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Adventsmusik II Auf der Suche nach den Wurzeln

Sie kennen Texas-deutsche Blasmusik, Paul McCartneys vielfältige Inspirationen, die Wurzeln von Who und Small Faces und Südstaaten-Untergrund-Musik nicht? Das wird sich ändern, wenn Sie sich die zweite Folge der Adventsmusik zu Herzen nehmen.

Stellen Sie sich vor, Sie stünden an einer Tankstelle, dort, wo Texas texanischer nicht sein kann, und der Tankwart antwortet Ihnen in einem – hierzulande– längst vergessenen Deutsch. Es sind Nachkommen von Immigranten, die ihre unwirtlicher werdende Heimat im deutsch-österreichischen Vormärz verlassen haben. Sie sprechen so, wie Georg Weerth, aber ihre Lieder sind andere. Blecherne, dilettantisch dargebotene Adaptionen vom "Wunderland bei Nacht" aus der Feder von Bert Kämpfert, dereinst als "Wonderland By Night" ein Hit auch in den USA, Polkas, Walzer.

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Die Zeiten sind hier eben nicht nach Revolution. Auf den zwei CDs hat ein sorgsamer Sammler Musik zusammengetragen, wie man sie am Sonntagvormittag auch im tschechischen Franzensbad oder Františkovy Lázne hören kann, nur etwas besser gespielt. Es sind keine Profis, die da tuten und blasen, aber Menschen, die sich die Erinnerung an ihre Heimat bewahrt haben, seien sie aus dem damals zersplitterten Deutschland oder dem dereinst zum k.u.k-Reich gehörenden Böhmen und Mähren. Neben Versionen aus ihren Ursprungsländern auch eine sagenhaft schräge Interpretation der traurigen Geschichte von Frankie und Johnny, welche sogar ein Elvis auf Schallplatte aufnahm. Wundervolle Musik, Blasmusik zumeist, die einen verstehen lässt, woher man kommt, wohin man geht und was man wird.

So wie eine weitere Edition jener aufklärerischen Serie, der sich Chrome Dreams seit Jahren widmet. Ja, woher kommt ein Paul McCartney musikalisch? Vom King of Skiffle Lonnie Donnegan und seinem "Midnight Special", das ja seinerseits auch nur die Coverversion ist? Vom King of Rock and Roll Elvis Presley und seinem "All Shook Up"? Von den Coasters, deren "Searchin'" die im Entstehen begriffenen Beatles am Neujahrstag 1962 beim Vorspiel in der Plattenfirma DECCA darboten und durchfielen? Von Little Richard, dessen "Kansas City" sie mit seinem "Hey, Hey, Hey" auf der 65er LP "Beatles For Sale" zu einem Medley zusammenbastelten? Welches ist die Version von "Till There Was You", die den heutigen Sir Paul auf dem Album "With The Beatles" zu seiner Aufnahme inspirierte? Die auf der vorliegenden Edition inkludierte Aufnahme von Sue Raney? Oder doch die damals ziemlich erfolgreiche Einspielung von Peggy Lee? Eine lohnenswerte Kompilation, die man sich zum Verständnis des Woher und Wohin des Paul McCartneys nicht entgehen lassen sollte.

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Die Wurzeln einer unter dem Begriff Mod subsumierten Musik finden sich auf einer weiteren Edition von Chrome Dreams. Mods nannte man in den sechziger Jahren Anhänger einer Subkultur in Britannien, die der Arbeiterklasse oder den unteren Mittelschichten entstammten, Anzüge trugen, um sich von ihrer Herkunft abzuheben und auf Vespas oder Lambrettas die Straßen unsicher machten. The Who, The Creation und The Small Faces, um nur die wichtigsten zu nennen, waren ihre Bands. Die Kompilation vereint 54 Titel, angefangen bei "Wade On The Water" von den Sunset Four Jubilee Singers aus 1925 bis hin zum unsterblichen Gene Chandler und seinem "Duke Of Earl", das 1961 fast auf den Tag genau vor einem halben Jahrhundert auf den Markt kam und wochenlang in den USA den ersten Platz der Pop- wie der R&B-Charts Nummer belegte. Dazwischen weitere afroamerikanische Stimmtitanen wie Ray Charles und Muddy Waters, das umwerfende Instrumentalstück "Flamingo" vom schwarzen Saxophonisten Earl Bostic und das ewigliche "Baby, It’s You", das 1963 auch auf der ersten Beatles-LP "Please, Please Me" erschien und als Teil einer Live-EP 1995 noch einmal auf Platz 7 der britischen Hitparade landete. Womit die Frage entsteht, ob die Beatles auch zu den Liebligen der Mods gehörten. Sicher nicht oder vielleicht auch ein bisschen. Inspirationen lassen sich halt nicht so einfach in Schubladen pressen.

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Auch CD-Titel nicht. "Underground Rockabilly" gehört bestimmt dazu, auch wenn er sich toll anhört. Sei’s drum. Fast alle 25 Songs sind noch nie zuvor auf Platte oder gar CD erschienen, mit Ausnahme einiger Stücke, die es auf eine 45rpm-Scheibe geschafft haben. Kennen Sie David Ray mit seinem Carl-Perkins-ähnlichen "Lobesome Baby Blues" oder Norman Bullocks Version von Hank Williams "Moaning The Blues"? Oder Aubey Cagle mit seiner Eigenkomposition "Bop N’Stroll"? Oder Rusty Yorks Cover von Little Richards "The Girl Can’t Help It"? Ich auch nicht, bis ich diese Scheibe in die Finger bekam. It’s Rock and Roll, man, Rock and Roll!

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Quelle: ntv.de

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