"Ostfriesisch für Anfänger" Didi Hallervordens Blick in die Zukunft
27.10.2016, 11:14 Uhr
Versteht nicht, wenn man kein Mitleid empfindet: Dieter Hallervorden.
(Foto: imago/Future Image)
Zuerst einmal möchte Herr Hallervorden wissen, mit wem er eigentlich spricht, logisch. Mit n-tv.de. Das scheint ihm zu gefallen, denn es folgen: druckreife Sätze, und einer nach dem anderen wäre eine Überschrift wert. In seiner neuen Komödie "Ostfriesisch für Anfänger" spielt er den schrulligen Uwe, der einer Truppe von bunt zusammengewürfelten Asylantragsbewerbern - im Film liebevoll "ausländische Fachkräfte" genannt - die deutsche Sprache beibringen soll. Da er nicht ganz einverstanden ist mit dem Prozedere, wie diese verantwortungsvolle Aufgabe an ihn herangetragen wurde (weil ihm unter anderem sein Haus unter dem Hintern weggepfändet wird und die Asylbewerber dafür dort einziehen sollen), gibt es Komplikationen. Eine der klitzekleinen Komplikationen ist, dass er den Menschen aus aller Herren Länder nicht wirklich die deutsche Sprache beibringt, sondern Plattdeutsch. n-tv.de trifft Dieter "Didi" Hallervorden in Berlin zum Gespräch - und ist gespannt auf alles, was da noch kommen wird von diesem junggebliebenen 81-Jährigen.
n-tv.de: Wie schaffen Sie das eigentlich, in den letzten Jahren immer wieder den "kauzigen Alten" zu geben, der die Zuschauer zu Tränen der Rührung und zu Tränen des Glücks hinreißt? Ich denke an "Honig im Kopf" und "Sein letztes Rennen".
Dieter Hallervorden: Die Filme, auf die Sie Bezug nehmen, bedienen ja die großen Emotionen. Und ich bemühe mich ganz einfach, dem Drehbuch Rechnung zu tragen. Auf diesem schmalen Grat, der sich zwischen schmunzeln und zutiefst berührt sein entlangschlängelt, ist ja viel Herz dabei. Und das Wichtigste ist natürlich, nicht sich selbst zu produzieren, sondern das zu machen, was die Rolle vorgibt. So richtig kauzig finde ich im Übrigen eigentlich nur den Uwe im aktuellen Film, die anderen sind ja eher welche, die sofort die Sympathien auf sich ziehen. In "Ostfriesisch für Anfänger" ist es ja so, dass das ein großer Eigenbrötler ist, jemand, der sehr rückwärtsgewandt lebt, auch verbittert ist. Das Interessante in dem Film ist aber, dass sich hier jemand wandelt. Uwe ist einer, der Flüchtlinge und ausländische Fachkräfte erst einmal total ablehnt. Der aber seine Einstellung dadurch, dass er den Leuten näher kommt, ändert. Und das ist etwas, was ich toll finde: wenn Menschen nicht einfach in ihrer Vorstelungswelt verharren und sagen, das war immer so, das bleibt so, sondern bereit sind, noch umzulernen. Das ist also auch ein Film über menschliche Werte.
Der Film ist ja eher ruhig und nimmt sich des Themas auf eine nicht reißerische Art an. Was halten Sie denn für die beste Vorgehensweise in der Realität`Wie wollen wir zukünftig mit der Situation umgehen?
Der Mensch hat ja, auch wenn er glaubt, das weitestgehend überwunden zu haben, in sich immer noch Urängste. Alles Fremde bedeutet unter Umständen Unheil. Wir müssen eben lernen, zu begreifen, dass jeder Mensch uns willkommen sein kann und muss, egal, welche Religion oder Hautfarbe er hat. Wir müssen die Arme offen halten für solche Menschen, die aus Ländern geflohen sind, wo das absolute Kriegsgrauen vorherrscht - und zwar solange diese Leute gewillt sind, sich unseren Gesetzen und Gepflogenheiten unterzuordnen. Das ist das Einzige, was ich verlange: dass sie unsere demokratische Grundordnung akzeptieren und bereit sind, sich zu integrieren.
Und die Sprache?
Natürlich müssen sie auch die Sprache lernen. Und da liegt schon der erste Fehler: Diese Sprachkurse werden ja nur circa zwei Jahre vom Staat gefördert. Ich meine, man kann einem Gehirn nicht befehlen, in welcher Schnelligkeit es wie viele Worte und neue Redewendungen aufnimmt und zu speichern hat. Das wird hier und dort eben etwas länger dauern. Ich weiß, wovon ich spreche, ich habe ja auch im Ausland gelebt und es ist eben nicht so einfach, wenn man als Erwachsener in ein neues Land kommt, so eine Sprache aufzunehmen. Für die Kinder ist es etwas anderes, da ist eine neue Sprache wie ein Geschenk. Erwachsenen muss man ein bisschen Zeit geben.
Sie haben jetzt doch auch eine neue Sprache gelernt, oder? Plattdeutsch?
Das war nicht einfach, stimmt (lacht). Aber ich hatte einen Coach.
Im Film wären an der einen oder anderen Stelle Untertitel durchaus in Ordnung gewesen.
(lacht) Versteh' ich, aber das kann man sich schon im Zusammenhang erschließen, oder?
