Musik

Popkultureller Rückblick Atemlos durch das Jahr 2014

Für die n-tv.de Serie "Muss man gehört haben" arbeiten sich unsere Autoren Anja Kleinelanghorst (London) und Ingo Scheel (Hamburg) durch die Archive der Popmusik. Zum Ende des Jahres ziehen sie ihre Bilanz in Sachen Musik und mehr.

Bei einer anti-kapitalistischen Demonstration machte sich Russell Brand im November gegen Rechtsverletzung und Überwachung stark.

Bei einer anti-kapitalistischen Demonstration machte sich Russell Brand im November gegen Rechtsverletzung und Überwachung stark.

(Foto: imago/i Images)

Es wäre gelogen, wenn ich alles mitbekommen hätte, was dieses Jahr in Deutschland kulturell wichtig war. Globalisierung hin und her, wenn man nicht mehr hier wohnt, kriegt man auch nicht mehr alles mit. Dafür saugt man alles in der Wahlheimat auf und so kann ich verkünden, dass Russell Brand in Großbritannien die Revolution ausgerufen hat. Der Ex-Gatte von Katy Perry macht jetzt in Politik, was nicht alle erfreut.

Eine musikalische Revolution ist dieses Jahr ausgeblieben, es gab allerdings Newcomerinnen wie FKA twigs und Kate Tempest, die britische Journalisten zum Hyperventilieren brachten. Ansonsten gaben vor allem die älteren Herren den Ton an: Die Band Pink Floyd machte das britische Amazon ganz verrückt, denn so viele wie nie zuvor wollten ihr neues Album kaufen.

Jahreshoch für Benedict Cumberbatch

Benedict Cumberbatch hat sich verlobt. Und auch sonst läuft es gut bei ihm.

Benedict Cumberbatch hat sich verlobt. Und auch sonst läuft es gut bei ihm.

(Foto: dpa)

Einen Rekord stellte auch Benedict Cumberbatch auf, denn die Massen liefen im August Sturm, um ein Jahr im Voraus Tickets für seinen Hamlet im Londoner Barbican zu bekommen. Die dritte Staffel von "Sherlock" war ebenfalls ein Triumph und eine Oscar-Nominierung für "The Imitation Game" sollte auch drin sein, dann hat er sich auch noch verlobt - es war ein Cumberbatch-Jahr, nicht nur in seiner britischen Heimat.

Die BBC lieferte dieses Jahr wieder Qualitätsfernsehen und man kann nur hoffen, dass Serien wie "Happy Valley" und "An Honourable Woman" den Weg ins deutsche Fernsehen finden. Zum Schluss möchte ich noch allen den Film "Pride" ans Herz legen - eine Tragikomödie, wie sie nur die Briten zustande bringen über die ungewöhnliche Zusammenarbeit, die es Anfang der 1980er-Jahre zwischen einer schwul-lesbischen Aktivistengruppe und streikenden walisischen Bergarbeitern gab - mein Film des Jahres. So, Ingo, dann erzähl mir mal, was ich 2014 in Deutschland verpasst habe.

Was du ganz sicher verpasst hast, liebe Anja - ob du das gut findest, wirst du am besten selbst beurteilen - ist die endgültige HeleneFischerisierung der gesamten Republik. Spätestens in dem Moment, da ich irgendwann im Spätsommer das Haus verließ, eine Kindergartengruppe, immer schon zu zweit Händchen haltend, meinen Weg kreuzte - und die Dreikäsehochs (ich schwör’) tatsächlich und voller Inbrunst "Atemlos durch die Nacht" schmetterten, war klar: Hier ist nichts mehr wie es war.

In fremden Gefilden

Das gilt auch für ein paar andere Großkopferten in diesem Jahr. Jan Delay etwa versuchte sich nach Disco, Funk und Soul ausgerechnet an Hardrock und stiefelte im weißen Anzug über den Wacken-Acker. Das beste daran war der Albumtitel "Hammer und Michel", der Rest geriet zu jener Jugendtreff- und Coverband-Mucke, gegen den die Beginner in Eimsbush einmal angetreten waren.

Wie es sich anfühlt, wenn sich die Fronten verschieben und man plötzlich in Feindesland steht, musste auch Campino am eigenen Leib erfahren. Der ließ sich von Bob Geldof als Supervisor für die deutsche Band-Aid-Variante zur Bekämpfung von Ebola inthronisieren und bekam dafür nicht nur Spendengelder, sondern auch ordentlich gestürmten Shit. Ganz vorn dabei ZDFNeo-Mann Jan Böhmermann, der dem Düsseldorfer ein paar Testikel ans Kinn nagelte. Eine OP, deren Kosten sicher auch Ben Beckers Krankenkasse für dessen unseligen Monolog anlässlich der Onkelz-Reunion-Gigs im Sommer übernommen hätte.

Kommen und gehen

Wie gut, dass es Deichkind gibt. Die hauten dem Volk zwischen Helene Fischer, Fahnen an den Autos und Pegida-Warm-Up das brachiale "Ich hab' eine Fahne" zur Fußball-WM um die Ohren. Ebenso genial und verstörend auch die Panini-Mutanten im dazugehörigen Clip. Von ebenso kathartischer Liebe zum Lärm beseelt: Einstürzende Neubauten mit ihrem neuen, den Ersten Weltkrieg thematisierenden Album "Lament" und die kommende Metal-Hoffnung aus dem Norden, das Duo Mantar, mit ihrem preisgekrönten Album "Death by Burning". Ein weiteres nördliches Highlight mit universeller Botschaft: Marcus Wiebuschs klanggewordenes Homophobie-Bashing "Der Tag wird kommen".

Apropos Tag und kommen und gehen. Am Ende des Jahres klang der Schlussakkord traurig in Moll. Udo Jürgens starb im Alter von 80 Jahren, wenige Tage nach ihm folgte Joe Cocker. Halten wir uns an das, was Udo einst sang: Immer, immer wieder geht die Sonne auf. In diesem Sinne: Auf ein Neues.

Quelle: ntv.de

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