Sex, Tänze und ein ferner Krieg Ein deutscher Tausendsassa auf Bali
15.10.2015, 13:54 Uhr
In dem Ort Ubud hatte Spies sich niedergelassen.
(Foto: REUTERS)
Bali war schon in den 1930er-Jahren die ideale Projektionsfläche für westliche Träume vom Inselparadies. Erst kamen Künstler und Wissenschaftler, ihnen folgten die Reichen und Berühmten. Und sie alle trafen sich im Haus von Walter Spies.
Auch wenn das Paradies bekanntermaßen immer anderswo ist, das Bali der 1930er-Jahre mutet auf jeden Fall paradiesisch an. Den Deutschen Walter Spies zog es als einen der ersten hierher. Der britische Ethnologe Nigel Barley begibt sich auf die Spuren des Linguisten, Tänzers, Musikers, Naturforschers und Malers, der auf den indonesischen Inseln eine Heimat gefunden hatte.
Natürlich meint Barley den Titel "Bali - Das letzte Paradies" ironisch, immerhin ist er der Autor von "Traumatische Tropen" und als Ethnologe seit Jahren erklärtermaßen im Clinch mit seiner Zunft. Seinem Forschungsgegenstand bleibt er dennoch treu, nur eben ohne jeden Anspruch auf Objektivität, wie er im Vorwort betont.
Er habe 15 Jahre gewartet, dass jemand etwas Brillantes über den Lebenskünstler und Ethnologen Spies schreiben würde, erzählte der Autor in einem Interview. Auf den Deutschen war Barley während seiner Zeit als Kurator am British Museum aufmerksam geworden. Als das nicht passierte, habe er das Buch selbst geschrieben. Entstanden ist aus dieser Annäherung ein historischer Roman, in dem die Lebenswege zahlreicher prominenter Künstler und Wissenschaftler in die niederländische Kolonialgesellschaft der indonesischen Insel Bali führen. Die Reichen und Berühmten strömen in Spies' Haus in Ubud, wo der mit so vielen Talenten Gesegnete offen homosexuell lebte.
Ein Niederländer und ein Deutscher
Barley bedient sich einer weiteren historischen Person als Erzähler, des niederländischen Künstlers Rudolf Bonnet. Der zurückhaltende und nachdenkliche Bonnet trifft auf den lebensfrohen und extrovertierten Spies und hat ebenso wie andere teil an dessen sorglosem Leben, aber auch an seinen Erkundungen der indonesischen Kultur. Währenddessen ziehen über dem Paradies langsam die dunklen Wolken der sich in Europa anbahnenden Nazi-Herrschaft auf.
Dem Nicht-Ethnologen erschließt sich wahrscheinlich nicht jede Anspielung, die Barley auf den 270 Seiten über die Feinheiten seines Forschungsgebietes macht. Dem Nicht-Indonesienkenner kommen zudem die leidenschaftlichen Beschreibungen der Gamelan-Musik möglicherweise befremdlich vor, doch Barleys Geschichte entwickelt trotzdem einen Sog, dem man sich nur schwer entziehen kann. Beim Lesen wird man das Gefühl nicht los, dass Barley längst von der kichrigen Unbeschwertheit der Balinesen angesteckt ist, so humorvoll beschreibt er den Alltag der illustren Community, in dem offenbar auch Geldsorgen und Liebeskummer eine Rolle spielten.
Quelle: ntv.de