Du fühlst dich zu Hause sicher? "You're next"!
06.11.2013, 15:00 Uhr
Was für ein Sch...tag, denkt sich Erin.
Die perfekte Familie. Das perfekte Wochenende: Die Davisons laden ihre Kinder nebst Anhang zu ihrem 35. Hochzeitstag in ihr abgelegenes Wochenendhaus ein. Doch statt friedlicher Familienzusammenführung wartet das Grauen: Maskierte greifen das Haus an. Doch wer steckt dahinter - und warum?
Alle vier Minuten findet in Deutschland ein Einbruch statt. Eine alarmierende Statistik, deren Brisanz in der Aktualität liegt. Die Zahlen sorgen für Beklemmungen und schüren Ängste: Ist man in Deutschland in seinen eigenen vier Wänden eigentlich noch sicher? Reicht es, die Wohnungstür hinter sich nur zuzuschließen? Oder sollte man noch andere Sicherungsmaßnahmen ergreifen? Die Angst davor, zu Hause von Einbrechern überrascht zu werden, scheint eine existenzielle geworden zu sein. Der Thriller "You’re Next" spielt gekonnt mit ihr.
Die Davisons haben ihre Kinder, drei Söhne und eine Tochter, auf ihren Wochenend-Landsitz eingeladen. Er liegt ruhig und abgeschieden, jenseits des Großstadtrummels. Das nächste Nachbarhaus liegt mehrere Minuten Fuß weg entfernt. Hier kann man seinen Lebensabend genießen - und das machen der pensionierte Paul (Rob Moran; "Verrückt nach Mary") und seine Frau Aubrey (Barbara Crampton; "Re-Animator"). Zu ihrem 35. Hochzeitstag trommeln sie ihre Kinder zusammen, um dieses Jubiläum gebührend im Kreis ihrer Lieben zu feiern. Eine Art Familienzusammenführung mit anschließender Party, denn die meisten haben sich jahrelang nicht mehr gesehen.
Und so trudeln sie dann alle nacheinander ein: Crispian (AJ Bowen; "A Horrible Way To Die") mit seiner Freundin Erin (Sharni Vinson; "Step UP 3D", "Bait 3D"), Drake (Joe Swanberg; "V/H/S") mit Kelly (Margaret Laney), der jüngste Sohn Felix (Nicholas Tucci) stellt Zee (Wendy Glenn; "11-11-11: Tor zur Hölle") vor und das Nesthäkchen Aimee (Amy Seimetz; "Revenge For Jolly") bringt Tariq (Ti West; "The ABCs Of Death", "The Innkeepers") mit. Am Abend sitzen alle gemeinsam am Tisch, Aubrey hat gekocht. Der Wein fließt und lockert die Zungen. Drake, wie es scheint, der Kotzbrocken der Familie, schießt sich erst auf Tariq ein, einen kleinen Filmemacher, und dann auf Crispian, der es doch tatsächlich geschafft hat, mit Erin eine seiner Studentinnen an Land zu ziehen.
Tariq steht auf. Er ist genervt von alldem. Er geht zum Fenster. Sieht etwas. Eine Bewegung. Einen Schatten. Dann klirrt es. Das Fensterglas bricht - und er kippt langsam um. Wie in Zeitlupe torkelt er rückwärts zum Tisch. Erst jetzt werden die Streithähne auf ihn aufmerksam. Tariq kippt um. Ein Pfeil ragt aus seinem Kopf. Kurze Stille. Ungläubige Blicke. Dann schießt der nächste Pfeil durch das Fensterloch. Und noch einer. Geschrei. Aufspringende Menschen. Weitere Schüsse. Wildes Durcheinanderrennen. Zisch-Zisch-Zisch-Plopp. Treffer. Blut.
