Kino

Der gute Schauspieler Bjarne Mädel kann auch anders

Der Ernie? Der Polizist? Der Tatortreiniger? Ja, aber vor allem der Vielseitige: Bjarne Mädel.

Der Ernie? Der Polizist? Der Tatortreiniger? Ja, aber vor allem der Vielseitige: Bjarne Mädel.

(Foto: imago/Stephan Wallocha)

Seit vielen Wochen ist die Tür zu: Mike, gerade 18 geworden, hat sich eingeschlossen. Er ist nicht krank. Er hat sich bewusst dazu entschieden, am Leben draußen nicht mehr teilzunehmen. Die Eltern Susanne (Bibiana Beglau) und Thomas (Bjarne Mädel) sowie Schwester Miriam (Emma Bading) stehen buchstäblich vor seiner Tür ˗ warten, fragen, fordern, flehen, rasten aus, verzweifeln, beschuldigen, ignorieren und hoffen. Dabei wird die Tür zwischen ihnen und Mike mehr und mehr zum Spiegel ihrer eigenen Geschichten. Je mehr sie nach Mikes Gründen forschen oder vor ihrer eigenen Ohnmacht fliehen, desto deutlicher werden ihnen ihre eigenen Verkettungen mit einem Leben, das sie nie wirklich hinterfragt haben. Mikes jüngere Schwester Miriam, die auch gerade mit den Herausforderungen und Zumutungen des Erwachsenwerdens konfrontiert wird, scheint ihren Bruder zu verstehen. Am Ende erkennen alle drei, dass sie es sind, die Mike sein Zurückgezogensein erst ermöglichen, und dass sie Mike helfen müssen, damit er noch einmal ganz für sich in die Welt finden kann. Mit Bjarne Mädel haben wir uns getroffen, um über verschlossene Türen, offene Herzen und die ganz großen Fragen des Lebens zu reden.

n-tv.de: Ich muss sagen - harter Tobak. Und ich weiß gar nicht, ob ich alles verstanden habe ...

Bjarne Mädel: Dann muss ich das Interview an dieser Stelle leider abbrechen. (lacht)

Ich muss gestehen, ich habe immer auf eine Erklärung gewartet, warum der Sohn sich verkrümelt hat, warum er sich so verbarrikadiert hat. Aber es gibt im Leben ja nicht immer Erklärungen für alles.

Es war die Entscheidung der Autorin Karin Kaçi und der Regisseurin Isa Prahl, zu sagen, wir machen keinen Film über den Jungen, der sich eingesperrt hat, sondern wir machen einen Film über die Leute, die damit konfrontiert sind, die damit umgehen müssen. Über die drei, die vor der Tür stehen und sich daran abarbeiten. Es gibt in Japan ein Phänomen, Hikikomori genannt, die Zurückgezogenen, die beschränken ihren Kontakt zur Außenwelt auf das Minimalste, und das sind hauptsächlich junge Männer. Sie wollen sich dem Druck der Leistungsgesellschaft nicht mehr aussetzen. Da geht es um die Zugangsprüfungen für die Universitäten, die einen, wenn man sie nicht schafft, zum absoluten Verlierer abstempeln.

Da geht es dann auch um Gesichtsverlust …

Vater, Mutter, Kind vor verschlossener Tür, mit Torte.

Vater, Mutter, Kind vor verschlossener Tür, mit Torte.

(Foto: dpa)

Genau, und die Eltern können es nicht zugeben, dass sie Probleme mit den Kindern haben, und deswegen sagen sie dann, der Sohn ist im Ausland oder lernt ganz viel. Keiner gibt zu, dass das Kind zu Hause an seinem Computer spielt und nicht mehr aus der Wohnung kommt. Es ist eine Haltung wie die eines Haustieres, da wird gefüttert, die Toilette bleibt zugänglich, aber es gibt keinen Kontakt. Und im Film geht es eben um die Auswirkungen dieser Kommunikationsverweigerung. Was passiert, wenn einer plötzlich nicht mehr "mitspielen" möchte.

Das kennt man ja, dass man mal einen Tag im Bett bleiben und niemanden sehen will …

… ja, und ein paar Tage und eine Woche sind wahrscheinlich noch im grünen Bereich, aber in unserem Film handelt es sich um drei Monate. Und da wird es natürlich eine psychische Erkrankung. Das wird am Anfang kurz erwähnt, dass man sich bereits um den Jungen kümmern wollte, der Arzt sagt, wir haben alles getan, die Tür wurde bereits aufgebrochen, aber es hat alles nichts gebracht. Die Tür ist ja nur ein Symbol für eine Grenze, über die niemand rüberkommt. Und wie jeder von uns anderen dreien, Vater, Mutter, Schwester, damit umgeht, das fand ich schon im Drehbuch wahnsinnig spannend.

Die Entwicklung der einzelnen Personen ist wirklich krass.

Ja, meine persönliche Lieblingsszene des Vaters ist die mit der Putzfrau. Er ist eigentlich ein sozialer Typ. Er will helfen, aber in dieser Szene kippt das total ins Gegenteil. Das ist gruselig. Erbärmlich. Aber toll, in welche Extreme die Figuren getrieben werden.

