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Berlin, Neapel, zwei Männer, eine Frau Von Liebe und Freundschaft

Urban Lifestyle der 90er Jahre, als man in Berlin noch von Freundschaft, Liebe und Musik leben konnte.

Urban Lifestyle der 90er Jahre, als man in Berlin noch von Freundschaft, Liebe und Musik leben konnte.

Verlassen von seiner Frau kann sich Jazzpianist Tom Holler nicht zur Italien-Konzerttour aufraffen. Aber dort könnte er Betty wiedertreffen. Und vielleicht verstehen, warum sie ihn seinen besten Freund kosten musste. Ein Roman über Liebe und Leben im Berlin der 90er Jahre von marinafon-Sängerin Monika Zeiner.

Tom Holler hat noch nie in seinem Leben eine nennenswerte Entscheidung getroffen. Weder für das Klavierspiel, noch für den Umzug ins kohlendunkle Berlin, noch dafür Hedda zu heiraten oder als Jazzpianist Erfolg zu haben. Nun ist seine Ehe am Ende und seine Liebe zur Musik sogar noch länger tot. Das Klavierspiel ist nur noch etwas, was er zufällig gut beherrscht, ohne darüber nachdenken zu müssen.

Er könnte ewig so weitermachen mit seinem einsam gewordenen Leben. Oder das Glas mit dem mittlerweile milchig gewordenen Inhalt trinken, das vor ihm auf seinem, oder besser gesagt, Marcs altem Flügel steht. Die Wohnung ist - bis auf das Bad - bereits ein letztes Mal geputzt, der Abschiedsbrief steckt in Heddas neuem Briefkasten. Doch bevor sich Tom Holler durchringen kann, nimmt ihm das Klingeln des Telefons die Entscheidung ab. Auf dem Anrufbeantworter die Stimme von Betty Morgenthal, die er einst gekannt und geliebt hat. Die Freundin des besten Freundes, den er je hatte. Mit Marc und Betty erlebte er die schönste Zeit seines Lebens. Und die schrecklichste, als eine Tragödie die drei trennt. Soll er sich nun, nach all den Jahren, noch einmal mit Betty treffen?

Freundschaft oder Liebe?

"Die Ordnung der Sterne über Como" erzählt eine klassische Dreiecksgeschichte, die im Sehnsuchts-Berlin der Gentrifizierungsgegner, im Prenzlauer Berg der 90er Jahre, beginnt. Und in Neapel, dem alten Sehnsuchtsort der Deutschen, endet.

Der Name Monika Zeiner ist echt - "leider!" Aber Mona Stinelli singt für marinafon melancholische Canzoni.

Der Name Monika Zeiner ist echt - "leider!" Aber Mona Stinelli singt für marinafon melancholische Canzoni.

(Foto: Milena Schlösser)

Den engen Elternhäusern entflohen, finden Tom und Marc im Musikstudium und in ihrer engen Freundschaft die Erfüllung. Die junge Sängerin Betty Morgenthal scheint das Trio komplett zu machen, umso mehr, als Tom, der Betty zuerst kennenlernt, gerade in eine komplizierte Affäre mit einer reichen, gelangweilten Klavierschülerin verstrickt ist. Wie könnte er also etwas dagegen haben, dass Marc und Betty zusammen sind? Doch als er sich eingestehen muss, sich doch in Betty verliebt zu haben, ist das Ende der Idylle nahe.

In ihrem ersten Roman erzählt Monika Zeiner von Freundschaft und Liebe. Doch was davon ist eigentlich wichtiger? Welche Beziehung ist die stärkere? Die Verliebtheit zwischen Tom und Betty oder nicht doch die Freundschaft zwischen Tom und Marc? "Das ist eine gute Frage", antwortet Monika Zeiner via Mail. "Es war mir wichtig, neben der Liebe die Geschichte einer nahezu idealen Freundschaft im Sinn einer Seelenverwandtschaft zu erzählen. Betty, als dritte im Bunde, hat es da sehr schwer. Obwohl sie von beiden geliebt wird, hat sie doch das Gefühl, ein Eindringling zu sein, dieses Freundschaftsideal zu zerstören, was sie ja letztlich auch tut."

Diese enge Männerfreundschaft sei die Voraussetzung für die Liebesgeschichte, wie sie sie schreiben wollte, gewesen, so Zeiner. "Mich hat die Frage fasziniert, wie sich eine Liebe entwickelt, die unerfüllt bleiben muss und sich gewissermaßen nur in der Imagination, im Kopf des Liebenden abspielt, so wie es in Antike und Mittelalter, ja eigentlich bis ins 18. Jahrhundert üblich war", so die Autorin, die laut ihrer fein-ironischen Kurzbiographie zur Freude ihrer Eltern mit einer Arbeit über die Liebesmelancholie im Mittelalter promovierte. "Im Fall meiner Dreiecksgeschichte ist es aber keine Standeszugehörigkeit, sondern die Freundschaft, die Loyalität Marc gegenüber, die diese Liebe uneinlösbar macht."

