"Maynard war gut in Fahrt" A Perfect Circle laufen wieder rund
20.04.2018, 10:47 Uhr
Nach 14 Jahren zurück: Billy Howerdel (M.), Maynard Keenan (2.v.r.) und ihr aktuelles Band-Line-Up bei A Perfect Circle.
(Foto: Warner Music)
Auf ein neues Album der Kultband Tool um Frontmann Maynard Keenan müssen die Fans noch warten. Dafür melden sich er und Billy Howerdel nun mit ihrem Projekt A Perfect Circle zurück. Im n-tv.de Interview bricht Howerdel eine 14 Jahre währende Funkstille.
n-tv.de: 14 Jahre sind seit dem letzten regulären Studioalbum von A Perfect Circle vergangen. Was hat Sie aufgehalten?
Billy Howerdel: Es kommt eben immer etwas dazwischen. Ich könnte jetzt durchgehen, was in der Zeit alles passiert ist, aber 14 Jahre sind eine lange Zeit. Wir hatten einige Fehlstarts, waren aber auch auf Tour. Davon hat man hier vielleicht nicht so viel mitbekommen, da es nur in den USA, Australien und Südamerika stattgefunden hat. Das war zwischen 2010 und 2013. Irgendwie haben wir schon immer wieder etwas gestemmt - zum Beispiel auch den Song "By And Down", den wir 2013 aufgenommen haben.
Als Sie 2005 A Perfect Circle erst einmal zur Seite legten, sagte Maynard Keenan, er wolle Ihnen Zeit für noch andere musikalische Erfahrungen geben. War es wichtig für Sie, diese etwa mit Ihrem Projekt Ashes Divide zu sammeln?
Ja. Das war für mich wirklich bereichernd und interessant. Aber es war auch schwierig. Es ist schon schwer genug, sich in dieser Band um die musikalische Seite zu kümmern. Sich dazu aber auch noch der Texte anzunehmen, war definitiv eine Herausforderung für mich. Mir schießen immer Dinge in den Kopf, die ich gerade erst gehört habe, zum Beispiel eine Unterhaltung am Nebentisch im Restaurant. Oder ich tauche in etwas aus der Vergangenheit ein und versuche das als Teil des Text-Puzzles unterzubringen. In der Zukunft möchte ich mich deshalb eigentlich ausschließlich auf die Arbeit an der Musik konzentrieren. Aber all diese Erfahrungen haben mir natürlich geholfen, speziell auch für meine Arbeit an Filmmusik.
Maynard Keenan teilt sein Leben mittlerweile zwischen der Musik und seiner Arbeit als Weinbauer. Ist er eigentlich noch ein Musiker, der nebenbei Wein anbaut oder ist er inzwischen ein Weinbauer, der auch Musik macht?
Das Tolle an ihm ist, dass er immer komplett präsent ist, egal, was er tut. Das klingt ein bisschen wie ein Widerspruch, denn tatsächlich habe ich ihn während der Arbeit an diesem Album nicht oft persönlich gesehen. Aber als wir angefangen und die Sache ins Rollen gebracht haben, war er voll da und fokussiert. Es ist besser, jemand ist für zwei Stunden voll fokussiert, als wenn er x-Stunden nur die Zeit vertrödelt.
Haben Sie jemals seinen Wein probiert?
Ja. Er ist gut. Aber ich bin kein Weinkenner. Es gab eine Zeit, in der habe ich mehr davon getrunken. Heute beginnt und endet es bei mir mit Tequila und Wasser.
Waren Sie in den vergangenen 14 Jahren immer in Kontakt mit Maynard Keenan?
Ja, aber wir leben an verschiedenen Orten. Ich sehe ihn heute eher wie einen Bruder als wie einen Freund, den man mal eben spontan besucht und mit ihm etwas unternimmt.
Als Sie vor 14 Jahren "eMotive" veröffentlichten, galt das als ein politisches Protestalbum gegen George W. Bush und seine Administration. Heute ist Donald Trump in den USA an der Macht. Hat das auch das neue Album beeinflusst?
Das ist sicher mit eingeflossen. Leider ist das ja gerade eines der Themen, die alles bestimmen. Und das ganz unabhängig davon, auf welcher Seite man steht. Ich weiß nicht, ob Sie in letzter Zeit mal in den USA waren. Aber das spaltet das Land. Das ist schrecklich. Es wirkt sich auf Beziehungen, Freundschaften und Familien aus. Und natürlich beeinflusst es einen auch selbst, umso mehr, je älter man wird. Wenn man nicht mehr ganz so selbstzentriert ist und beginnt über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen, ist das unvermeidlich.
Maynard Keenan wollte in einem Interview den Titel Ihres neuen Albums "Eat The Elephant" nicht erklären. Wollen Sie das?
Nein, es gibt ja viele Interpretationen, was es bedeuten könnte. Und das finde ich ganz gut so.
Auf dem Album befinden sich zwölf Songs. Wann sind die entstanden? Erst jetzt oder zum Teil auch schon in den 14 Jahren zuvor?