Was geht hier vor, scheinen Erins Blicke an Crispian zu fragen. Der schüttelt nur den Kopf. Wer noch lebt, geht in Deckung. Flüchtet aus dem Wohnzimmer. Irgendwohin, wo es sicher ist. Das Problem: Niemand im Haus ist sicher. Aubrey kommt jetzt wieder die nicht abgeschlossene Haustür in den Sinn, als sie mit Paul auf ihrem Landsitz angekommen war. "Schatz, kannst du dich daran erinnern, die Tür abgeschlossen zu haben?" Die Antwort kommt per Armbrust.
Ein Notruf per Handy! Gute Idee. Eigentlich. Doch die Mobiltelefone scheinen blockiert zu sein. Nichts geht. Kein Empfang im Haus. Einer muss nach draußen rennen. Ins Ungewisse. In die Dunkelheit. Um Polizei oder Rettungskräfte zu alarmieren. Gegen den Protest ihrer Mutter erklärt sich Aimee dazu bereit. Schließlich ist sie Sportlerin. Topfit. Ein kurzer Sprint, geduckt, sollte doch wohl reichen. Sie macht sich bereit. Läuft los. Um den oder die Angreifer zu überraschen, wird die Haustür erst im allerletzten Moment geöffnet. Geschafft! Aimee ist draußen. Neue Hoffnung keimt auf. Ein Stolperdraht in Höhe ihrer Kehle erstickt sie schnell. Wieder Schreie. Wieder Blut. Wieder ein Toter.
Der Rest teilt sich nun: Alle Fenster und Türen des Hauses sollen verriegelt werden. Paul bringt Aubrey, die unter Schock steht, ins Schlafzimmer. Keine gute Idee, wie er schnell herausfindet. Irgendjemand ist vor ihnen da. War schon da. Die ganze Zeit. Mehrere Tage hat er dort verbracht, mit dem dort friedlich schlafenden Ehepaar. Unbemerkt. Maskiert mit etwas, das einem Rattenkopf ähnelt. Keiner weiß, wer sich dahinter verbirgt. Oder doch?
Angsteinflößend brillant!
Beängstigend, wie schnell ein Film das Genre wechseln kann. Von Familienkomödie zum Home-Invasion-Thriller in nur wenigen Sekunden. Regisseur Adam Wingard ("A Horrible Way To Die") genügt für "You’re Next" nur eines: die Urangst der Menschen, dass ihr Heim, ihre letzte Zufluchtsstätte, nicht mehr sicher ist. Und mit dieser Angst spielt Wingard absolut gekonnt und virtuos.
Er kreiert Charaktere, mit denen man mitfühlt, die man hasst, die man verabscheut, die man kennenlernen will. Für jeden Geschmack ist etwas dabei. Herauszuheben ist eine Frau, deren Name hier aber Spoileralarm auslösen würde. Aber man wird sie auf alle Fälle noch häufiger auf der Leinwand sehen. So viel ist mal sicher.
Sicher ist auch, dass Wingard sehr viel Liebe in "You’re Next" hineingesteckt hat. Er verliert das große Ganze nie aus dem Blick - mit düsteren Bilder, Schatten, kleinen Bewegungen, die man nur im Augenwinkel wahrzunehmen scheint. Dazu schnelle Schnitte, hier und da Wackelkamera und Soundeffekte, die einem eiskalt den Rücken herunterlaufen. Auch mit diesen Details punktet Wingards Werk. Sogar Lacher kommen dabei nicht zu kurz. Symbolisch dafür steht der Song "Looking For The Magic" der Dwight Twilley Band, neu interpretiert von Mind the Gap, dessen Beginn wieder und wieder im Film auftaucht. Am Filmende ist der Ohrwurm dann perfekt.
Dass es einige überraschende Twists in der Story gibt, braucht man eigentlich gar nicht zu erwähnen. Langeweile? Nicht einmal nach dem Abspann auf dem Weg aus dem Kinosaal nach Hause. Achja, zu Hause ... Sind sie sicher, dass Sie Ihre Wohnungstür verschlossen haben? Keine Kratzer am Schloss? Schauen Sie lieber noch einmal nach! Alle vier Minuten ... "You're Next"!
Quelle: ntv.de