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Mit Sid Schwartz von Jimi Hendrix zum Dalai Lama Rat eines Weitgereisten: "Habt Spaß!"

Ja, der Gedanke an Wiedergeburt hat oft etwas Tröstliches ...

Ja, der Gedanke an Wiedergeburt hat oft etwas Tröstliches ...

(Foto: Sid Schwartz)

"Wenn ich diese Reise nicht gemacht hätte, dann wäre ich nie der geworden, der ich bin", sagt Sid Schwartz. Der heute 70-Jährige hat vieles erlebt und einiges überlebt - und an seinen Erfahrungen lässt er die Leser nun großzügig teilhaben.

"Bleibe neugierig. Mach' deine Erfahrungen, und zwar so viele wie möglich! Ich kann nur jedem raten, die Welt zu bereisen und das zu entdecken, was noch nicht entdeckt wurde." Klingt nach einem sinnvollen Plan. Vor allem in Zeiten wie diesen, wenn das Verständnis für andere Menschen, andere Kulturen und andere Religionen so gefragt sind!

"Das Leben ist ein langer, ruhiger Fluss" heißt ein französischer Film aus dem Jahr 1988. Das stimmt an vielen Stellen - in manchen Leben geht es aber anders zu, nicht ganz so ruhig. Doch um ruhig und gelassen zu werden, nehmen einige von uns vieles in Kauf, so auch Sidney Schwartz: Ein jüdischer Junge aus Brooklyn auf dem Weg zur Erleuchtung in Richtung Indien - das kann eine Weile dauern. Jahre! So viel Zeit hat heute ja keiner mehr. Aber damals - "those were the days my friend, we thought they'd never end" - da konnte man Jimi Hendrix begegnen, dem einen oder anderen mafiösen Schläger, interessante alte Weggefährten mitnehmen, neue Freunde und viele Frauen kennenlernen und - ganz weit weg - seine verständnisvolle Mutter von einer anderen Seite schätzen lernen. Vor allem aber begeben wir uns mit dem Autoren, der lange in Berlin gelebt hat und nun in Los Angeles zu Hause ist, in eine Zeit, in der das Reisen noch ein Abenteuer war und man Informationen nicht ergoogelte, sondern im wahrsten Sinne des Wortes erlebte.

Make Love!

Wenn man sich in den Sechziger-, Siebzigerjahren auf den Weg aus den USA nach Europa oder Afrika machte, dann ist das nicht mit heute zu vergleichen: Ein langhaariger Hippie wurde an der Grenze zu Marokko geschoren; wenn ein Mann eine Frau gut fand, dann sagte er ihr das - egal, ob ihr Ehemann daneben stand - und wenn zwischendurch das Geld ausging, dann "beschaffte" man sich das Nötigste oder arbeitete dafür. Es war diese Zeit, in der eine gewisse Unschuld über der Welt schwebte: Der Zweite Weltkrieg war vorbei, die Menschen sortierten sich neu, sie mussten zur Armee oder verweigerten den Militärdienst, sie machten Karriere oder Liebe oder gaben sich bewusstseinserweiternden Drogen hin, sie waren entweder sehr neugierig oder sehr spießig - aber es war nie langweilig.  

Sid Schwartz mit seinem Kumpel Steven Fink.

Sid Schwartz mit seinem Kumpel Steven Fink.

(Foto: Sid Schwartz)

