"St. Vincent" Bill Murray ist ein Heiliger im Stripclub
08.01.2015, 08:54 Uhr
Vincent und Oliver auf der Rennbahn: Babysitten leicht gemacht.
(Foto: 2014 Sony Pictures Releasing GmbH)
Der Babysitter aus der Hölle: Vincent nimmt Oliver mit auf die Pferderennbahn und in die Kneipe. Er stellt ihm seine Lieblingsstripperin vor und ist meistens betrunken. Das ist urkomisch - denn Vincent wird von Bill Murray gespielt.

Lehre fürs Leben: Für Taschengeld muss man arbeiten, zum Beispiel Rasenmähen - auch wenn gar kein Rasen da ist.
(Foto: 2014 Sony Pictures Releasing GmbH)
Um es kurz zu machen: Bill Murray zeigt in "St. Vincent" seine beste Vorstellung seit "Lost in Translation". Wobei man sich immer fragen muss, wie viel davon Schauspielerei ist und wie viel echter Murray in den Rollen steckt. Sein Vincent ist "irgendwie cool, auf eine mürrische Art" - wie man sich Murray, den Star aus "Ghostbusters" und etlichen Wes-Anderson-Filmen halt vorstellt.
Das Zitat stammt von Oliver (Jaeden Liberher), der eben mit seiner alleinerziehenden Mutter Maggie (Melissa McCarthy, "Brautalarm") nebenan eingezogen ist. Und weil Maggie einen Job hat, in dem sie viel arbeiten muss, bleibt Oliver nachmittags öfter mal allein - bis sich Vincent als Babysitter anbietet. Nicht aus Mitmenschlichkeit, sondern weil er das Geld braucht. Dringend.
Rennbahn, Kneipe, Stripclub
"St. Vincent" ist voll auf Murray zugeschnitten, der Film funktioniert eigentlich nur wegen ihm, wegen seinem wunderbar knautschigen Gesicht, das kaum eine Miene verzieht. Denn die Geschichte vom alten Grantler, dessen Herz von einem Jungen aufgeweicht wird, ist nicht neu. Allerdings packt Autor und Regisseur Ted Melfi eine Menge Humor in sein Kinodebüt, einen guten Soundtrack und einen wunderbar aufgelegten Hauptdarsteller, wobei auch Liberher als Oliver überzeugt. Das ist genug für einen großartigen Start ins Kinojahr.

Maggie versucht, eine gute Mutter zu sein. Leicht ist das nicht.
(Foto: 2014 Sony Pictures Releasing GmbH)
Denn wenn Vincent auf Oliver aufpasst, nimmt er ihn mit auf seine täglichen Touren - zum Wetten auf die Pferderennbahn, zum Bier zwischendurch in die Kneipe und in den Stripclub, wo die schwangere Daka (Naomi Watts) arbeitet, mit der Vincent ein Verhältnis pflegt.
Allerdings fahren sie auch in das Pflegeheim, in dem Vincents demente Frau liegt - und ihn kaum mehr erkennt. Vincent ist zwar oft besoffen, er schimpft auf die Welt und ist ganz allgemein ein Scheusal. Doch Oliver erkennt sehr schnell: Dahinter versteckt sich ein Herz aus Gold.
Die ganze Palette der Gefühle

Vincent hat eine Vorliebe für Daka, die schwangere Stripperin.
(Foto: 2014 Sony Pictures Releasing GmbH)
Man muss es aber erstmal entdecken, wenn Vincent fiese Sprüche ablässt und dabei wie der verlorene Bruder von Waldorf und Statler aus der Muppet-Show wirkt. Er ist ein egoistischer Arsch, der selbst seinen Schützling Oliver ausnutzt. Schließlich sitzen ihm Gläubiger im Nacken und im Pflegeheim seiner Frau ist er im Rückstand mit den Zahlungen.
Man ahnt schon, wie es ausgeht. Denn so lustig der Film auch ist - er folgt altbekannten Mustern und bietet kaum Überraschungen. Nicht nur ist die Geschichte unglaubwürdig: Welche Mutter würde ihren Sohn schon bei dem sarkastischen Nachbarn lassen, den sie erst ein paar Tage kennt? Regisseur Melfi weiß darüberhinaus genau, welche Knöpfe er drücken muss, damit man Ekel Vincent schnell ins Herz schließt: viel Humor, eine Prise Schrulligkeit à la Wes Anderson, ein bisschen Tragik, garniert mit Kitsch und einer Tränendrüsenattacke. Der Film spielt routiniert die gesamte Palette der Gefühlswallungen durch.
Wer möchte, kann sogar noch etwas Gesellschaftskritik rauslesen: Die alleinerziehende Mutter Maggie etwa reibt sich zwischen Job und Kind auf, muss schließlich noch um das Sorgerecht kämpfen. Der schmale Oliver wird in der Schule gemobbt und hat es schwer, sich durchzusetzen. Vincent wiederum kann sich kaum das Pflegeheim für seine Frau leisten. Es sind Probleme, die wohl immer mehr Menschen kennen. Nicht nur in den USA.
Ein Gesellschaftsporträt will der Film aber zum Glück nicht sein. Dazu ist er zu abgedreht, sind seine Figuren zu schrullig. "St. Vincent" ist ein Gute-Laune-Film, der genau zur richtigen Jahreszeit kommt, um etwas Sonne reinzulassen. Und Billy Murray ist einfach eine Klasse für sich. Deshalb sollte man übrigens auch den Abspann nicht verpassen.
"St. Vincent" läuft ab dem 8. Januar in den deutschen Kinos.
Quelle: ntv.de