Männer, Frauen, Marmelade Humor ist, wenn Mann trotzdem lacht
27.09.2014, 08:03 Uhr
Von Algen bis Hanf: Hans-Uwe Glashoff kreiert ungewöhnliche Marmeladen.
Es gibt Dinge im menschlichen Paarverhalten, die machen richtig Spaß. Geschirrspülen gehört weniger dazu, obwohl es in kleinen, engen Küchen dabei ganz schön knistern kann. Was aber geschieht beim Marmeladekochen? Ist Mann da noch männlich?
Nun hat der Sturm im Wasserglas, richtiger gesagt im Marmeladenglas, auch mich erreicht. Elisabeth Raether von der "Zeit" hat in den letzten Augusttagen dieses Jahres ungewollt und unbewusst etwas losgetreten, das einen in Zeiten von IS, Krisen und Kriegen nur sprachlos und irritiert zurücklässt. Ein regelrechter Jam-Storm ist Gottlob ausgeblieben, doch ließ ihr kleiner und harmloser Beitrag übers Marmeladekochen nebst einem leckeren Rezept von Véronique Witzigmann den Volkszorn überschäumen wie Marmelade auf zu großem Feuer. Hatte sie doch sträflicherweise behauptet, dass Männer keine Marmelade kochen! Jedenfalls kennt die Journalistin kein Exemplar dieser Spezies. Das sei ihr verflixt nochmal verziehen, denn damit steht sie schließlich nicht alleine da. Auch in meinem Bekannten- und Freundeskreis gibt es keine marmeladekochenden Männer, nur einen strickenden und häkelnden. Das ist ebenfalls eine ziemlich nützliche Tätigkeit, zumal sich der Gute mit Wolle und 'ner Flasche Pils für eine ganze Weile ruhig stellen lässt, währenddessen seine Gattin den Haushalt schmeißt, das Fahrrad repariert und den Müll entsorgt.
Und dabei ist Marmeladeeinkochen nach Raethers Dafürhalten noch leichter als Geschirrspülen, was frau erst recht die Frage stellen lässt, warum sich das starke Geschlecht dieser läppischen Rührerei am Herd so entzieht, zu großen Teilen jedenfalls. Weil das unmännlich ist? Es gibt lebende Beweise, dass dem nicht so ist.

Ob das was wird? Aber immerhin publikumswirksam, wie der Minister da so rührt.
(Foto: picture alliance / dpa)
Mit dem verschämten Bekenntnis über das Nichtvorhandensein eines Mannes mit profunden Marmeladenkenntnissen in ihrem Dunstkreis provozierte Frau Raether einen Aufschrei Marmelade kochender und vermutlich humorloser Staatsanwälte, Bundeswehroffiziere, Tischler und Chefärzte. Etwa 200 Marmeladenmänner haben sich entrüstet geoutet, einige sogar die handfesten, eingeweckten Beweisstücke ihrer rührenden Tätigkeit eingeschickt, die nun als süße Mahnung Frau Raethers Schreibtisch zieren. Sie kann jetzt eine Weile von Himbeere, Stachelbeere oder Johannesbeere mit Ingwer zehren. Da kommt schon ein bisschen Neid auf.
Mann kann gar nicht zuhören?
Das mit den Verallgemeinerungen ist so eine Sache; im Falle von Elisabeth Raether fiel sie der Verfasserin unsanft auf die Füße. Das Klischee von den Männern, die einfach nicht zuhören, und den Frauen, die partout nicht anständig einparken, sowie andere "Unterschiede", die "der Natur entsprechend" von Geburt an in den Gehirnen angetackert sind, halten sich hartnäckig.
