"Es durfte nicht scheiße werden" Danny Boyle - von "Trainspotting" zum Oscar
17.02.2017, 10:51 Uhr
Danny Boyle bei der Berlinale; sie endet am 19. Februar.
(Foto: Sony Pictures Releasing GmbH / Getty Images)
Inzwischen hat er den Oscar. Doch den Grundstein zu seiner Karriere legt Regisseur Danny Boyle 1996 mit "Trainspotting". Nun präsentiert er mit "T2" die Fortsetzung - und spricht mit n-tv.de über 20 lange Jahre, Herzensangelegenheiten und natürlich das Klo.
n-tv.de: "Trainspotting" von 1996 gilt heute als Kultfilm einer ganzen Generation. Hatten Sie auch nur irgendeinen blassen Schimmer, welche Bedeutung der Film einmal haben würde, als Sie ihn gedreht haben?
Danny Boyle: Nein. Das kann man nicht vorhersehen. Mein erster Film, "Kleine Morde unter Freunden", hatte etwas Geld eingespielt. Nur deshalb wurde uns überhaupt erlaubt, "Trainspotting" zu machen. Sie wollten, dass wir einen weiteren Thriller drehen und den Erfolg wiederholen. Wir wiederum wollten dieses Buch verfilmen - es war ein fantastisches Buch. Ich habe regelrecht darum gebettelt. Schließlich sagten sie: "Okay, hier habt ihr zwei Millionen Dollar. Damit müsst ihr es hinkriegen."
Sie haben es damit hingekriegt …
Ja, weil es eine Herzensangelegenheit war. Aber wir hatten wirklich keine Ahnung, dass außer uns und vielleicht noch ein paar anderen Leuten, die wie wir drauf sind, den Film so lieben würden. Doch so entstehen die besten Sachen. Sie übertragen sich durch Hingabe - nicht durch das Budget oder Marketing. Es muss die Leute packen. Und das Tolle ist, dass sich das über die Jahre gehalten hat. Das kann man erst recht nicht vorhersehen.
Ich glaube, wirklich jeder, der den Film kennt, weiß beim Stichwort "Klo-Szene" sofort Bescheid …
Boyle: (lacht) Bing!
Träumt man als Regisseur davon, so eine Szene zu erschaffen - oder nervt es irgendwann, immer wieder auf das Klo angesprochen zu werden?
Boyle: (lacht) Nein, nein. Ich bin für die Begeisterung der Menschen für diesen Film sehr dankbar. Tatsächlich ist ein Grund dafür, dass wir jetzt "T2" gemacht haben, dass die Menschen noch immer über diese Charaktere gesprochen haben - mit ihren Namen. Mir ist es passiert, dass mich Menschen auf der Straße angehalten und auf "Spud" angesprochen haben. 15 Jahre nach dem Film! (lacht) Normalerweise erinnern sich Menschen nie an die Namen von Charakteren in Filmen. Okay, vielleicht erinnern sie sich an "Jack" und "Rose" in "Titanic". Aber das ist wirklich die Ausnahme.
Sie selbst haben ja seit 1996 viele weitere Filme gedreht, darunter etwa "Slumdog Millionär", für den Sie auch den Oscar erhielten. Was bedeutet Ihnen "Trainspotting" persönlich?
Sehr viel! Und das in ganz vieler Hinsicht - egal, ob es um meine Entwicklung geht, den Karriereschub, den ich dadurch erfahren habe, um das, was ich bei dem Film gelernt habe, oder um mein Verhältnis zu den Darstellern in dem Film. Das war auch mal kompliziert, aber zugleich immer sehr tief. Mit einigen von ihnen habe ich auch danach immer mal wieder gearbeitet. In Großbritannien gibt es eine Redewendung: Letztendlich musst du nirgendwo hingehen als dorthin, wo du herkommst. Ich denke, das beschreibt genau mein Gefühl.
Jetzt sind wir mit "T2 Trainspotting" 20 Jahre weiter. Wie schon das Original basiert auch die Fortsetzung zumindest lose auf einem Roman von Irvine Welsh. Der ist allerdings schon vor vielen Jahren erschienen. Warum hat es mit dem Film so lange gedauert?