Ja, gerade mal so …
Im Drehbuch stand nun mal, dass der Uwe der letzte, echte Ostfriese ist. Also muss der auch die ganze Zeit so sprechen und nicht nur an ein paar Stellen im Film. Das wäre gar nicht anders gegangen, der Typ ist so erdverwurzelt. Aber wir haben uns bei den Dreharbeiten auch bemüht, Worte zu verwenden, die so nah an dem Stamm des Hochdeutschen sind, dass man es verstehen kann. Jedes Wort kannte ich auch nicht, aber durch Rede und Gegenrede wird das mehr als deutlich. Eine Sprachhemmnis für die Zuschauer wird es nicht geben.
Wie lang hat es gedauert, Plattdeutsch zu lernen?
Naja, ich habe diese Rolle übernommen, weil ich wusste, dass ich diesen Typen so spielen kann und will, dass die Leute sich für das Thema interessieren. Ich wusste, dass ich nicht viel Zeit hatte. Letztendlich habe ich das in neun Tagen gelernt. Aber da habe ich auch den ganzen Tag gelernt, von morgens bis abends. Habe Tonbänder laufen lassen, mich selbst angehört, weil ich finde, wenn ich was mache, dann bereite ich mich bestmöglich vor. Speziell im Beruf des Schauspielers ist es nicht verkehrt, perfektionistisch zu sein (lächelt).
Ist Humor in der Flüchtlingsproblematik denn angebracht?
Der größere Teil der Menschen versteht ja durchaus, dass Geschichte sich in großen Bögen vollzieht. Wir werden also eine Generation brauchen, um uns rückblickend zu fragen: Was hat uns das alles gebracht? Ich glaube, dass unser Land dadurch reicher wird. Wenn man bedenkt, wie das Bild von Deutschland früher und auch vor einiger Zeit noch aussah, dann ist mir diese Willkommensgeste, die wir in die Welt gesendet haben, doch bedeutend lieber. Und was heißt schon "mit Humor"? Ich finde, wenn man in seinem Herzen noch eine gewisse Hilfsbereitschaft verspürt, Menschen gegenüber, die schwächer sind als man selbst, dann muss man doch mit einem Lächeln auf die zugehen. Ich wüsste gar nicht, wie das anders gehen sollte. Wenn ich in die verweinten Augen eines Kindes sehe, Kinder, die schon so viele Gräuel erlebt haben und die mal gerade so mit dem Leben davongekommen sind und wenn man dann kein Mitleid empfindet - dann weiß ich auch nicht, das ist doch absolut unmenschlich.
Sie sind also der Meinung - um es mit der Bundeskanzlerin zu sagen - wir schaffen das?
Auf jeden Fall! Und wir haben keine andere Wahl. Wir können diese Leute doch nicht wieder vertreiben. Das will doch keiner, wie ich hoffe, und außerdem: Deutschland ist stark genug, um den Schwachen zu helfen.
Haben wir am Ende alle mehr gemeinsam, als wir denken?
Wenn man sich auf fremde Menschen einlässt, kann man ja sehr viel lernen. Ich glaube, dass es wichtig ist, die Bereitschaft zu haben, etwas zu lernen. In meinem Alter neigen ja viele dazu, zu sagen, früher sei alles besser gewesen, und alles Neue ist fragwürdig … Was soll das denn werden? Man muss doch interessiert sein, was auf einen zukommt, egal, wie alt man ist. Die Zukunft ist interessant, an der Vergangenheit ist nichts mehr zu ändern. Man darf nicht ständig ein Problem in allem sehen, sondern man muss sagen, wenn andere ein Problem haben, dann helfe ich denen mal eine Weile, dieses Problem zu lösen. Und das machen wir nicht mit Spruchbändern und böswilligen Parolen, sondern indem wir hinterfragen, was diesen Menschen eigentlich passiert ist Weshalb mussten die ihr Land verlassen? Und unter welchen Umständen? Hier ist doch immer vom christlichen Abendland die Rede und Christentum heißt nach meiner Definition, dass wir auch vergeben müssen und helfen.
Sie schauen in die Zukunft - was sind Ihre nächsten Pläne?
Ich habe gerade einen weiteren Film beendet, "Rock my Heart" heißt der, der spielt im Rennreiter-Milieu. Und ich spiele wirklich mal einen "harten Knochen" (lacht). Ansonsten mache ich Theater. Ich leite das Schlosspark Theater und die Wühlmäuse, wir sind in Vorbereitung der nächsten Saison. Teilweise bin ich da als Schauspieler involviert, teilweise als Intendant.
Was wäre eine Traumrolle, die Sie unbedingt noch spielen wollen?
Ich suche immer Herausforderungen. Nach der Rolle des Matthias Clausen in "Vor Sonnenuntergang" von Gerhart Hauptmann wird das schwer. Da ist die ganze Bandbreite von Gefühlen gefordert. Und wenn ich das mal als Bild beschreiben darf: Das war eigentlich der Gipfel. Ich müsste mir einen anderen, höheren Berg suchen, das wird nicht leicht. Aber ich habe da schon so eine Idee.
Mit Dieter Hallervorden sprach Sabine Oelmann
"Ostfriesisch für Anfänger" startet am 27. Oktober in den Kinos.
Quelle: ntv.de