Ob einer zuhört oder nicht, ist aber keine Frage des Könnens, sondern des Wollens. Denn hören (ohne zu) können Männer sogar besser als Frauen, wie Tübinger Wissenschaftler herausgefunden haben. Männer können ein bestimmtes Geräusch inmitten vieler besser lokalisieren als Frauen. Eine mögliche Ursache dieses "Cocktailpartyphänomen" liegt in der Evolution: Für jagende Männer waren räumliche Aufmerksamkeitsleistungen extrem wichtig, um Beutetiere durch Geräusche zu lokalisieren. Das soll ja nicht mehr so der Fall sein, hat aber Spuren in der Organisation des Gehirns und damit im Verhalten hinterlassen und ist heutzutage beim akustischen Verstehen des Gesprächspartners auf einer lärmenden Party durchaus von Vorteil.
Ist das sprechende Gegenüber allerdings weiblich, sieht sich der männliche Partygast trotz seines guten Hörens und obwohl die Dame blond und langbeinig ist, großen Anforderungen ausgesetzt, meinen jedenfalls britische Wissenschaftler. Sie haben entdeckt, dass das Gehirn von Männern Probleme beim Verstehen weiblicher Stimmen hat. Meine Damen, jetzt wissen Sie, warum Ihr Gatte seinen Bierkumpel und die Kegelbrüder besser versteht als seine bessere Hälfte. Und es kommt noch dicker! Schuld daran sind natürlich wieder mal die Frauen selbst. Unsere höheren und musikalischeren (!) Stimmen senden eine größere Bandbreite akustischer Wellen aus, für die die Männer-Gehirne einfach nicht geschaffen sind. Die süßen Stimmen der holden Weiblichkeit seien schwerer zu entziffern als männliche Stimmlagen, meinen die Wissenschaftler der Universität Sheffield; das erfordere eine stärkere Hirnaktivität und damit Konzentration. Nach einer gewissen Zeit führt diese Wahnsinnsanstrengung zur Ermüdung - Aus die Maus! Nun wissen Sie, warum Ihr Mann ständig einschläft, während Sie auf ihn einreden: Er ist einfach überfordert.
Also doch das Gehirn und keiner kann was für seine Gene, Hirnareale und Hormone? So richtig superschlau, was sich in weiblichen und männlichen Köpfen abspielt, ist bis jetzt wohl noch kein Wissenschaftler geworden. Die angeblich naturgegebenen Unterschiede zwischen Mann und Frau sollen nämlich gar nicht so eindeutig sein. Biopsychologen halten die Unterschiede innerhalb der Geschlechter für gravierender als die zwischen den Geschlechtern. "Angeboren" seien nur wenige unveränderliche Unterschiede, alles andere entwickle sich im Laufe des Lebens; Umwelt und Veranlagungen tragen ihren Teil zu unterschiedlichen Verhaltensmustern und Fähigkeiten von Mann und Frau bei. Nicht auszurottende Vorurteile sind es, die Frauen dazu bringen zu denken, sie könnten nicht einparken oder dass sie lieber Krankschwester als Physikerin werden (Bundeskanzlerinnen ausgenommen). Und dass Marmeladerühren keine männliche Tätigkeit sei. Ich kann mir gut vorstellen, mit welchen Ressentiments weibliche Schornsteinfeger-Lehrlinge zu kämpfen haben. Doch immerhin sind inzwischen zehn Prozent der "schwarzen Männer" Frauen. Die Wirklichkeit ist also anders als der feste Glaube an die fundamentale Verschiedenheit von Männern und Frauen.
Wilde Rührereien aus Nordfriesland
Umfragen zufolge besitzen Frauen mehr als doppelt so viele Schuhe wie Männer im Schrank haben. Ich vermutlich auch, dennoch gehe ich lieber in die Pilze als Schuhe kaufen. Offenbar sollte ich an meinen Gefühlen arbeiten, denn Psychologen zufolge resultiert der weibliche Schuhtick daraus, dass sich Frauen mit den Schuhen Gefühlswelten und Träume kaufen. Scheidung oder Ärger mit dem Chef? Rein in den Schuhladen, dann zum Friseur. Männer glätten laut psychologischen Erkenntnissen ihre verletzten Gefühle im Baumarkt oder beim Sport. Muss ich jetzt meinen Hormonstatus überprüfen lassen, nur weil ich mir lieber einen Akkuschrauber als einen Douglas-Gutschein schenken lasse?
