Des Kaisers Liebling Erfrischung nach der Schlacht
20.06.2015, 07:37 Uhr
Aus so einer zarten Blüte wird eine dicke Gurke.
(Foto: imago stock&people)
Man muss nicht gleich süchtig danach sein wie Kaiser Tiberius im alten Rom. Doch auch heutzutage hat die biedere Gurke Besseres verdient, als bloß im Salat vor sich hin zu dümpeln. Im Glas macht sie nicht nur eingelegt einen guten Eindruck.
Zugegeben, ich halte Gurken für etwas langweilig, bin aber selbst schuld daran, wenn ich aus den grünen Dingern nur Salat mache wie ihn Oma schon kannte oder sie bestenfalls in den Schopska-Salat schnipsele. Gurken sind nämlich ziemlich vielseitig: Sie werden roh oder gekocht verzehrt, passen in Salate, Suppen und Dips, in Aufläufe und Schmorgerichte, werden püriert oder auch mal als Scheiben aufs Gesicht gelegt. Ganz trendy finden sich Gurken auch im Smoothie oder im Gin-Glasglas wieder. Aus Hamburg war dieser Tage zu hören, dass dort die biedere Gurke dabei ist, die Szene aufzumischen - als Gurken-Limo und als Gurken-Milchshake. Im vergangenen Jahr kam schon ein Gurkeneis in die Waffel. Langweilig ist das wahrlich nicht!

Warum nicht - wenn's schee macht? Gurken zählen unter den Gemüsesorten als Schönmacher.
(Foto: imago stock&people)
Im Gegensatz zu mir standen die Römer voll auf Gurke. Die wohl aus Indien stammende Wildform der Gurke, wo sie Bauern schon vor 3500 Jahren kultivierten, befand sich zu Zeiten des antiken Griechenlands und Roms längst auf ihrem Siegeszug rund um die Welt. Es ist schwierig einzuschätzen, seit wann die Gurke als Gemüse bekannt ist, weil in alten Quellen die Früchte der gesamten Pflanzenfamilie "Kürbisgewächse", also auch Kürbisse und Melonen, als "Gurken" bezeichnet wurden. Die Griechen aßen die als wenig nahrhaft geschätzte Gurke säuerlich gedämpft und mit Kräutern gewürzt. Bei den Römern erlangte die grüne Frucht eine derartige Beliebtheit, dass Gärten und Gärtnereien angelegt wurden, in denen Gurken gezüchtet wurde. Aus dieser Zeit stammt auch so etwas wie das welterste Treibhaus: Kaiser Tiberius (42 v. Chr. - 37 n. Chr.) war offenbar gurkensüchtig und ließ sich täglich das Gemüse auftischen. Um den Bedarf zu decken, kamen die Palastgärtner auf eine gute Idee. Sie züchteten die Gurken auf fahrbaren Treibkästen, die sie tagsüber in die Sonne und nachts und bei schlechtem Wetter hinter Glaswände fuhren - die Geburtsstunde des Gewächshauses! Der tyrannische und für seine Ausschweifungen berüchtigte Kaiser wollte nicht einmal auf seinen Feldzügen gurkenlos das Schwert schwingen. Damit er nach diversen Metzeleien auch noch unschuldige Gurken massakrieren konnte, wurden stets kleine fahrbare Gemüsebeete unter Glas mitgeführt. Der Rest der römischen Bevölkerung allerdings kam nicht in den Genuss der kaiserlichen Gurkerei, da gab es bis zur neuen Ernte konservierte Gurken. Sie wurden in Sand, Heu oder Salzwasser gelegt, wo sie sich über den Winter hielten.
Längst sind Gurken das ganze Jahr über frisch (oder auch eingelegt) zu haben. Die meisten Salatgurken kommen - dank Tiberius‘ Gärtnern - aus dem Gewächshaus. Etwa ab Mitte Juni sind auch hiesige Freilandgurken im Handel. Das dauert bis September. Und wenn man sie von regionalen Erzeugern kauft, haben sie außerdem keinen langen Transport hinter sich. Diese Salatgurken vom Acker werden zumeist als "Landgurken" vermarktet. Sie unterscheiden sich deutlich von der Gewächshausgurke: Die edle "Schlange" ist lang, dünn und glattschalig, die Freilandgurke dagegen dick und rauschalig, schmeckt aber würziger als die vornehme Verwandtschaft. Einlegegurken werden ebenfalls im Freien angebaut, man bekommt sie frisch vor allem zwischen Mitte August und September. Sie sind das Ausgangsprodukt für all die sauer eingelegten Gürkchen.
