"Ey, du Arschloch!" Takeshi Kitanos Yakuza-Epos "Outrage"
26.08.2011, 07:29 Uhr
"Ey, du Arschloch": Otomo (l.) und seine "rechte Hand" sind nicht zimperlich.
Die gute alte Zeit, wo Loyalität und Ehre die höchsten Werte der Yakuza waren, geht zu Ende. Eine Welle der Gewalt schwappt durch alle Ebenen der Mafia. Sie ist der Vorbote des Wandels. Sie ist schnell und erbarmungslos - wie der Clan-Chef Otomo einst selbst. Nun muss er um sein Leben kämpfen.
Irgendwo in Japan. Es ist ein sonniger Tag. Vor einer Villa stehen unzählige schwarze Luxuslimousinen mit blickdichten Scheiben: Mercedes, Lexus, Cadillac. Männer in schwarzen Anzügen und schwarzen Sonnenbrillen bewachen sie. Die angespannte Stimmung ist fast greifbar. Herzlich willkommen zum Auftakt von Takeshi Kitanos Mafia-Epos "Outrage". Wurde Mario Puzos "Pate"-Reihe in drei Teilen verfilmt, reichen für Kitano 105 Minuten, um seine Geschichte an den Mann zu bringen. Richtig gelesen: an den Mann. Frauen werden wohl bereits nach wenigen Minuten abschalten.
Der Film, typisch Kitano, strotzt nur so vor Gewalt. Die FSK-18-Einstufung hat er völlig zu Recht. Jemandem dabei zuzuschauen, wie er mit einem stumpfen Messer versucht, sich den kleinen Finger abzuschneiden, gehört dabei noch zu den harmloseren Szenen. Wer Angst vorm Zahnarzt hat, sollte sich "Outrage" vielleicht gar nicht erst anschauen.
Neue Yakuza braucht das Land
Aber, die Gewalt ist wichtig für den Film. Sie zeigt, dass sich die japanische Yakuza im Wandel befindet. Drogen-Geschäfte? Jawohl! Loyalität und Ehre? Das war gestern. Die Mafia in Japan bekommt ein neues Gesicht. Und das ist nicht zimperlich. Und Kitano zeigt alles. Die Yakuza hat auch ein neues Vokabular, rüde und direkt: "Arschloch" ist - ohne zu übertreiben - das wohl meistgesagte Wort im ganzen Film. Ab und an wird noch ein "Ey" oder ein "du" davorgestellt.
Wer jetzt immer noch - oder vielleicht auch gerade erst recht - Lust auf "Outrage" bekommen hat, dem sei die Story erzählt: In der besagten Villa trifft sich ein großes Unterweltsyndikat, die Sanno-Kai, zu einem Geschäftsessen. Dabei stellt Unterboss Kato den Chef eines verbündeten Clans, Ikemoto, zur Rede. Der pflegt Geschäftskontakte mit dem Mafiosi Murase, dem er im Gefängnis Bruderschaft geschworen hat. Das Problem dabei: Der Murase-Clans steht in Konkurrenz zu den Sanno-Kai und verkauft in deren Gebiet Drogen.
Der Fisch stinkt vom Kopf
Klingt nicht ganz simpel, wird aber noch komplizierter. Nun kommt Takeshi Kitano selbst ins Spiel. Der Regisseur, bekannt vor allem für seine Filme "Hani-Bi" und "Brother", mimt den Unter-Clan Chef Otomo. Er soll sich nun des Problems Murase annehmen - und dabei für so wenig Aufsehen wie möglich sorgen. Es beginnt mit einer harmlosen Erpressung, führt dann über den "kleinen Finger“ und Schnitte im Gesicht hin zu gewaltigen, lauten, blutigen Schießereien.
Was Otomo nicht weiß: Der Ober-Yakuza-Boss, spielt ein hinterhältiges Spiel und die einzelnen Unter-Clans gegeneinander aus, um sein Gebiet noch zu vergrößern. Loyalität? Pustekuchen! Was zählt, ist einzig und allein die Macht und der schnöde Mammon. Wilkommen im 21. Jahrhundert!
Spirale der Gewalt

Dem Botschafter eines afrikanischen Landes passiert in dieser Szene nichts. Er hatte sich geweigert, seine Botschaft zu einem Spielcasino umbauen zu lassen.
Und so kommt es, wie es kommen muss. Nach und nach dezimieren sich die Mafiosi untereinander gegenseitig. Eine Hinrichtung folgt der nächsten, eine brutaler als die andere. Die Handschrift des Regisseurs wird sichtbar. Am Ende des unbarmherzigen Gemetzels stirbt auch Otomo. Wie, wird hier allerdings nicht verraten.
"Outrage", der auch als Festivalbeitrag in Cannes im vergangenen Jahr und auf dem Fantasy Filmfest gelaufen ist, ist ein hartes Stück japanischer Filmkost - und Takeshi Kitano at it’s best. Kaum zu glauben, dass Kitano auch für die Funsport-Blödel-Reihe "Takeshis Castle" verantwortlich zeichnet. Dass er Humor besitzt, merkt der Zuschauer eigentlich jedem seiner Werke an, vor allem bei "Zaitoichi - Der blinde Samurai".
Auch bei "Outrage" gibt es derben Humor und jede Menge zynischer Sprüche. Sie lockern den Film merklich auf, der für Kitanos Verhältnisse auch über ungewöhnlich viele Dialoge verfügt. Dennoch hat der Zuschauer, vor allem am Beginn des Films, Schwierigkeiten, der Handlung zu folgen. Es sind einfach zu viele Mafiosi, Clans und Verstrickungen untereinander. Da kann der Überblick schon einmal verloren gehen. Wem das passiert, sei das Interview mit Kitano auf der bei Capelight erschienenen DVD oder Blue-ray empfohlen. Feuer frei!
Quelle: ntv.de