Was uns durchorganisierten Arbeitstieren von heute jedoch geblieben ist, ist die ewige Sehnsucht nach dem Fremden, der Ferne. Wir sind nirgends mehr so richtig weit weg, denn wir haben Handys, posten unsere Urlaubsfotos drei Sekunden nachdem wir sie gemacht haben auf Facebook und sind auf jeden Fall informiert, wo es die besten Bars, Hotels und Aussichtspunkte gibt. Unsere Kreditkarte ist unser bester Freund und eigentlich kann uns nichts passieren, denn wir könnten überall auf der Welt geortet werden. Das Mysterium des Reisens blitzt manchmal wieder auf, wenn wir in Länder fahren wie Pakistan und uns abseits der Straßen aufhalten. Wenn wir nachts unterwegs sind und in New York plötzlich feststellen, dass wir genau in der Gegend sind, die wir unbedingt meiden sollten, es aber ganz spannend finden. Die Reise beginnt aber erst wirklich, wenn wir mit dem Posten der Bilder aufhören würden, das Handy keinen Empfang hat, wir uns mindestens eine Woche ohne Mails gönnen und den Zettel wegwerfen, auf dem alle Tipps stehen, die uns andere gegeben haben. "Wenn du hier nichts warst, dann hast du das Land/die Stadt/den Strand eigentlich nicht kennengelernt", heißt es dann. Bullshit, jeder muss seine eigenen Erfahrungen machen.  

So wie Sid Schwartz. Er machte sich als junger Mann auf aus Chicago, wo er einen Job verließ, für den andere töten würden: Mit Bands wie The Cream, Crosby, Stills, Nash & Young, Vanilla Fudge, CSNY oder dem eingangs erwähnten Jimi Hendrix auf Tour zu gehen und "Head of the Rock 'n Roll Department" in einer Künstler-Agentur zu sein, davon träumten doch viele. Sids unaufgeregt Art verpasste ihm eine Art Welpenschutz: "Trial and Error" hieß das Prinzip, mit dem er sich seinen Beruf erarbeitete; und dennoch, auch wenn es eine großartige Zeit war - irgendwann wurde Schwartz unruhig und unzufrieden, das Business erfüllte ihn nicht mehr. Er suchte etwas, das er nicht genau definieren konnte, er musste weg. Er wusste zumindest, dass er "es" in Amerika nicht finden würde, so viel war ihm klar. Er suchte neue Horizonte und im wahrsten Sinne des Wortes Erleuchtung. Und wo konnte man die damals besser finden als in Indien?

Das Paradies gefunden

Sechs Jahre war er unterwegs, sein Trip führte ihn über Griechenland und die Türkei nach Marokko, in den Iran, bis nach Afghanistan. In "Flower Power"-VW-Bussen, alten Jeeps oder einem Mercedes Benz war er unterwegs, er wohnte auf Hausbooten, bei fremden Leuten, schlief unter freiem Himmel, hatte Hunger, Halluzinationen und wusste manchmal nicht mehr weiter. Er lernte Menschen kennen, die dasselbe Gefühl hatten, die auch auf der Suche waren, die ihrer Leere entkommen, die ihren Eltern und alten Rollenmodellen entfliehen wollten - Hauptsache anders leben als sie - oder denen die Politik in ihrem Land nicht gefiel. Er schwärmt noch heute von Kaschmir und er ist froh, dass er "damals" da war, wie er n-tv.de im Berliner "Soho House" erzählt - denn heute sind viele der Orte, die er bereist hat, entweder Touristen-Hotspots oder vom Terror zerstört. Das Paradies - für ihn war es Goa - beschreibt Sid Schwartz folgendermaßen, und es hat wahrscheinlich nicht mehr viel mit dem heutigen Goa zu tun: "Die Leute dort waren die freundlichsten Leute, die man sich vorstellen konnte. Die Leute lebten von uns Hippies und sie lächelten immer. Sie haben uns nie abgezockt, es waren wirklich die friedvollsten, ehrlichsten und glücklichsten Menschen, mit denen ich je Zeit verbringen durfte."

Sid Schwartz lebt in Los Angeles und liebt Berlin.

Sid Schwartz lebt in Los Angeles und liebt Berlin.

(Foto: Sid Schwartz)

Und obwohl dem Autor sein eigenes Land als junger Mann zu eng vorkam, zu eindimensional, und er Erfahrungen außerhalb seines Tellerrandes suchte: Er betont doch immer wieder, wie glücklich er sich schätzen kann, in den USA geboren zu sein. "Dafür muss man aber mal weg gewesen sein", lacht er. 1971 dann das Treffen mit dem Dalai Lama. Es sollte sein Leben verändern. Doch das lesen Sie lieber selbst.