Ungewöhnlich ist die Perspektive, aus der Zeiner in ihrem ersten Roman erzählt. "Als Frau aus dem Blickwinkel eines Mannes, also Toms, zu schreiben, war ein Wagnis", bestätigt sie. Das scheint Zeiner aber erst hinterher aufgefallen zu sein: "Tom war mir beim Schreiben immer so nahe, dass ich mir diese Frage überhaupt nicht gestellt habe." Erst als sie ein - glücklicherweise sehr positives Feedback – von ihren beiden männlichen Lektoren bekommen habe, habe sie darüber nachgedacht.

Neben Tom hat es ihr von ihren Romanfiguren besonders der kauzige, zutiefst einsame Professor Breitenbach, der theoretisch alles, praktisch aber nichts über die Liebe weiß, angetan. "Und auch die melancholisch entrückte Managergattin Anne Hermanns, Toms Klavierschülerin und Geliebte, die einer meiner Lektoren gern "die olle Trine" nannte, mag ich sehr", so Zeiner. Allerdings glaube sie, dass man alle seine Figuren lieben müsse, wenn man schreibe.

Doch nicht nur die Liebe zu ihren Figuren merkt man Monika Zeiner an, sondern auch die Liebe zur Musik. Zeiner, die unter den Namen Mona Stinelli als Sängerin und Texterin der Band "marinafon" auftritt, lässt ihre Figuren ganz für die Musik leben, sie machen Neue Musik, wollen den Jazz voran- und wegtreiben von den von ihnen belächelten Standards, mit denen Tom Holler aber letzten Endes sein Geld verdienen wird.

Neapel, Swing und Tüll

Mit ihrem Erstlingsroman gewann Zeiner den Debüt-Preis des Literaturfestivals lit COLOGNE, den sogenannten Silberschweinpreis.

Mit ihrem Erstlingsroman gewann Zeiner den Debüt-Preis des Literaturfestivals lit COLOGNE, den sogenannten Silberschweinpreis.

Was würden die ambitionierten Musiker Marc und Tom von der Italo-Swing-Band von Mona Stinelli halten? "Sie würden sagen: Schnulzenmusik, aber so schön!", meint Zeiner, deren Künstlername eine Hommage an ihre ehemalige Vermieterin zu Studentenzeiten in Neapel, Signora Stinelli, ist.

"Signora Stinelli war eine ältere Dame, in deren Haus ich die Schallplatten mit den melancholischen Canzoni und die Liebe zur neapolitanischen Musik entdeckte. Frau Stinelli hatte ein Faible für Madonnen- und Heiligenbilder und einen vollgestopften Schrank mit Federboas, 20er Jahre-Kleidern, grotesken Tüllhüten, mit denen wir, anstatt zu studieren, durchgedrehte Motto-Partys veranstalteten."

Auch wenn der Buchtitel "Die Ordnung der Sterne über Como" ähnlich romantisch wirkt, zeichnet Monika Zeiner in ihrem Buch einen anderen Lebensstil, ihre Figuren atmen den Berliner Lifestyle der 90er Jahre. Doch gibt es Berührungspunkte, wenn ihre Romanfiguren etwa die Lieder spielen, die auch marinafon in ihrem Repertoire haben, wie das sentimentale "Love in Portofino".

Wie es zu dem schönen, aber auch seltsam sperrigen Buchtitel kam? "Das Buch hatte ganz lange den Arbeitstitel "Silvaplana", aber ich war nie wirklich zufrieden damit. Im Verlag haben wir zusammen überlegt und ich habe einige Vorschläge gemacht, die postwendend abgelehnt wurden, bis mir "Die Ordnung der Sterne" einfiel und dann war da plötzlich noch diese Ortsbestimmung, diese etwas absurde und komische Volte: 'über Como'."

Verschwenderische Poesie

Mit ihrem Erstlingswerk ist Monika Zeiner ein poetischer Roman über Freundschaft gelungen, der lange nachhallt. Einzig die mit, unbestreitbar wunderschönen, Metaphern überladene Sprache bremst vor allem in den ersten Kapiteln des 600 Seiten starken Romans den Lesefluss. So stark, dass man der 1971 geborenen Autorin zurufen möchte, sie möge doch bitte nicht alle virtuosen Wortspiele schon im ersten Roman verbrauchen.

Denn das Multitalent, das laut Eigendarstellung auch schon als "Flugzeugsitzdarstellerin" gearbeitet hat ("Man fährt mit der U-Bahn zum ICC/ Messegelände, läuft zum Stand der freundlichen Fluglinie, lässt sich das Flugzeugsitzkostüm aushändigen, einen mannshohen Kasten mit Guckloch in der Form eines Flugzeugsitzes, quält sich hinein, läuft dann den Rest des Tages schwitzend darin herum und erklärt Leuten, dass die Airline ihres Vertrauens ab sofort mehr Komfort und Beinfreiheit bietet."), will weiterschreiben. "Der nächste Roman wird sehr wahrscheinlich ein Familienroman, der auf verschiedenen Zeitebenen spielt und bis in die 20er Jahre zurückreicht", verrät Zeiner. Darauf kann man sich freuen.

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Quelle: ntv.de

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