Selbstzensur für den boomenden Kinomarkt Hollywood tanzt nach Chinas Pfeife
05.04.2013, 15:26 Uhr
Robert Downey Jr. wird auch im dritten Teil in die Iron-Man-Rüstung steigen.
(Foto: 2013 Marvel & Subs.)
Bald hat China die USA als größten Kinomarkt abgelöst. Hollywood stellt sich schon mal darauf ein - mit Selbstzensur und Kooperationen mit Staatsbetrieben. Als Vorbild dient "Iron Man III", der mit einer eigenen Version in Chinas Kinos kommt. Hollywood freut sich auf den Dollarregen, macht sich aber unglaubwürdig.

In chinesischen Kinos laufen Hollywood-Produktionen neben staatlich geförderten Propagandafilmen.
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
Im letzten 007-Abenteuer "Skyfall" verschlug es James Bond auch nach Shanghai. Nur ganz kurz, er musste mal eben einen Killer zur Strecke bringen. Es war eine kleine Szene, mit der Aufgabe, die Handlung voranzutreiben, ohne tieferen Bezug zu China. Sie hätte auch in Tokio, Kapstadt oder Castrop-Rauxel (hier allerdings ohne Wolkenkratzer) spielen können. Von einer zufälligen Auswahl des Handlungsorts kann man trotzdem nicht sprechen. Denn die Produzenten wissen genau, wie wichtig der chinesische Kinomarkt geworden ist.
Nur in den USA brachte 2012 der Kartenverkauf an den Kinokassen mehr ein als in China. 2,7 Milliarden Dollar (2,1 Milliarden Euro) setzten Kinos dort um. Im Vergleich zum Vorjahr war das ein Anstieg um sagenhafte 36 Prozent. Damit hat China Japan vom zweiten Platz verdrängt. Ganz zu schweigen von Europa, wo die Kartenverkäufe rückläufig sind. Und das ist noch nicht das Ende: Da in China täglich zehn Leinwände hinzukommen, wird das Land in der kommenden Dekade die USA vom Spitzenplatz verdrängen. Für die Hollywood-Studios, die zu Hause gegen Filesharing und groß angelegte Fernsehserien kämpfen, wird der boomende Markt deshalb immer wichtiger. Kein Wunder also, dass China auch als Handlungsort willkommen ist, schließlich sorgt das dort für größere Aufmerksamkeit.

Actionfilme wie "The Avengers" spielen in chinesischen Kinos Millionen ein - der Markt wird für Hollywood immer wichtiger.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Sache hat nur einen Haken: Um überhaupt in die chinesischen Kinos zu kommen, müssen die Filme die rigide Zensur überstehen. Und diese streicht nicht nur sexuell explizite oder gewalttätige Stellen, sondern auch alles, was China schlecht aussehen lässt. Zudem ist die Anzahl von Hollywood-Filmen beschränkt. Nur etwa 20 Streifen kommen jährlich zum Zug. Im vergangenen Jahr gehörte der jüngste Bond-Streifen zu dem erlauchten Kreis. Von der Zensur blieb er allerdings nicht verschont. Aus "Skyfall" wurde eine Szene entfernt, in der ein Killer einen chinesischen Wachmann erschießt. Auch Hinweise, dass ein britischer Agent von Chinesen gefoltert wurde, fielen der Schere zum Opfer. Anspielungen auf Prostitution im inzwischen chinesischen Macao verschwanden ebenfalls bei der Synchronisation.
Der Feind kommt nicht aus China
Die Beispiele der chinesischen Filmzensur lassen sich beliebig fortsetzen: Aus "Cloud Atlas" von Tom Tykwer und den Wachowski-Geschwistern (der mit Hilfe chinesischer Investoren entstand) wurden mehrere Gewalt- und Sexszenen entfernt - am Ende fehlten fast 40 Minuten. Die nackten Brüste von Kate Winslet wurde aus "Titanic" herausgeschnitten, als der Film kürzlich als 3D-Version wieder in die chinesischen Kinos kam. Aus dem dritten Teil von "Men in Black" wurde eine Szene entfernt, die im New Yorker Viertel Chinatown spielt. Und auch "Fluch der Karibik: Am Ende der Welt" wurde umgeschnitten, weil den Zensoren die Darstellung eines chinesischen Piraten nicht passte. Unwahrscheinlich ist aber auch, dass "Django Unchained" von Quentin Tarantino ungeschoren davon kommt. Immerhin ist er aber der erste Streifen des für seine Gewaltszenen berühmten Regisseurs, der überhaupt in China gezeigt werden darf.