Freiheit über alles!

Alles hatte sich verändert, als er wieder nach Hause in die USA kam. "Die ganze Art der westlichen Welt, wie sie dachte, lebte, liebte, war für mich auf den Kopf gestellt worden. Alles, was ich damals gelernt hatte, schien kaum noch eine Bedeutung für mich zu haben: Den ganzen Tag zu arbeiten, ein Haus zu bauen und einen Kredit aufzunehmen und ihn ein halbes Leben lang abzubezahlen - all das war nicht mehr meins."Für ihn stellte dieses Leben eine Art moderner Sklaverei dar. "Die Dinge, die die Regierung von sich gab, ein Witz, Betrug", echauffiert er sich noch heute, "es diente einzig und allein ihren eigenen Interessen, nicht denen des Bürgers. Mich von diesen Zwängen zu befreien, war das Beste und das Wichtigste, was mir damals passieren konnte. Und ich war bereit, jedes Opfer für diese Art von Freiheit zu bringen." Er lacht. Er ist zufrieden. Er hat genau dieselben Probleme wie andere Menschen - aber geht mittlerweile anders damit um. "Aufmerksamer durchs Leben zu gehen, macht uns zu besseren Menschen. Und je aufmerksamer man wird, desto besser kann man anderen Menschen helfen. Und sich selbst (lacht)." Ja, so war das, damals, als die Welt sich noch langsamer drehte.

Seinen Söhnen würde er es gönnen, eine solche Reise zu machen, aber "die Welt, wie sie damals war, existiert so nicht mehr. Ich habe immer versucht, den 'Hippie in mir' am Leben zu erhalten, durch Meditation, Yoga, und ich glaube auch ein bisschen daran, dass ich das seit meiner Geburt in mir habe. Ich hatte immer das Gefühl, schon als kleiner Junge, dass etwas mit dem normalen "System" nicht stimmt, jedenfalls nicht für mich." Kurz überlegt er, dann sagt er: "Vielleicht habe ich diese Art aber auch aus einem früheren Leben mitgebracht. Ich hatte so einen Moment auf einer Straße in Afghanistan, ich lächelte nur und fühlte, dass ich dort schon mal gewesen war. So ein Gefühl hatte ich nie vorher und auch danach nicht mehr. (zögert) Der Gedanke an Wiedergeburt hat ja auch was Tröstliches."

Umarmt andere!

Das Wichtigste für Sid Schwartz sollte aber die Erkenntnis sein, dass alles, was das Leben der meisten Menschen bestimmt, ihnen von außen aufgezwängt wird. Von Eltern, Lehrern, Vorgesetzten. Wer es nicht schafft, diese Projektionen zu erfüllen, fühlt sich oft schlecht. "Das kann es nicht sein", findet Schwartz, "das Einzige, was zählt, ist das, was eigene Erfahrungen, Wünsche und Vorstellungen sind. Wenn ich diese Reise nicht gemacht hätte, dann hätte ich die Freiheit - und ich meine vor allem die Freiheit des Geistes - nie so erleben können."

Schwartz weiß, dass Geld und ein gewisser Wohlstand wichtig sind, um diesen bestimmten Grad von Freiheit überhaupt spüren zu können - aber sich von der Jagd nach Geld, Macht, Aufmerksamkeit versklaven zu lassen, das ist der falsche Weg: "Lest! Lesen öffnet die Menschen und verändert die Art, wie sie Dinge und andere Menschen und Kulturen betrachten. Umarmt andere und vor allem: Habt Spaß, Leute!! Das Leben ist die Summe eurer Erfahrungen, die kann euch keiner verschaffen und niemand wegnehmen!"

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Quelle: ntv.de

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