Wir haben uns wirklich viele Gedanken darüber gemacht, dass die Fortsetzung nicht scheiße und schrecklich werden darf. Denn wenn man etwas liebt und dann ein fürchterlicher zweiter Teil herauskommt, möchte man sich doch am liebsten die Kugel geben. Das ist so enttäuschend! Und das wollten wir auf keinen Fall. Deshalb haben wir mehrere Jahre an unterschiedlichen Ideen gearbeitet - um festzustellen, dass sie nicht funktionieren und nicht gut genug sind. Dann aber kam John Hodge mit einem sehr viel persönlicheren Drehbuch um die Ecke. Erst da ist mir klar geworden, dass wir den Film tatsächlich nur so machen können. Er ist sehr persönlich geworden.
Inwiefern?
Es geht für dich als Zuschauer um dein eigenes Alter und darum, was du in diesen 20 Jahren gemacht hast. Viele Erinnerungen werden wachgerufen. Klar, der Film ist auch lustig und unterhaltsam, aber er trägt auch eine Melancholie und Traurigkeit in sich. Etwas, das wir alle spüren, wenn die Zeit begonnen hat, ihre Spuren bei uns zu hinterlassen.
Wird man da sarkastischer? Ewan McGregor greift in "T2" in einem Monolog die Phrase "Choose Life" ("Wähle das Leben") aus dem Original auf und treibt die Auseinandersetzung damit noch einmal auf die Spitze …

Regisseur, Autor und Darsteller bei der Arbeit: Boyle (l.), Schriftsteller Irvine Welsh (M.) und Robert Carlyle (r.), Darsteller von "Francis Begbie".
(Foto: Sony Pictures Releasing GmbH)
Tatsächlich ist es wie ein Update des Textes aus "Trainspotting". Die Bezeichnungen für das, was man wählt, haben sich nur geändert. Jetzt geht es um digitale Kommunikation oder soziale Medien. Und es geht darum, wie Erwartungen an die Qualität des Lebens enttäuscht werden. Dabei versucht er, den gleichen rebellischen und sarkastischen Ton wie damals an den Tag zu legen. Im ersten Film ist er ja der Rebell, der man in seinen 20ern auch sein kann: Man kümmert sich nicht um die Meinung anderer. Man schleudert ihnen nur Sarkasmus entgegen und verspottet die Wahlmöglichkeiten. Aber hier wird es persönlicher.
Zum Beispiel?
Er sagt etwa: "Wähle die Enttäuschung. Wähle, die zu verlieren, die du liebst. Wähle, nicht zu dem zu werden, was du dir erhofft hast." Tatsächlich ist es wie eine persönliche Beichte. Mehr kann man auch nicht tun, wenn man in seine 40er oder 50er kommt. Ich bin inzwischen ja sogar schon 60. Man kann nicht weiter den Rebellen spielen. Okay, man kann es versuchen, aber das ist dann ziemlich traurig. (lacht) Es ist traurig, wenn man Väter sieht, die sich so benehmen.
Sie haben bei "T2" ja nicht nur vor, sondern auch hinter den Kameras viele Personen wieder mit an Bord gehabt, die auch schon an dem Film 1996 mitgewirkt hatten. Wie leicht oder schwer war es, die Menschen davon zu überzeugen?
Das war ziemlich einfach. Wir hatten ein gutes Drehbuch. Ich wusste, dass sie da dabei sein würden. Und wir haben uns auch um die Produktion viele Gedanken gemacht. Wir sagten: Es gibt nicht viel Geld, aber für jeden das gleiche. Wir nehmen keine Rücksicht auf die Karriere von irgendwem oder darauf, wo jemand steht oder sich sieht. Wir sind alle gleich. Schließlich haben wir alle von "Trainspotting" profitiert - und sollten damit respektvoll umgehen, wenn wir dazu zurückkehren. Und wenn "T2" erfolgreich sein sollte, werden wieder alle in gleicher Weise davon profitieren.
Werden wir also auch noch "Trainspotting 3" zu sehen bekommen?
(lacht) Irvine Welsh hat gerade erst einen großartigen neuen Roman namens "The Blade Artist" veröffentlicht. Er ist sehr kurz, was für Irvine sehr ungewöhnlich ist. In ihm geht es um Begbie. Und es ist eine komplette Umkehr von dem, was man über Begbie denkt. Man fragt sich: Wie soll das funktionieren? Aber es funktioniert. Ich glaube nicht, dass man das dann "T3" nennen könnte. Aber ich würde nicht ausschließen, dass man den Charakteren auf die eine oder andere Weise nochmal begegnet.
Mit Danny Boyle sprach Volker Probst
"T2 Trainspotting" läuft derzeit in den deutschen Kinos.
Quelle: ntv.de