Viele der Songs sind so ungefähr in den letzten vier Jahren entstanden. Aber einige sind tatsächlich auch schon älter. Am Ende geht es dann darum, wie sie klingen, wenn man sie wirklich zusammensetzt. Der größte Unterschied zu früher war, dass das Album mehr am Piano als an der Gitarre entstanden ist. Daraus ergibt sich auch ein anderer Sound für uns.
Sie und Maynard Keenan bilden das Herz von A Perfect Circle. Doch als Gruppe sind sie zu fünft. Wie sind die anderen in die Band integriert?
Nun ja, sie bilden mit uns zusammen die Live-Band von A Perfect Circle. Wir haben zum Beispiel drei Songs, die jetzt auf dem Album sind, schon auf unserer letzten Tour mit ihnen gespielt. Es ist immer gut, durch die Live-Performance ein Gefühl dafür zu bekommen, ob man mit einem Song auf dem richtigen Weg ist oder ihn doch noch ändern sollte.
Das Line-Up der Musiker um Sie und Maynard Keenan herum hat sich ja sehr oft geändert. Ist das ein Vor- oder Nachteil?
Teils, teils. Das aktuelle Line-Up ist jetzt schon eine Zeit lang zusammen - seit 2011. James Iha wird allerdings für eine Reunion zu den Smashing Pumpkins zurückkehren und muss zu einem bestimmten Zeitpunkt ersetzt werden. Einerseits bedeutet es mehr Arbeit, weil jeder wieder neu in die Musik eingearbeitet werden muss. Andererseits ist es jedes Mal ein kleiner Ego-Kick, wenn ich jemandem die Songs beibringe. (lacht) Sie können sich sicher das Album sehr genau anhören. Aber die Musiker, die die Songs spielen, kommen wirklich hinter die Details. Wenn mir dann jemand sagt, "Wow, das habe ich eigentlich gar nicht gehört, aber ich verstehe, warum es so sein soll", schmeichelt mir das schon sehr.
Ihr aktueller Bassist Matt McJunkins gehörte auch zum Live-Line-Up der Eagles Of Death Metal, als sie während des Terroranschlags im Pariser Bataclan spielten. Sie haben sicher darüber gesprochen ...
Ja, natürlich, aber ich will da nichts ausplaudern. Ich bewundere Matt jedoch für seine Kraft und dafür, dass er es schafft, wieder auf die Bühne zu gehen. Ich weiß nicht, wie viele Menschen das hinbekämen.
Auf "eMotive" haben Sie noch einige Gesangsparts übernommen - auf "Eat The Elephant" singen Sie gar nicht. Warum?
Maynard war einfach gut in Fahrt. (lacht) Er strahlt auf diesem Album so viele Farben und Charaktere aus, die nicht nur nach einer Person klingen. Von daher gab es einfach keinen Grund dafür, dass ich etwas von dem Gesang übernehme.
Tatsächlich ist das Album sehr facettenreich - einige Songs klingen schon sehr typisch für A Perfect Circle, aber können Sie zum Beispiel verstehen, dass ein Lied wie "TalkTalk" Erinnerungen an Depeche Mode weckt?
Ja, klar. Und der Song hat sich noch mehr nach Depeche Mode angehört, als wir ihn geschrieben und das erste Mal gespielt haben. Es gab am Anfang fast keine Gitarren in dem Song.
Insgesamt ist das Album eher ruhig ausgefallen. Wollten Sie das so oder hat sich das einfach entwickelt?
Das hat sich so ergeben und entwickelt. Aber für mich geht es tatsächlich eher in die Richtung eines tanzbaren Albums. (lacht) Ich habe es mir allerdings noch kein einziges Mal einfach so zum Spaß komplett angehört, sondern nur mit den ganzen kritischen Fragen im Kopf dazu: Mastering, Song-Sequenzen, Problembehebungen ... Deshalb denke ich eher in den einzelnen Songs und ihrer Energie als im Album. Da habe ich eher das Gefühl, dass es ein wuchtiges Album ist. Aber es stimmt, es gibt darauf viele ruhige Momente.
Nach 14 Jahren ohne Studioalbum kann man sich eigentlich nicht sicher sein, dass sich die Menschen noch an einen erinnern und auf einen warten. Hat Ihnen das Sorgen gemacht?
Ja, denn auch wenn sich die Leute vielleicht an einen erinnern, gibt es ja eine Erwartungshaltung, aber auch die eigenen Hoffnungen, wenn man ein neues Album macht. Ich denke, da war es sehr hilfreich, dass wir in den vergangenen Jahren immer wieder mal auf Tour gegangen sind. Die Leute sind zu unseren Konzerten gekommen. Das gibt einem die Sicherheit, dass sie sich immer noch für einen interessieren, und den Mut, Schritte nach vorne zu unternehmen. Das tut wirklich gut.
Ist das nun also ein neuer Start für eine längere Zeit mit A Perfect Circle oder bleibt es bei einer Episode?
Wir werden sehen. Die Hoffnung, dass wir weitermachen, ist da. Aber ich kann gerade noch nicht sagen, was die Zukunft nach diesem Album bringt.
Mit Billy Howerdel sprach Volker Probst
Quelle: ntv.de