"Chinese zum Mitnehmen" Verloren in Buenos Aires
28.04.2012, 12:40 Uhr
Liebenswerter Griesgram: "Welch ein Glück, dass es Roberto gibt."
(Foto: Ascot Elite)
Dem missmutigen Eisenwarenhändler Roberto aus Buenos Aires fällt eines Tages ein Chinese vor die Füße, den er nicht mehr loswird. Jun spricht kein Wort spanisch, hat kein Geld und keinerlei Orientierung. Doch wer rettet hier wen? Wer schräge, lakonische Typen mag, wird den "Chinesen zum Mitnehmen" lieben.
Schon wieder. Schon wieder sind in der Packung nur 323 Kreuzschlitzschrauben statt der angegebenen 350. Er hat diese verdammten Betrüger so satt. Was interessiert es ihn, ob die Maschine in der Fabrik mal mehr, mal weniger ausspuckt? Wenn 350 Stück draufstehen, müssen 350 Schrauben drin sein. Und da können sie Gift drauf nehmen, dass er nachzählt. Schließlich gibt auch er seinen Kunden lieber ein paar Schrauben zu viel als zu wenig – selbst, wenn es arrogante Trottel sind.
Roberto ist ein Misanthrop, wie er im Buche steht. Von der Gesellschaft hat er genug, sein Leben wäre viel einfacher, wenn er sich nicht mit anderen Menschen abgeben müsste. Tagtäglich ärgert er sich in seinem Eisenwarenladen über seine Kunden und Lieferanten. Und an seinen einsamen Abenden besteht das einzige Vergnügen aus dem Sammeln von skurrilen Zeitungsmeldungen aus aller Welt, am liebsten über absurde Todesfälle. Um Punkt 23 Uhr wird das Licht ausgemacht. So könnte es ewig weitergehen.
Mitten in dieses geordnete Leben fällt ihm jedoch ein Chinese buchstäblich vor die Füße. Der junge Jun ist auf der Suche nach seinem Onkel, spricht kein Wort spanisch, wurde gleich nach seiner Ankunft in Argentinien ausgeraubt und vertraut sich in seiner Not Roberto an - auf Chinesisch. Das hat dem, verdammt noch mal, gerade noch gefehlt. Widerwillig nimmt er Jun bei sich auf, in dem festen Glauben, dass das Ganze nur ein kurzes, wenn auch äußerst unerfreuliches Intermezzo ist. Doch weder die Polizei noch die chinesische Botschaft wollen den jungen Chinesen haben. Und auch im chinesischen Viertel weiß man nichts mit Jun anzufangen.
Damit nicht genug, versuchen andere Menschen über den Chinesen wieder mit Roberto in Kontakt zu treten - wie etwa Marí, die seit Langem hoffnungslos in ihn verliebt ist. Roberto setzt Jun eine Frist, sieben Tage darf der Junge bleiben, sonst werde er, Roberto, explodieren. Doch schon längst hat sich bei dem ungleichen Paar eine Art Alltag eingestellt. Ist etwa ausgerechnet der schüchterne Chinese der Schlüssel zu einem neuen Leben für Roberto?
Was ist Freundschaft?
"Chinese zum Mitnehmen" ist ein Film, der an das Gute in jedem noch so griesgrämigen Menschen glauben lässt - und das mit jeder Menge trockenen Humor. Schon der Ausgangspunkt der Geschichte ist so absurd wie märchenhaft: Eine vom Himmel gefallene Kuh führt den Argentinier und den Chinesen zusammen. "Man könnte auch sagen, es geht um zwei Männer, deren Tragödien sich in Buenos Aires kreuzen. Aus dieser Begegnung ergibt sich der Weg für ihr weiteres Leben", erklärt Regisseur und Drehbuchautor Sebastián Borensztein.
Dem mehrfach preisgekrönten Film gelingt es in wenigen Bildern, das ganze Leben eines Menschen zu zeichnen. Und den Clash der Kulturen mit jedem Stück trockenem Weißbrot zum Kaffee infrage zu stellen: Ist das, was Jun so fremd an Roberto findet, wirklich eine andere Kultur, oder nur die Marotte eines Einzelgängers? Und wann wird Roberto, Veteran des Falklandkrieges, endlich erkennen, dass es da draußen Menschen gibt, die ihn gerne haben?
Ricardo Darín ("In ihren Augen"), der in Argentinien den Status eines George Clooney hat, spielt den kauzigen Eisenwarenhändler wütend und gefangen in sich selbst - weit ab vom Bild des Schönlings, den Darín oft in anderen Filmen gab. Ignacio Huang dagegen rührt als Jun in seiner jugendlichen Verzweiflung, auch wenn man von ihm tatsächlich nur chinesisch versteht.
"Chinese zum Mitnehmen" gehört zu den Filmen, die auf große Effekte verzichten können, einen lächelnd zurücklassen und lange im Gedächtnis bleiben.
Quelle: ntv.de