Die Gene von "Trainspotting" Im Kino wird's versaut
16.10.2013, 12:04 Uhr
Die Schotten machen Ferien auf der Reeperbahn.
Wenn Sie nicht auf Filme mit Sex, Alkohol und Affären stehen, dann brauchen Sie jetzt nicht weiterzulesen. Denn "Drecksau" ist derb, provokant und eklig. Der Film ist so abgefahren, dass sich sogar Produzent und Regisseur bei den Verhandlungen volllaufen ließen.
Produzent, Regisseur und Romanautor treffen sich in einem irischen Pub. Bei rasant steigendem Promillewert verhandeln sie die Details zur Buchverfilmung von "Drecksau". Am nächsten Morgen hat der Produzent einen Filmriss und trotzdem ist klar: Die Sache ist in trockenen Tüchern. So ist es wirklich abgelaufen, das Gespräch zwischen den Filmemachern und dem legendären schottischen Romanautor Irvine Welsh. Der Durchbruch gelang Welsh bereits 1996 mit der Verfilmung seines Buchs "Trainspotting". Seitdem sind seine Geschichten Kult und Produzenten lecken sich die Finger nach seinem Stoff.
Welsh provoziert. Er liebt die schmutzigen Abgründe der menschlichen Seele. Seine Hauptfiguren sind Drogenabhängige, Alkoholiker, Gescheiterte. Auch in "Drecksau" bleibt er sich treu. Seine Hauptfigur Detective Sergeant Bruce Robertson ist versoffen, sexsüchtig und depressiv. Er hasst Frauen, Schwule und Schwarze. Er ist eine richtige "Drecksau" und vögelt ohne Skrupel die Frauen seiner Kollegen. Was soll sein Chef bloß mit so einer "Drecksau" tun? Befördern! Zumindest träumt Robertson davon.
Er glaubt, dass er so auch seine Ex-Frau Carole zurückgewinnen kann. Er leidet so sehr unter der Trennung, dass er sich mit Anti-Depressiva, Alkohol und Koks betäubt. Doch der Drogenmix verstärkt seine psychischen Probleme nur. Robertson gerät in einen gefährlichen Teufelskreis aus Gewalt, Intrigen und Lügen. Er verfällt immer mehr zu einem seelischen Wrack.
Ein "Bastard" mit Gefühlen
"Der Kerl ist ein Bastard - ein menschenfeindlicher, rassistischer, frauenverachtender Chauvinist", bringt es Produzent Ken Marshall auf den Punkt. "Aber er kämpft um seine Familie und repräsentiert universelle Themen wie Liebe, Kummer und Verlust". Mit dieser Mischung aus einem unausstehlichen Charakter und doch menschlichen Motiven gelingt dem Filmteam ein schwieriger Spagat: Der Zuschauer schwankt zwischen Abscheu und Mitgefühl für die "Drecksau".
Robertson ist die zentrale Figur des Films und taucht in jeder einzelnen Szene auf. Der Zuschauer sieht - von Anfang bis Ende - alles aus der Perspektive der Hauptfigur. Er durchlebt mit ihm seine kranke Gedankenwelt, seine Halluzinationen und seine Begegnung mit den Grenzen des Verstands. Die Zuspitzung auf eine einzelne Person ist für die Filmemacher Risiko und Chance zugleich, denn der Erfolg des Films steht und fällt mit dem schauspielerischen Talent des Hauptdarstellers. Deswegen war die richtige Besetzung für Regisseur Jon S. Baird eine der schwierigsten Aufgaben. "Die Hauptrolle musste mit einem Allroundtalent besetzt werden, weil sie einem Schauspieler alle Extreme zwischen Komödie, Tragödie, Gewalt, Sex und Wahnsinn abverlangen würde". Ein solches Talent fanden die Filmemacher schließlich in dem schottischen Schauspieler James McAvoy, auch bekannt aus "Der letzte König von Schottland", "Abbitte" oder dem Actionfilm "Wanted". McAvoy spielt die Rolle des depressiven Robertsons herausragend gut. Er lässt die Sau raus in der Rolle seines Lebens und trotzdem die Nebenrollen glänzen. An seiner Seite spielen Hollywood-Größen wie Jamie Bell und Oscar-Preisträger Jim Broadbent, der bei dem Film ins Schwärmen gerät: "Die Dialoge sind großartig und die überspitzte Realität wirkt wie eine Karikatur".
Ein "abgefucktes Märchen"
Diese Karikatur zieht sich durch den ganzen Film: Die Figuren sind zu spießig, zu naiv, zu komisch. Die surreale Kameratechnik, die Drehorte und die Kostüme verstärken den Eindruck einer verzerrten, absurden Welt. "Abgefucktes Märchen", so ordnet Hauptdarsteller McAvoy den Film ein, der in seinen Dialogen und Handlungen tatsächlich "abgefuckt" ist und durc h die überspitzten Charaktere etwas "Märchenhaftes" erhält.
Der Film "Drecksau" ist kein Tipp für das erste Date. Er ist aber ein Tipp für Irvine-Welsh-Fans und für Menschen, die Filme jenseits des Hollywood-Glamours lieben. Die Figuren sind verrückt, die Drehorte schmutzig und der Humor rabenschwarz. Die Schauspieler aber überzeugen und nehmen den Zuschauer mit auf eine Reise in die tiefsten Abgründe der menschlichen Seele.
Der Film "Drecksau" startet am 17. Oktober 2013 in den deutschen Kinos.
Quelle: ntv.de