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Das wilde Leben von James Joyce Porträt des Künstlers als Lebemann

Folgenreiche Begegnung: Die Pariser Buchhändlerin Sylvia Beach wird später die Erstausgabe von "Ulysses" drucken.

Folgenreiche Begegnung: Die Pariser Buchhändlerin Sylvia Beach wird später die Erstausgabe von "Ulysses" drucken.

(Foto: Alfonso Zapico / 2014 Egmont Graphic Novel)

Er trank sehr viel, betrog seine Frau mit Prostituierten, hackte auf anderen Autoren rum und beschwerte sich, dass niemand ihn verstehe. James Joyce war ein so schillernder wie exzessiver Autor, der am Bloomsday weltweit gefeiert wird.

Joyce trank sehr viel - genau wie sein Vater, der damit die Familie ruinierte.

Joyce trank sehr viel - genau wie sein Vater, der damit die Familie ruinierte.

(Foto: Alfonso Zapico / 2014 Egmont Graphic Novel)

Unsterblich ist er geworden. Aber James Joyce war zeitlebens so sehr von sich überzeugt, dass ihn dies kaum überraschen dürfte. Wenn an diesem 16. Juni zahllose Fans wie in jedem Jahr den Bloomsday feiern, ehren sie damit nicht nur den Jahrhundertroman "Ulysses", der just an jenem Tag im Jahr 1904 spielt, vor genau 110 Jahren. Sie verneigen sich natürlich vor allem vor dem Autor, der die Hauptfigur Leopold Bloom durch Dublin schickte.

James Joyce war Künstler durch und durch. Ein Freigeist und Nationalist, der seine irische Heimat allerdings verließ, um ein unstetes Leben zwischen Triest, Zürich und Paris zu führen. Er stieß permanent andere Autoren vor den Kopf, in dem er ihre Bücher verriss, fühlte sich selbst allerdings Zeit seines Lebens verkannt und hatte große Schwierigkeiten, einen Verlag für seine Bücher zu finden.

Kampf gegen Zensur und Kirche

Joyce lebte von 1882 bis 1941. Lange litt er unter einem Augenleiden - deshalb die Augenbinde.

Joyce lebte von 1882 bis 1941. Lange litt er unter einem Augenleiden - deshalb die Augenbinde.

(Foto: imago stock&people)

Auch um "Ulysses" musste Joyce lange kämpfen. Wegen etlicher obszöner Stellen wollte kein Verlag das Buch veröffentlichen, kein Drucker die Maschinen anwerfen. In Großbritannien und den USA wurde "Ulysses" verboten, Kirchenvertreter hetzten gegen das Werk. Es dauerte Jahre, ehe der Autor das fertige Buch in Händen halten konnte.

Dabei gilt "Ulysses" heute nicht nur als Meisterwerk, es zählt vermutlich auch zu den bekanntesten ungelesenen Büchern aller Zeiten. Generationen von Lesern haben sich an den vielfältigen literarischen Mitteln die Zähne ausgebissen, an den Bewusstseinsströmen, dem Gang durch die englische Sprachgeschichte und dem Schlussmonolog von Molly, der fast ohne Interpunktionen auskommt. Da helfen auch keine Lesehilfen oder Analysen, die das Werk bis ins Kleinste zerlegen.

"Viele Rätsel und Geheimnisse"

Joyce lebte ein Leben als Bohemien - was immer wieder zu den skurrilsten Gerüchten führte.

Joyce lebte ein Leben als Bohemien - was immer wieder zu den skurrilsten Gerüchten führte.

Joyce war sich dessen wohl bewusst. In seiner typischen überlegen-arroganten Art schrieb er selbst über das Buch: "Ich habe so viele Rätsel und Geheimnisse hineingesteckt, dass es die Professoren Jahrhunderte lang in Streit darüber halten wird, was ich wohl gemeint habe, und nur so sichert man sich seine Unsterblichkeit."

Ja, an Selbstbewusstsein mangelte es dem Mann nicht. Das ist auch der rote Faden, der die Comicbiografie des Spaniers Alfonso Zapico durchzieht. In "James Joyce. Porträt eines Dubliners" schildert er minutiös das Leben des Iren von der Geburt bis zum Tod. In eiligem Tempo geht es von der Kindheit und der jesuitischen Ausbildung zum Rebell und mittellosen Studenten bis zum Leben als literarischer Bohemien, das Joyce nach Österreich-Ungarn führt, nach Italien, Frankreich und in die Schweiz.

