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"Weltraumheldin" in einer Graphic Novel Laika fliegt ins All

Laika in der Kapsel von Sputnik II - die Hitze lässt die Hündin schneller sterben, als die Propaganda zugeben will.

Laika in der Kapsel von Sputnik II - die Hitze lässt die Hündin schneller sterben, als die Propaganda zugeben will.

(Foto: Nick Abadzis/Atrium Verlag Zürich)

Vom Straßenhund zum Weltstar: Laika war das erste irdische Lebewesen im All, die sowjetische Propaganda machte aus der Hündin eine Heldin. Was damals verschwiegen wurde, erzählt nun Nick Abadzis. Und ganz nebenbei stellt er grundsätzliche Fragen über Politik, Wissenschaft und Vertrauen.

"Die hier scheint perfekt. Wir nehmen sie." Die Entscheidung, die Dr. Gasenko fällt, ist letztlich ein Urteil. Ein Todesurteil. Das weiß der Wissenschaftler aber noch nicht, als er dem Hundefänger die Hündin abkauft, die kurz zuvor auf einer Moskauer Straße geschnappt wurde. Ihr weiteres Schicksal ist allerdings besiegelt: "Kudryavka" (Löckchen), wie sie von den Wissenschaftlern fortan genannt wird, dient am Moskauer Institut für Flugmedizin als Forschungsobjekt. Und schließlich wird das Tier - umbenannt in "Laika" (Kläffer) - Weltruhm erlangen.

Wo es keine Fakten gibt, setzt Abadzis auf kraftvolle, phantastische Sequenzen.

Wo es keine Fakten gibt, setzt Abadzis auf kraftvolle, phantastische Sequenzen.

(Foto: Nick Abadzis/Atrium Verlag Zürich)

Für die sowjetische Propaganda war Laika eine Heldin: An Bord von Sputnik II wurde die Hündin am 3. November 1957 als erstes Lebewesen ins Weltall geschossen. Dort starb sie den vorgeblichen Heldentod, für den Sieg des Sozialismus beim Wettlauf ins All, zum Jahrestag der Oktoberrevolution. Viel mehr als das war jahrzehntelang nicht bekannt über jene Hündin, denn das Raumfahrtprogramm war in der Sowjetunion Militär- und Staatsgeheimnis. Erst nach dem Ende des Kalten Krieges und dem Zusammenbruch der UdSSR kamen mehr Informationen an die Öffentlichkeit.

Auf der Suche nach der Wahrheit

Der britische Comiczeichner Nick Abadzis hat gründlich die wahre Geschichte von Laika recherchiert und versucht, jene Lücken zu schließen, die Propaganda und Ideologie hinterließen. Etwa, dass die Hündin bereits kurz nach dem Start starb, weil nach einer Fehlfunktion die enorme Hitze in der Kapsel nicht mehr kontrolliert werden konnte. Die umfangreiche Graphic Novel "Laika" erscheint nun, pünktlich zum 50. Jahrestag von , auf Deutsch im Atrium Verlag. Mehrfach wurde der Comic bereits ausgezeichnet. Darunter war mit dem Eisner Award einer der renommiertesten Comic-Preise weltweit.

Eines der wenigen Bilder von der realen, etwa dreijährigen Mischlingshündin "Laika", hier bei Tests in einer Druckkabine.

Eines der wenigen Bilder von der realen, etwa dreijährigen Mischlingshündin "Laika", hier bei Tests in einer Druckkabine.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Die ganze Wahrheit allerdings kann auch Abadzis nicht erzählen. Schließlich war Laika einer der Straßenhunde, die für die Wissenschaftler prädestiniert für ihre Forschungszwecke waren. Nicht nur hatten sie keinen rechtmäßigen Besitzer, man glaubte auch, dass diese Tiere härter im Nehmen und auch Hunger gewöhnt seien. Was hier an Informationen über Laikas Herkunft fehlt, hat Abadzis hinzugedichtet oder in phantasievollen Sequenzen verarbeitet. So erzählt er, von der Geburt der Hündin, wie sie immer wieder zurückgestoßen wird und auf der Straße landet, auf der Suche nach Sicherheit und Geborgenheit.

