Psychothriller schürt Ur-Ängste Fitzeks "Flugangst 7a": Die Bombe tickt!
26.11.2017, 11:06 Uhr
Fitzeks neuer Psychothriller spielt zum Teil in einer A380 - und mit der Angst vorm Fliegen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Nachtflug Buenos Aires-Berlin. Ein A380 mit mehr als 600 Fluggästen. Unter ihnen ein seelisch labiler Passagier - und ein Psychiater, der diesen dazu bringen soll, die Maschine abstürzen zu lassen. Wer zieht die Fäden? Los geht die wilde Hatz!
Wie heißt es so schön: Wenn du sicher gehen willst, dass auf deinem Flug keiner eine Bombe mit dabei hat, nimm selbst eine mit. Wegen der Wahrscheinlichkeit und so. Über genau diesen Spruch kann der bekannte und angesehene Psychiater Mats Krüger ganz und gar nicht lachen. Wegen seiner äußerst ausgeprägten Flugangst fliegt er schlicht und einfach nicht.
Allerdings muss er nun doch einen Flieger benutzen: Er muss von Buenos Aires, in das er vor vier Jahren nach dem Tod seiner Frau mit Hilfe eines Frachters ausgewandert war, nach Berlin, wo seine einzige Tochter Nele ein Kind erwartet. Und obwohl im Stillen denkt, dass der Mensch nicht dafür geschaffen ist, "in 10.000 Meter Höher mit einer beflügelten Überdruckblechröhre durch die Troposphäre geschossen zu werden". Dennoch besteigt er in dieser Nacht den mächtigen, 24 Meter hohen, neuen A380. Modernste Technik.
Aber das mulmige Gefühl in Krügers Magen bleibt, denn nicht die Technik sorgte für die meisten Abstürze und Flugkatastrophen, sondern der Mensch. Und der hatte bei kaum einer anderen Flugstrecke so viele Gelegenheiten, seine Unvollkommenheit unter Beweis zu stellen: Der Non-Stop-Flug über eine Strecke von fast 12.000 Kilometer würde rund 13 Stunden dauern. Krügers Hals scheint sich unaufhaltsam und immer weiter zuzuschnüren.
Wer weiß schon, was passiert
Daran ändert auch die wochenlange Vorbereitung auf den Flug nichts, der sich Krüger penibel unterzogen hatte: Er war sämtliche Absturzberichte durchgegangen und hatte sogar Konstruktionspläne der in Frage kommenden Maschinen studiert. Er weiß, dass bei einem Flug das gefährlichste die Landung ist, das zweitgefährlichste der Start.
Am Ende hatte er sich für das derzeit größte Passagierflugzeug der Welt entschieden, wie mehr als 600 andere Passagiere auch. Gott müsste schon ein ziemliches Arschloch sein, wenn er den Flieger abstürzen lassen würde.
Krügers Vorbereitungen hatten schon etwas Manisches an sich, denn er hatte gleich vier Plätze in der Maschine reserviert. Seinen umfangreichen Recherchen zufolge waren es die sichersten im Flieger. Er hätte noch weitere gebucht, aber mehr Plätze waren nicht mehr verfügbar gewesen. Zudem hatte er den "tödlichsten" Platz in seinen Augen ebenfalls gebucht: 7a. Der sollte in seinen Augen sicherheitshalber für alle einfach frei bleiben. Wer weiß, was passiert.
An so viele Risiken hatte Krüger im Vorfeld gedacht: An die Möglichkeit auf dem Rollfeld von einem landenden Flugzeug gerammt zu werden. Beim Start in Flammen aufzugehen. Von einem Terroristen entführt zu werden. Selbst an einen Sprengsatz im Gepäck - aber an die gemeingefährlichste Waffe, an die einzige Bombe, die wirklich jeder mit an Bord bringen und die von keinem Detektor dieser Welt gefunden werden konnte, an dieses perfekte Massenvernichtungsmittel hatte er nicht gedacht: an die menschliche Seele: Jeder Mensch trägt die Fähigkeit des Tötens in sich. Jeder hat einen Punkt, an dem er zerbricht. Um diesen psychischen Nullpunkt geht es nun.