Der 16. Juni 1904: Joyce und Nora haben ihr erstes Rendezvous.

Der 16. Juni 1904: Joyce und Nora haben ihr erstes Rendezvous.

(Foto: Alfonso Zapico / 2014 Egmont Graphic Novel)

Sowohl in Irland als auch als selbstgewählter Exilant sammelt Joyce viele Eindrücke und neue Bekanntschaften, die in seinem Opus magnum Widerhall finden. Diese Zusammenhänge erschließen sich dem aufmerksamen Leser auch in der Comicbiografie. So hat Joyce etwa sein erstes Rendezvous mit seiner späteren Frau Nora Barnacle am 16. Juni 1904 - jenem Datum, an dem er später Leopold Bloom in "Ulysses" durch die irische Hauptstadt streifen lässt. Kurzzeitig wohnte der Autor auch im Martello-Turm von Sandycove, jener Befestigungsanlage, in der die Handlung des Buches beginnt und in der heute ein Joyce-Museum untergebracht ist. Und natürlich begegnet man auch jenen Freunden und Bekannten von Joyce, die ihn zum Figurenensemble des Romans inspirierten.

Dass Zapico ansonsten nicht auf den Inhalt von "Ulysses" und der anderen Werke des Autors eingeht, kann man verschmerzen. Ihm geht es um eine reine Biografie des Künstlers, die er stringent und detailreich erzählt. Ohnehin liest sich Joyces Leben wie ein ganz eigener Roman. Schließlich gehörte er zu den glamourösesten und faszinierendsten Literaten des 20. Jahrhunderts, traf Persönlichkeiten wie William Butler Yeats, Hemingway, Ezra Pound und Lenin. Ganz zu schweigen von den Ausschweifungen, die den Lebemann stets begleiteten.

Anekdote reiht sich an Anekdote

"James Joyce" ist bei Egmont Graphic Novel erschienen, 232 Seiten in Klappenbroschur, schwarzweiß, 19,99 Euro.

"James Joyce" ist bei Egmont Graphic Novel erschienen, 232 Seiten in Klappenbroschur, schwarzweiß, 19,99 Euro.

Das ergibt eine ungeheure Fülle an Ereignissen. Und Zapico gibt sich alle Mühe, kein Detail, keine Begegnung aus Joyces Leben auszulassen. Leider zerfasert das Buch angesichts dieses hohen Tempos stellenweise. Da wird Anekdote an Anekdote gereiht, werden neue Figuren vorgestellt, die dann ebenso unvermittelt wieder verschwinden. Zudem setzt der Comicautor auf viele Erklärtexte, um seine Geschichte voranzubringen, statt Bilder und Dialoge für sich sprechen zu lassen. Vielleicht wäre es hier besser gewesen, die Handlung zu straffen und dafür mehr Wert auf die Comic-Dramaturgie zu legen.

Immerhin: Der lockere Ton des Comics und die humorvollen Zeichnungen können dieses Manko zum Teil wieder wettmachen. So nimmt Zapico immer wieder Joyces überhebliche Art auf die Schippe oder stellt seinen äußerst trockenen Humor dar. "Ich schwöre, dass ich im Ganzen verdammten Roman nicht eine ernst zu nehmende Zeile geschrieben habe", zitiert er etwa Joyce aus einem Interview zu "Ulysses". Auch seine Saufgelage, seine Auseinandersetzungen mit Moralaposteln, seine Streits mit Ehefrau Nora und seine Marotten (es waren offenbar nicht wenige) sorgen für eine unterhaltsame Lektüre.

Deshalb ist der Band für Joyce-Neulinge ein gelungener Einstieg in Leben und Werk des Autors, weil er unheimlich viele Facetten aus Joyces Leben aufgreift. Er ist eine lesenswerte Biografie von einem der faszinierendsten Intellektuellen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Als Comic schöpft das Buch seine Möglichkeiten dagegen nicht ganz aus, dafür findet Zapico zu wenig wirklich einprägsame Bilder.

"James Joyce. Porträt eines Dubliners" bei Amazon bestellen.

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Quelle: ntv.de

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