Gurken reagieren "verbittert"
Gurken gehören zu den wenigen Früchten, die wir unreif essen. Zumindest bei der Gurke stimmt: Viel hilft viel! Kleingärtner wissen, wer öfter erntet, erntet auch mehr, und bringen am liebsten viele kleine und knackige Gurken auf den Tisch. Lässt man nämlich die Gurken größer werden, setzen die Pflanzen keine neuen Früchte mehr an. Auch werden die Früchte relativ schnell dick und sind dann weder als Einleger noch als Salatgurke zu nutzen. Und dann gibt es noch die Schälgurke, die einzige Sorte, die reif geerntet wird. Auch sie werden manchmal als Landgurken bezeichnet. Sie sind dick und gelblich, aus ihnen werden Senfgurken und die aromatischen Schmorgurken gemacht. Wegen des längeren Reifeprozesses werden sie in der Regel erst Anfang September geerntet. Auch wenn die heutigen Gurkenzüchtungen kaum noch Bitterstoffe produzieren, kann es passieren, dass manch knackige Gurke vom Acker oder auch aus dem eigenen Schrebergarten bitter schmeckt. Viele Faktoren sind daran schuld: zu kaltes und zu nasses Wetter, große Hitze und zu wenig Wasser, der Boden oder falsche Düngung. Denn Gurken sind wahre Sensibelchen, sie reagieren gerne mal "verbittert". Die bittere Gefahr lauert zumeist am Stielansatz, denn bei jeder Gurke ist der Stiel bitter. Selbst als Erwachsene hielt ich mich immer an den weisen Ratschlag von Oma: Die Gurke nie vom Stiel her schälen, sondern immer vom Blütenansatz, weil man sonst das Bittere über die ganze Gurke verteilt. Heute weiß ich: Oma hatte nicht immer recht! Die sogenannten Cucurbitacine lassen sich nicht verschmieren. Sicher ist es, man kostet an dem verdächtigen Ende und schält dann großzügig gegen die Bitternis an. Ist eine Kostprobe vom Blütenende allerdings auch bitter - dann ist es leider die ganze Gurke und der Salat fällt aus. Denn mit einer einzigen bitteren Gurke kann man das ganze Gericht verderben.
Apropos schälen: Da streiten sich die Experten. Denn wie so oft sitzt auch bei der Gurke das meiste der gesunden Inhaltsstoffe dicht unter und in der Schale. Leider aber gegebenenfalls auch Rückstände von Pflanzenschutzmitteln, zumindest bei der Supermarkt-Ware. Da hilft nur, zu Produkten aus biologischem Anbau zu greifen, wo teilweise oder ganz auf den Einsatz von Herbiziden verzichtet wird. Bei Bio-Gurken genügt dann, sie abzuwaschen. Menschen mit empfindlichem Verdauungstrakt allerdings sollten Gurken generell schälen, dann ist sie bekömmlicher, denn überraschenderweise liegt rohe Gurken lange im Magen.
Gurken haben von allen Gemüsesorten den höchsten Wassergehalt, nämlich 97 Prozent. Deshalb schmecken sie sehr frisch, sind vor allem im Sommer beliebt und können auch schon mal als Durstlöscher herhalten. Obwohl so "wässrig", besitzen sie infolge ihres günstigen Mineralstoffverhältnisses eine beachtliche gesundheitsfördernde Wirkung. Deshalb - und nicht nur wegen ihres frischen Wohlgeschmacks - verwendeten Menschen schon vor Jahrhunderten Gurken, denn das grüne Gemüse löst Verstopfungen, lindert Nieren- und Blasenbeschwerden ebenso wie Schmerzen bei Rheuma und Gicht, es schwemmt Giftstoffe aus dem Darm, stärkt das Immunsystem und glättet die Haut. Heute wissen wir warum: Gurken enthalten die Vitamine A, B, C, E und K sowie Mineralien wie Calcium, Kalium, Zink, Eisen und Magnesium. Der Körper kann die wertvollen Inhaltsstoffe schnell aufnehmen, weil sie bereits in der reichlich vorhandenen Gurkenflüssigkeit gelöst sind. Und selbstverständlich ist die Gurke die beste Freundin aller Figurbewussten, denn ihr Energiehaushalt beträgt nur 12 kcal/100 Gramm.