Stoßstangenkontakt beim Einparken? Ich parke gut und sicher ein, allerdings nicht, wenn drei Bauarbeiter grinsend am Straßenrand stehen (mein Denkapparat hat eben auch ein paar Druckstellen). Ich koche sehr gern, aber nicht alles, und hacke daher lieber Holz anstatt Marmelade zu rühren. Wahrscheinlich alles Erziehungsfehler, aber ich kann gut damit leben, auch als Frau. Zum Glück darf hierzulande jeder selbst entscheiden, ob gerührt wird oder nicht - egal ob Männlein oder Weiblein.
Im Gegensatz zu Frau Raether habe ich keine Marmelade kochenden Männer verärgert (noch nicht), habe aber trotzdem Marmelade von Männern geschenkt bekommen. Der eine rührt selbst und der andere lässt vermutlich rühren. Bernhard von Oberg aus Dithmarschen hat mir vor ein paar Tagen ein Marmeladen-Päckchen geschickt. Er hatte die ganze Sache eingerührt; nicht die Marmelade, die stammt von Hans-Uwe Glashoff. Der Stedesander Glashoff hat 2003 seine Marmeladen Manufaktur eröffnet und erfindet seitdem ständig neue Kreationen. 80 Sorten hat er mittlerweile im Programm. Nichts ist vor dem Erfinder in seiner Hexenküche sicher, selbst Knoblauch und Kohl, Dahlien und Hanfsamen finden sich in seinen Gläsern wieder. 2009 kam der Durchbruch beim Marmeladen-Casting in Berlin. Dort sitzen professionelle Marmeladiers, Bäcker- und Konditormeister und testen Marmeladen aus ganz Deutschland. Mit einer Gojibeeren-Kreation holte Glashoff Silber. Später kam Gold für eine schlichte Erdbeermarmelade hinzu und Bronze für Apfel-Kartoffel. In wenigen Tagen ist es wieder soweit, da wird Glashoff beim diesjährigen Casting in Berlin seine neuesten wilden Überraschungen vorstellen.
Nicht immer ist alles beim Kunden so richtig gefragt. Exotisch darf der Brotaufstrich schon sein, vor allem aber sollte er süß sein, denn mit herzhaften Kreationen ist Glashoff schon auf die Nase gefallen: Spargel-Schinken wurde nie ein Dauerbrenner. Seine Idee aber, Buchstaben aus Namen in eine Marmeladenzutat zu verwandeln, ist witzig und kommt gut an. So hat zum Beispiel das "Biggest Heavy Metal Open Air in the world" in Wacken eine eigene Komposition aus Waldfrucht, Apfel, Chili, Kopfverdreher (Rum), Erdbeeren und Nanaminze bekommen.
Dank Hans-Uwe Grashoff und Bernhard von Oberg hat nun auch n-tv eine eigene Marmelade, bestehend aus Nanaminze, Trauben und Vanille. Noch stehen die Gläser in meiner Küche, mal sehen, wann ich meine Redaktionskolleginnen und -kollegen damit überrasche:
Medienmarmelade "n-tv":
2 g Nanaminze-Blätter
1,3 kg Trauben (frisch oder gefrostet)
½ ml Vanillearoma
500 g Gelierzucker 3:1
200 g Wasser
Zubereitung:
Die pürierte Masse wird aufgekocht und darf vier Minuten auf kleiner Flamme köcheln. Anschließend das Ganze in Gläschen abfüllen, bekleckerte Ränder bitte gut abwischen. Deckel drauf; durch die Hitze bildet sich ein kleines Vakuum, das den Deckel fest verschließt.
n-tv ist übrigens für Männer und Frauen gleichermaßen geeignet. Viel Spaß beim Rühren (Finger nicht verbrennen!) wünscht Ihnen Heidi Driesner.
Quelle: ntv.de