autor erzählte gerne, die Figur des wortkargen Pariser Ermittlers Maigret sei bei einer Bootsreise im September 1929 im niederländischen Delfzijl entstanden. Die Wahrheit ist etwas komplizierter: Der berühmte Kommissar sei schon zuvor in mehreren Populärromanen Simenons aufgetaucht, freilich weniger fein gezeichnet, fanden Experten heraus. Wie dem auch sei, das unterwegs geschriebene Buch "Maigret und Pietr der Lette" ist das erste einer langen Serie, die 1972 mit "Maigret und Monsieur Charles" endete.

Lebenmann und Kleinbürger

Simenon liebt in jungen Jahren den Luxus und das Pariser Nachtleben. Maigret ist hingegen ein Kleinbürger, auf den zu Hause die Abendzeitung und die Pantoffeln warten. Simenon erzählte 1975 in einem Interview, er sei der populären Romanfigur näher als man vielleicht denke. "Man hat sich oft gefragt, warum Maigret keine Kinder hat. Ich habe 30 Maigret-Romane geschrieben, ohne dass ich selbst Kinder hatte. (...) Ich war unfähig, einen Maigret zu beschreiben, der nach Hause kommt und dort ein oder zwei Kinder vorfindet."

Simenon gab sich bei Details große Mühe, seine Figuren zeichnete er mit Feingefühl. Er versetze sich in die Haut seiner Romanhelden und wisse oft bis zum letzten Kapitel nicht, wie ein Buch enden werde, sagte der Autor einmal. Die Maigret-Bücher machten Simenon, der mit Groschenheften und Trivialromanen begonnen hatte, berühmt und reich.

Mann voller Widersprüche

Schon seit 1922 lebte er in Paris. Seine Frau Régine, genannt Tigy, merkt damals angeblich nichts von seinen Affären. Im Zweiten Weltkrieg bleibt er in Frankreich, zieht sich die in die tiefste Provinz zurück - und schreibt. Während der deutschen Besatzung entstehen mehrere Filme nach seinen Romanvorlagen - unter anderen "Cécile est morte" (1943) von Maurice Tourneur mit Albert Préjean als Maigret. In den folgenden Jahrzehnten verkörperten unter anderen Jean Gabin oder Heinz Rühmann den pfeiferauchenden Kommissar. Nach der Befreiung Frankreichs 1944 wird Simenon daher beruflicher Opportunismus vorgeworfen - er verbringt Monate unter Hausarrest. Nachdem er 1945 wieder frei reisen darf, entschwindet er - wie eine Figur seiner Romane - samt Familie in die USA. Erst zehn Jahre später, 1955, kehrt er dauerhaft aus Nordamerika nach Europa zurück.

Simenon blieb ein Mann der Widersprüche. Geld interessierte ihn angeblich nicht. "Mein Traum war es, ein kleines Zimmer in einer Geschäftsstraße zu haben, zu schreiben und nicht mehr zu verdienen, als ich zum Essen brauche", sagte er 1977 in einem Gespräch mit dem italienischen Regisseur Federico Fellini. Die Realität sah anders aus. In der Schweiz bewohnte er seit 1963 ein schlossartiges Anwesen mit 30 Zimmern, zehn Bediensteten und fünf Autos in der Garage. Seine Bücher erreichten laut einer Verlagsschätzung von 2003 weltweit eine kaum vorstellbare Gesamtauflage von 1,4 Milliarden - neuere Zahlen sind nicht verfügbar.

Da viele seiner Werke in Frankreich spielen, gilt Simenon bis heute oft als französischer Schriftsteller. Auf seine belgische Herkunft angesprochen, sagte er einmal ironisch: "Nicht jeder hat das Glück, in Liechtenstein oder Monaco geboren zu sein."

Quelle: ntv.de, Christian Böhmer, dpa

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