In Deutschland werden jährlich rund 250.000 Tonnen Gurken auf Feldern und in Gewächshäusern produziert. Zu wenig, denn etwa 500.000 Tonnen importieren wir pro Jahr von unseren EU-Nachbarn. Eines der bekanntesten Gurken-Anbaugebiete ist der Spreewald im Land Brandenburg, wo auf knapp 700 Hektar jährlich etwa 40.000 Tonnen Salat- und Einlegegurken gedeihen. Im Spreewald kommt kein Besucher an der Gurke vorbei; die berühmten eingelegten sind als "Spreewälder Gurken" seit 1999 ein EU-weit geschützter Begriff: Wo "Spreewälder Gurken" drauf steht, muss auch Spreewald drin sein - Gurken, Rezepturen und der überwiegende Teil der Zutaten kommen aus der Region. Im Gurkenmuseum in Lehde lernen die Besucher die Geschichte der Gurke und die Spreewälder Traditionen der Verarbeitung kennen, Gratisverkostungen inklusive. Radler durchkurven auf dem 260 Kilometer langen "Gurkenradweg" das Biospährenreservat Spreewald. In dieser einzigartigen Region Deutschlands sind Gurkenanbau und -säuerung seit dem 8. Jahrhundert bekannt; Slawen kamen am Ende der Völkerwanderung von Süden und Südosten in die heutige Niederlausitz und brachten sowohl die Gurke als auch die wichtigsten Kulturpflanzen für die Zubereitung aus ihrer Heimat mit. Frühgeschichtliche Samenfunde auf dem slawischen Siedlungsplatz Tornow bestätigen das. In anderen deutschen Gegenden ist es Karl dem Großen zu verdanken, der Gurken anbauen ließ und so im Süden und Westen die Gurkenkultur einführte. Das Säuerungsverfahren allerdings kannte man zunächst nur dort, wo die slawische Bevölkerung ansässig war. Erst im 17. Jahrhundert wuchsen Gurken in fast allen Gemüsebeeten. Der deutsche Name Gurke ist seit dem 16. Jahrhundert belegt. Er kommt aus dem Mittelgriechischen, wo "aguros" neben "unreif" auch "grün" bedeutete.
Perfekt unreif sind Salatgurken, wenn Sie beim Einkauf darauf achten, dass die Gurke in der Mitte fest und an beiden Enden etwas weicher ist (aber nicht weich!), dann hat sie den optimalen Wasserhaushalt. Ob Sie dann die Gurke zu einem klassischen Salat oder zu einem kalten Süppchen verarbeiten, die schlanke Schlange mit saurer Sahne doch ein wenig kalorienreicher machen oder sie wie im Ursprungsland Indien in Chutneys oder Currys tun, ganz royal ein britisches Gurkensandwich oder die Gurke französisch mit gesalzener Schlagsahne genießen - das bleibt Ihrem Geschmack überlassen. Mit einer chinesischen Gurken-Zubereitungsart können Sie die nächste Grillparty exotisch aufpeppen.
Chinesische scharfe Gurken
2 mittelgroße Salatgurken
2 frische rote Chilischoten
2 Knoblauchzehen
2 cm Ingwerwurzel
2 EL helle Sojasauce
2 TL Salz
2 EL Sesamöl
1 EL Honig
1 EL schwarze Sesamkörner
1 EL fein gehackter Koriander
Zubereitung:
Die Gurken schälen, längs halbieren und mit einem Teelöffel die Kerne herauskratzen. Die Gurken in 1 cm dicke Scheiben schneiden und auf einen großen Teller legen. Mit dem Salz bestreuen und 20 Minuten stehen lassen. Das zieht überschüssiges Wasser aus den Gurken und macht das Fleisch weicher. Dann gut unter fließend kaltem Wasser abspülen, sehr gut abtropfen lassen und zum Schluss noch mit Küchenpapier trockentupfen.
Von den Chilischoten nur die Stielansätze entfernen und die Schoten mit den Kernen fein hacken. (Wem das zu scharf ist, entkernt die Chilis.) Die geschälten Knoblauchzehen ebenfalls fein hacken. Den Ingwer schälen und raspeln.
In einem Wok oder einer Stielpfanne das Öl erhitzen und Chili, Ingwer und Knoblauch 30 Sekunden unter Rühren anbraten. Die Gurken, den Honig und die Sesamsauce zugeben und weitere 30 Sekunden pfannenrühren. 100 ml Wasser zugeben und bei starker Hitze kochen, bis das Wasser fest verdampft ist. Vom Feuer nehmen, alles in eine Schüssel füllen und den Salat etwas abkühlen lassen. Vor dem Servieren den gehackten Koriander unterrühren und die Sesamkörner darüber streuen und evtl. den Salat zusätzlich mit 1 TL Sesamöl beträufeln. Am besten schmecken die Gurkenscheiben lauwarm.
Leider wird bei dieser Zubereitungsart der Gurke das Gros an gesunden Inhaltsstoffen entzogen. Schmecken tut’s trotzdem! Und sollten die Augen vom Grillfeuer oder zu viel Sonne brennen - Gurkenscheiben helfen auch dagegen: 10 Minuten auf die geschlossenen Augenlider legen und die anderen weitergrillen lassen.
Viel Spaß wünscht Ihnen Heidi Driesner.
Quelle: ntv.de