Nick Hornby und der Selbstmörderclub Sprung ins neue Leben
04.04.2014, 19:27 Uhr
Gedränge auf dem Dach: Die vier lebensmüden Londoner treffen sich in der Silvesternacht.
(Foto: DCM)
Weil sie auf einem Hochhausdach auf Gleichgesinnte treffen, geben vier angehende Selbstmörder dem Leben noch eine Chance: "A Long Way Down" macht aus einem Roman von Popautor Nick Hornby eine sensible Komödie mit schwarzem Humor.
Da hat sich Martin (Pierce "007" Brosnan) hochgequält bis aufs Dach des Hochhauses, hat eine Leiter hochgeschleppt, um den Sicherheitszaun zu überwinden und hat sich eine letzte Zigarre angesteckt, um ein letztes Mal den Ausblick auf London zu genießen. Nun fehlt nur noch der letzte Schritt, dann wäre es vorbei, das Leben des ehemals erfolgreichen Moderators, dessen Karriere und Ehe wegen einer Affäre mit einer 15-Jährigen den Bach runtergingen.
Doch dann stolpert erst Maureen (Toni Collette, "Taras Welten") aufs Dach und in sein Leben, dann Jess (Imogen Poots, "Need for Speed") und schließlich J.J. (Aaron Paul, "Breaking Bad"). Sie alle haben nur ein Ziel in dieser Silvesternacht: Springen.
In den Mühlen der Sensationspresse

Die Medien haben keine Hemmungen, die Geschichte von Martin, Jess, Maureen und J.J. (v.l.) auszuschlachten.
(Foto: DCM)
Nur fehlt ihnen der Mut, gerade wenn die anderen zuschauen und zur Eile drängen. Also besinnt man sich eines Besseren, kehrt auf den Boden der Tatsachen zurück und schließt einen Pakt: Bis zum Valentinstag am 14. Februar wollen die vier jegliche Selbstmordabsichten ad acta legen. Dann will man sich erneut auf dem Hochhaus treffen - springen kann man ja immer noch.
Ganz so einfach ist die Sache mit dem aufgeschobenen Selbstmord aber auch wieder nicht. Einerseits bekommen die Medien Wind von der Geschichte und schlachten die sensationelle Story hemmungslos aus. Andererseits lernen sich die Vier - eher unfreiwillig - besser kennen und werden mit den Problemen der Mitstreiter konfrontiert. Die temperamentvolle Politikertochter Jess verlor einst ihre Schwester, Martin sieht sein Leben den Bach runtergehen, Maureen muss allein einen behinderten Sohn versorgen und J.J. trauert seiner Karriere als Musiker hinterher. Doch der Valentinstag rückt immer näher und damit eine endgültige Entscheidung über Leben und Tod.
So schwarz der Humor dieser Geschichte ist, kann sie eigentlich nur von einem Briten stammen. Und nicht von irgendeinem: Nick Hornby hat es nicht nur mit seinen vor urbaner Popkultur strotzenden Büchern zu einiger Berühmtheit geschafft. Sein Name klingt auch Filmliebhabern wohl im Ohr: Hornby-Adaptionen wie "High Fidelity" mit John Cusack oder "About A Boy" mit Hugh Grant sind bereits zu Komödien-Klassikern avanciert.
Was Bücher wie Filme auszeichnet: Die liebevolle Darstellung von alltäglichen Marotten, sei es die Leidenschaft für einen Fußballverein oder die eigene Plattensammlung. Hinzu kommen britische Verschrobenheit, eine frei nach Schnauze geschriebene Sprache und viel schwarzer Humor.
Imogen Poots ragt heraus
Auch "A Long Way Down", als Roman bereits 2005 erschienen, verfügt über all diese Zutaten, trotz des ernsten Themas Selbstmord. Der Film von Regisseur Pascal Chaumeil balanciert auf einer dünnen Linie und verfällt dabei weder in Depressionen, noch macht er das Thema lächerlich.
Das dies so ist, liegt vor allem an der Darstellerriege, aus der Imogen Poots herausragt. Sie konnte ihr Talent zuletzt in "The Look of Love" und "Saiten des Lebens" beweisen. In ihrem neuen Film quasselt sie nun so unverblümt drauf los, dass es eine Freude ist (was in der Originalversion mit britischem Akzent besonders charmant klingt). Wo Poots alles in Grund und Boden redet, zeigen Collette und Paul stille Leistungen. Nur Brosnan wirkt zu sehr wie ein Lebemann, als dass man ihm die Todessehnsucht wirklich abnehmen würde.
Anders als bisherige Hornby-Verfilmungen ist "A Long Way Down" eine eher stille Komödie. Nur selten wird es wirklich laut und sarkastisch - dafür ist das Thema zu sensibel. Jene bissigen Szenen gehören allerdings zu den stärksten des Films. Dazu gehören etwa die Wortgefechte zwischen Jess und J.J., aber auch die Darstellung des Medienbetriebs, der aus dem Selbstmordpakt eine Sensationsgeschichte macht. Dass der Film sich ansonsten zurückhält, zeugt von seinem Respekt gegenüber Thema und Protagonisten. Allerdings ist das auch der Grund, warum der Funke - anders als bei früheren Hornby-Filmen - am Ende nicht wirklich überspringt.
"A Long Way Down" läuft seit dem 3. April in den deutschen Kinos.
Quelle: ntv.de