Ein Anruf, der alles verändert

Simon Jäger ist u.a. die deutsche Synchronstimme von Hollywoodstar Matt Damon - und liest die Fitzek-Thriller.
Krügers Smartphone klingelt, der Flieger ist bereits in der Luft. Eine verzerrte Stimme ertönt. Sie klingt wie die deutsche Synchronstimme von Christian Bale und Johnny Depp, nur abgehackter: "... In drei Minuten erhalten Sie neue Anweisungen. Wenn ich Sie nicht erreiche, Dr. Krüger, ist Nele tot. Wenn Sie jemanden im Flugzeug warnen, ist Nele tot. Das gilt erst recht, wenn Sie die Polizei oder die Flugsicherung am Boden informieren. Ich habe meine Augen und Ohren überall. Bemerke ich auch nur das leiseste Anzeichen, dass Sie die Behörden einschalten, etwa weil der Kapitän die Flugrichtung ändert oder ein Funkspruch abgesetzt wird oder dass die Polizei anfängt, Fragen zu stellen, werden Ihre Tochter und das Baby eines qualvollen Todes sterben."
Hatte er dieses Telefon eben wirklich geführt? Krüger schaute ungläubig auf sein Smartphone. Das muss ein Scherz sein. Niemand weiß, dass er aus Südamerika auf dem Weg nach Berlin ist. Dann ein Plopp, auf dem Smartphone-Display taucht ein Bild auf: seine Tochter Nele, mit Kugelbauch, schmerzverzerrtem Gesucht und einem Knebel im Mund, gefesselt auf eine Krankenliege - aber nicht in einem Krankenhaus. Krüger weiß nun: Das Telefonat eben war echt. Er muss zum Klo.
Typischer Fitzek
So beginnt Sebastian Fitzeks neuer Thriller "Flugangst 7a". Das 400-Seiten-Hardcover des Droemer Verlags bringt es in der Hörbuchfassung von Argon auf rund 7 Stunden und bei Audible auf 9 Stunden und 35 Minuten - beide Versionen gänzlich ohne Langeweile. Aber das sind Leser und Hörer von Fitzek-Werken gewohnt. Auch der Vorgänger "Achtnacht" hatte dieses Qualitätsmerkmal.
Bei "Flugangst 7a" setzt Fitzek die Flugangst seines Hauptprotagonisten gekonnt ein, sodass sich beim Zuhörer das ein oder andere Mal die Nackenhaare aufrichten. Der Plot selbst spielt aber nicht nur im Flugzeug, sondern auch in Berlin. Dort lebt Krügers Tochter Nele, HIV-infiziert, schwanger und nun ein Entführungsopfer. Statt zur Entbindung geht es in den Händen eines offenbar verrückten Tierschützers in die leeren Räume eines ehemaligen Fleischkombinats. Der Verrückte will auf die Leiden der Milchkühe aufmerksam machen.
Aber wie hängt das mit dem Anruf in luftiger Höhe bei Krüger zusammen? Ein unglücklicher Zufall? Wohl kaum. Eine Verschwörung? Könnte sein. Ein abgekartetes Spiel? Oder doch ein bis ins kleinste Detail durchgeplanter Racheakt? Und welche Rolle spielt ein Jahre zurückliegender Amoklauf an einer Schule?
Hollywood-Filmstoff aus Deutschland!
Am Ende ist sich der Zuhörer sicher: Das muss unbedingt verfilmt werden! Zu diesem Eindruck trägt auch die Leserstimme von Simon Jäger bei. Simon Jäger? Auch wem der Name nicht viel sagen sollte, die Stimme kennt fast jeder, denn es ist Matt Damons deutsche Stimme. Jason Bourne lässt also grüßen, nur das Fitzeks Krüger bei weitem nicht so wortkarg ist wie Bourne.
Damon wäre auch eine logische Besetzung des Psychiaters Krügers in einer Hollywood-Verfilmung. Den Akademiker nimmt man dem US-Schauspieler genauso ab wie den Action-Haudrauf in einem Flugzeug - Flugangst hin oder her.
Sebastian Fitzek "Flugangst 7a" bei Audible hören
Quelle: ntv.de