Schließlich wird Laika gefangen und an die Wissenschaft verkauft, wo man sie wenigstens gut behandelt, wie der Hundefänger glaubt. Im Institut für Flugmedizin muss die Hündin verschiedene Tests durchlaufen - die Druckkabinen, die Zentrifugen und Parabelflüge zur Simulation von Geschwindigkeit und Schwerelosigkeit. Und dann wird Laika für einen "Spezialflug" ausgewählt, ein Himmelfahrtskommando ohne Rückkehr.

Kalter Krieg und Sputnik-Schock

Die Wissenschaftler beobachten gespannt den Start von Sputnik II.

Die Wissenschaftler beobachten gespannt den Start von Sputnik II.

(Foto: Nick Abadzis/Atrium Verlag Zürich)

Hier geht das Buch über die einfache Geschichte einer Hündin hinaus. So wird aus der Graphic Novel auch das Porträt einer diktatorischen Gesellschaft, ein subtiler Blick hinter den Eisernen Vorhang. Abadzis taucht in die Zeit ein, als die Weltraumprogramme noch in den Kinderschuhen steckten. Nur einen Monat vor Laikas Start hatte der erste Satellit Sputnik I in der westlichen Welt den gleichnamigen Schock ausgelöst. Es war die Hochphase des Kalten Krieges, in der das All zum Kampfplatz der beiden Blöcke um die Vorherrschaft auf der Welt wurde.

Abadzis freilich vermeidet es, die Figuren, vor allem die Wissenschaftler, als verblendete Ideologen zu zeigen. Bei ihm sind es normale Menschen, die um ihre Zwänge wissen. Da ist der Chefkonstrukteur der Raketen - Koroljow wurde in der Hochphase der Säuberungen denunziert und in ein Gulag gesteckt, erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er wieder gebraucht, für das Raketenprogramm. Es ist für ihn die Chance, seine Loyalität zu beweisen und die Vorwürfe endlich loszuwerden. Da ist Dr. Gasenko, der Chef des Trainingsprogramms, der angesichts der Tierversuche doch immer wieder an seiner Rolle als Wissenschaftler zweifelt.

Die Verantwortung der Wissenschaft

"Laika" erscheint im Atrium Verlag, hat 206 Seiten und kostet 20 Euro. Die Kolorierung stammt von Hilary Sycamore, die deutsche Übersetzung von Ebi Naumann.

"Laika" erscheint im Atrium Verlag, hat 206 Seiten und kostet 20 Euro. Die Kolorierung stammt von Hilary Sycamore, die deutsche Übersetzung von Ebi Naumann.

Und da ist vor allem Jelena Dubrowskaja, die sich am Institut um die Hunde kümmert und Laika sofort ins Herz schließt - "vertrau mir", flüstert sie ihr immer wieder zu. Sie stellt die Methoden der Wissenschaft in Frage, die unbedingte Priorität des technischen Fortschritts. Das sind gefährliche Gedanken in einer Zeit, in der Parteigehorsam und Misstrauen den menschlichen Umgang miteinander bestimmen. Abadzis zeigt hier geschickt, wie Menschlichkeit und Ideologie, Vertrauen und Misstrauen aufeinanderprallen. Und er stellt auch Fragen nach Rolle und Verantwortung der Wissenschaft für den menschlichen Fortschritt.

Abadzis' überaus spannende Graphic Novel hat viele emotionale, am Ende natürlich traurige Momente - allerdings ohne dass der Autor der Versuchung erliegt, die Hündin zu vermenschlichen. Auf den ersten Blick erlebt der Leser, wie ein Tier auf dem Altar der Wissenschaft geopfert wird. Doch auf den zweiten Blick wird es einem doch nicht so leicht gemacht. Abadzis lässt bei aller Menschlichkeit und Emotionalität immer wieder grundsätzliche Fragen anklingen, über Politik und die Notwendigkeit von Fortschritt, Kalten Krieg und Raumfahrt. Das alles taucht er in stimmungsvolle Bilder mit klarem Strich und schönen Farben. Die abwechslungsreiche Aufteilung der Panels lässt dabei nie Langeweile aufkommen. Wo Fakten und Realität aber an ihre Grenze stoßen, nutzt Abadzis phantastische Sequenzen, die den Leser dann doch noch träumen lassen von der Unendlichkeit des Weltraums, die Laika in ihrer engen Kapsel allerdings nicht erlebt hat.

Quelle: ntv.de

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