Wie auch die Tochter …

Ja, großartig, Emma Bading, supertalentierte junge Frau. Was ihre Figur durchmacht. Und was die alles ausprobiert, um sich selbst zu fühlen.

Kaum auszuhalten, die Szenen mit ihr. Wie schrecklich für Eltern - und wie hart Kinder sein können …

Das kennt man ja, wenn ein Kind besonders viel Aufmerksamkeit braucht, zum Beispiel weil es krank ist, dass das andere Kind sich dann vernachlässigt vorkommt. Dann neigen diese Kinder oft dazu, auch extreme Sachen zu machen, um aufzufallen.

Der Vater in Extremsituationen - wie auch schon in "24 Wochen" - spielen Sie den gerne?

Bjarne Mädel als Heiko "Schotty" Schotte am Set von "Der Tatortreiniger".

Bjarne Mädel als Heiko "Schotty" Schotte am Set von "Der Tatortreiniger".

(Foto: Georg Wendt/dpa)

Man kennt mich eher aus komischen Rollen, das ist mir klar. Aber mir war auch immer klar, wenn ich etwas Ernstes spiele, dass es dann so richtig um etwas gehen muss. Ich will nicht nur als Bösewicht durchs Bild laufen, sondern da muss mehr dahinter sein. Da kann es dann gerne um Leben und Tod gehen, um Moral und Verantwortung, und ich bin wirklich froh, dass "24 Wochen" jetzt auch in Fernsehen lief. Der Film - und das Thema des Films - haben es nämlich verdient, mehr Aufmerksamkeit zu bekommen. Ich finde es großartig, dass das ZDF hier Mut bewiesen hat und ihn um 20.15 Uhr gezeigt hat.

Was gefällt Ihnen am besten an "1000 Arten Regen zu beschreiben"?

Inhaltlich mag ich, dass wir, also Bibiana Beglau und ich, ganz coole Eltern sind. Wir sind nicht solche Spießer, die keiner haben will und jeder sagt: "Bei solchen Eltern würde ich mich auch wegsperren". Nein, wir sind ganz ok, recht modern, wir haben gute Berufe, man müsste sich als Kind nicht für uns schämen - und trotzdem passiert uns so etwas.

Schwierig, solche Themen fürs Kino, oder?

Ja vielleicht, aber ich persönlich gucke mir gern Filme an, die "länger bleiben". Ich gucke auch mal Popcornkino, so wie Fußball. Aber ich mag es auch, wenn mir Bilder im Kopf bleiben und Eindrücke und Fragen, die mich nicht mehr loslassen. Ich bin in der glücklichen Situation, dass ich Angebote bekomme. Leider auch viele schlechte (lacht), und auch wenn das eine gute Rolle war, kann ich doch nicht ewig den Trottel in einer Büroumgebung spielen (Anm: Der Ernie aus "Stromberg" ist gemeint). Oder nur noch als Polizist durchs Bild laufen (Anm.: "Mord mit Aussicht"). Und jetzt bekomme ich zum Glück auch schauspielerische Herausforderungen fürs Kino angeboten, wie diese von Isa, die mich in "24 Wochen“ gesehen hat und daher auf die Idee kam, mich zu fragen. 

Eine sehr gute Ausgangslage für einen Schauspieler.

Ja , ich kann mich wirklich nicht beklagen, ich spiele sowohl im Film als auch im Theater in anspruchsvollen ernsthaften aber auch komischen Projekten.

Und den Tatortreiniger …

Ja, und der ist ja auch nicht immer nur komisch.

Nee, auch traurig, oder eklig …

.. oder überfordert oder anstrengend (lacht). Aber unterm Strich ist es ein Format, das in der Wirkung hauptsächlich komisch sein soll. Das Mittel der Komik hat in der Bewertung jedoch noch immer etwas Niederes.

Es ist doch gar nicht einfach, die Menschen zum Lachen zu bringen.

Ja, aber wenn man es macht, dann ist man eben trotzdem immer "der lustige Schauspieler". Ich wäre einfach in der Wahrnehmung gern "der gute Schauspieler". (lacht)

Ich würde sagen, das läuft … Die Rolle jetzt jedenfalls wirkt wie die logische Konsequenz von "24 Wochen" - was kommt denn da als Nächstes?

Ähm (zögert) … irgendwas mit der Zahl 26 auf jeden Fall, denn mein letzter Film, den ich gedreht habe, war "25 km/h" mit Lars Eidinger (lacht). Ich muss gestehen, ich bin selbst gespannt, was jetzt kommt. Ich bin übrigens immer noch gerne lustig, auch zwischendurch …

Das heißt …

… dass ich mich zum Beispiel jetzt extrem auf die Arbeit an den neuen "Tatortreiniger"-Folgen ab Mitte April freue. Es ist wirklich ein Geschenk, so abwechslungsreich arbeiten zu dürfen.

Mit Bjarne Mädel sprach Sabine Oelmann

"1000 Arten Regen zu beschreiben" startet am 29. März in den deutschen Kinos.

Quelle: ntv.de

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