Josh Peck, Josh Hutcherson und Chris Hemsworth (v.l.) bekommen es in "Red Dawn" mit Nordkoreanern zu tun, nicht mit Chinesen.
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
Im "Red Dawn"-Remake von 2012 wiederum reagierten die Produzenten von MGM noch vor Kinostart auf den Protest chinesischer Zeitungen: Die Invasion feindlicher Soldaten kam plötzlich nicht mehr aus China, sondern aus Nordkorea - im Original von 1984 waren es noch Russen und Kubaner. Die Änderung kostete das Studio einen Millionenbetrag und verzögerte den Kinostart um ein Jahr. Schließlich mussten nachträglich alle chinesischen Symbole aus dem Film entfernt werden.
Daraus haben die Hollywood-Produzenten offenbar gelernt: So wurde kürzlich bekannt, dass das Drehbuch zu "World War Z" mit Brad Pitt geändert wurde, um chinesischen Bedürfnissen entgegenzukommen. In dem Film, der im Juni anlaufen soll, geht es um eine Zombieinvasion auf der Erde. Als deren Ursprung wurde in der ursprünglichen Version China genannt. Das Reich der Mitte als Ursprung einer weltweiten Apokalypse? Das wäre den Zensoren sicher bitter aufgestoßen. Die Chefs von Paramount reagierten - die entsprechende Stelle wurde geändert. Da hatte noch kein chinesischer Zensor den Film überhaupt gesehen.
Mehr chinesische Starpower
Marvel und Disney gehen nun noch weiter: Der dritte Teil der "Iron Man"-Reihe, der weltweit am 1. Mai startet, kommt mit einer komplett eigenen Version in die chinesischen Kinos. In dieser spielt das Land nicht nur als Handlungsort eine noch größere Rolle als in der Originalversion, die in den USA und auch in Deutschland laufen wird. Auch das Schauspieler-Ensemble wird um chinesische Stars erweitert. Zwar wird mit Wang Xueqi ein chinesischer Darsteller in beiden Versionen auftreten. In der chinesischen Variante erhält aber zusätzlich Fan Bingbing eine Rolle, die man in deutschen Kinos nicht sehen wird.

Gegenspieler von Iron Man ist im dritten Teil der Mandarin, der allerdings von Ben Kingsley dargestellt wird.
Wie stark sich US- und chinesische Version letztlich unterscheiden, ist bisher unklar. Das wird man erst sehen, wenn der Film in beiden Varianten angelaufen ist. Koproduzent des Streifens ist übrigens das chinesische Unternehmen DMG Entertainment. Wobei die Herstellung einer speziellen chinesischen Filmversion nicht ganz so neu ist. Bereits "Looper" mit Joseph Gordon-Levitt und Bruce Willis kam 2012 in einer Version auf chinesische Leinwände, in der die in Shanghai spielenden Szenen mehr Platz einnahmen.
Schließlich wird China auch Schauplatz des vierten "Tranformers"-Teils sein, dessen Vorgänger dort große Erfolge feierten. Doch die Produzenten von Paramount belassen es nicht dabei. Durch eine Kooperation mit dem staatlichen China Movie Channel und der Firma Jiaflix Enterprises sichern sie ihrem Film die maximale Präsenz auf dem Markt. Nicht nur unterstützen die chinesischen Partner das Team um Regisseur Michael Bay bei der Suche nach geeigneten Drehorten. Sie übernehmen auch Werbekampagne und Postproduktion für den chinesischen Markt. Zudem werden Hauptdarsteller Mark Wahlberg chinesische Schauspieler an die Seite gestellt.
Geschäfte mit staatlich kontrollierten Firmen
Sehr wahrscheinlich werden weitere Streifen den Beispielen von "Iron Man III" und "Transformers 4" folgen. Und das gilt nicht nur für die chinesischen Handlungsorte oder spezielle Alternativversionen. Das gilt auch für die Zusammenarbeit mit chinesischen (Ko-) Produzenten. Da diese Unternehmen mitunter Tochterunternehmen von Staatsbetrieben sind, wird den US-Studios nicht nur der Zugang in die Kinosäle erleichtert. Obendrein übernehmen diese Casting oder Werbung und ersparen den US-Amerikanern damit große Mühen. Nicht zuletzt profitieren die Filmemacher davon, dass ihr Werk nicht durch willkürliche Eingriffe der Zensur verstümmelt und entstellt wird.
Und doch bleibt ein überaus fader Beigeschmack. Waren es bisher die chinesischen Zensoren, die Änderungen an westlichen Filmen erzwangen, werden die Filme nun bereits geändert, während sie noch in der Produktion sind. Zumal die Änderungen über die Anpassung an kulturelle Gegebenheiten oder das Verständnis in anderen Kulturkreisen weit hinausgehen. Doch auf dem chinesischen Markt gibt es eben so viel Geld zu verdienen, dass die US-Studios das moralische Dilemma in Kauf nehmen.
Doch auch wenn es sich bei den genannten Streifen vor allem um Actionfilme ohne politisches Potenzial handelt: Der vorauseilende Gehorsam gegenüber der Zensur widerspricht auch dem künstlerischen Anspruch, den Hollywood-Filme haben. Die Studios machen sich damit schlicht und ergreifend unglaubwürdig.
Doch das allzu willige Einknicken vor den Zensoren könnte den Studios auf die Füße fallen. Längst gibt es auch in China Proteste gegen die Zensur ausländischer Filme. Da beschweren sich Kinogänger über Kürzungen in den Filmen - und weichen zur Not auf illegale, aber komplette Raubkopien aus. Auch Stars wie Jet Li kritisieren die Zensurmaßnahmen. Und selbst bei der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua ist Kritik an der Filmzensur kein Tabu mehr. Ein weiteres Beispiel ist der chinesische Regisseur Lou Ye. Der protestierte gegen Änderungen an einem seiner Filme, in dem er die Vorgaben der Behörden öffentlich machte und seinen Namen von dem Projekt zurückzog. So viel Mut haben die Hollywood-Studios noch lange nicht.
Quelle: ntv.de