"Ich bin ein zarter Typ" Der zeitlose Peter Maffay
24.03.2014, 00:00 Uhr
Falten? Welche Falten? Für Peter Maffay kommt es auf die inneren Werte an.
(Foto: picture alliance / dpa)
Sein 17. Album ist raus, ständig in den Charts, auch international, vielseitig engagiert und interessiert - viel muss man über Peter Maffay nicht mehr sagen. Aber mit ihm zu sprechen lohnt sich dennoch.
n-tv.de: Gerade ist die zweite Single aus Ihrem neuen Album "Wenn das so ist" erschienen - es geht ja ganz schön rockig los! Sie haben sich also auf Ihre musikalischen Wurzeln besonnen?
Maffay: Ja (lacht), ich habe da an meine Vorbilder gedacht. Aber ich hab' da auch viel mit der Band abgesprochen. Was habe ich, was haben wir vor? Und die Band hat ja auch Fragen an mich. Aber die sollten sich erstmal überlegen, was ihre DNA so hergibt, was sie bestimmt hat, warum sie Musiker geworden sind, und da gibt es natürlich altersbedingte Unterschiede. Bei mir warnen es Van Morrison, die Stones, Queen ... (zögert kurz) und davon lebt auch noch eine ganze Menge in mir. Das beste Gitarrenriff, das ich kenne, kommt in "I Can’t Get No Satisfacion" vor, da kann man sagen, was man will. Das ist meine Stilistik, meine Schlüsselmoment. Ich bin auch stark durch Rhythm and Blues geprägt. Ich bin ein Drei-Harmonien-Musiker. Manchmal auch ne vierte Harmonie, okay (lacht).
Es kann ja nicht genug Harmonie geben ... Und Bruce Springsteen?
Der gehört auch dazu, ja, der ist so alt wie ich, und der Country-Rock hat da seinen Ursprung, wo er geboren wurde. Ich könnte Ihnen jetzt noch viele aufzählen, die ich gut finde, Chuck Berry zum Beispiel …
Wiederholt sich denn irgendwann nicht alles in der Musik, oder gibt’s was Neues?
Wir haben nun mal nur acht Töne in der Tonleiter (lacht). Alle gucken rechts und links, und wenn einem was gefällt, dann – ich nenn' es mal so – schleicht sich das schon auch mal ein in die eigene Musik. Und letztlich entsteht dann meist etwas Eigenständiges.

Mit Peter einen Vino trinken? Gut möglich, wenn man ihn auf seinem Bio-Bauernhof auf Mallorca antrifft.
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Was macht den eigenen Sound aus?
Das ist diese DNA, von der ich eben schon sprach, dieser Fingerabdruck eines jeden einzelnen Musikers. Das merkt man bei Typen wie Bruce Springsteen, Bob Dylan und vielen anderen. Auch bei Udo Lindenberg oder Wolfgang Niedecken ist das so, dass da ein roter Faden erkennbar ist.
Als Nicht-Musikerin beeindruckt mich das immer sehr, dass man seinen Stücken so eine Wiedererkennbarkeit verpassen kann …
Sie sind eine Nichtmusikerin? Das klingt aber ganz anders … (lacht)
Man tut, was man kann … Sie sind ja jetzt schon ein paar Jährchen dabei: Was hat sich in den, sagen wir, letzten dreißig Jahren am meisten verändert?
Die Äußerlichkeiten. Die Formen des Konsums, wir konsumieren ganz anders als früher. Da haben wir angestanden, um eine Sergeant Pepper abzuholen, meine Güte …
Heute steht man für eine neue PlayStation an ….
… oder so (lacht). Aber ansonsten, die Mucke – das Spiel, das da abläuft, der Dialog mit dem Publikum, all diese Dinge haben sich überhaupt nicht geändert, genauso wenig wie die sechs Saiten der Gitarre. Das ist im Grunde so geblieben wie essen, lieben, atmen, denn Musikmachen basiert auch auf dem Wunsch, mit jemandem eine Kommunikation aufzubauen. Musik ist wie Medizin. Es gibt nichts Schöneres, als ein Album aus der Taufe zu heben und zu sehen, was es mit den Menschen macht.
Sind Sie noch aufgeregt?
Ja, bei so etwas schon. Aber es hat wieder gut geklappt. Das macht mich glücklich.
Sie wirken alterslos, wie machen Sie das?
Ich hab' ne gute Friseuse (lacht).
Männer haben es leichter, gut zu altern, oder? Sie dürfen Falten haben, Frauen sollen jung bleiben …
Nicht aus meiner Sicht! Ich kenne Damen, die ganz stolz und selbstbewusst zu ihrem Alter stehen und dabei irre attraktiv sind..
Das klingt gut!
Es gibt Frauen, die wissen, wie man das macht! (lächelt)
Und Sie, wie machen Sie das?
Ich? (kurze Pause) Mhh, ich versuche, nicht so viel in mich hineinzustopfen zum Beispiel. Viel Sport zu machen. Ich bin ein eitler Mensch, aber es muss auch alles stimmen, denn sonst kann ich nicht drei Stunden auf der Bühne stehen und spielen. Diese Parameter aus dem letzten Jahrhundert …
… Sex and Drugs and Rock’N Roll meinen Sie …
… naja, Rock’n Roll ist natürlich okay, und Sex ist okay, aber Drugs auf keinen Fall.
Lieber grüner Tee?
Ja. (lacht) Diese Parameter wollte ich sagen, die gelten heute nicht mehr so, wie früher. Ist auch gut so.
Wer ist von den jungen Kollegen am interessantesten für Sie?
Es gibt da eine ganze Reihe von immensen Talenten. Das sieht man schon allein in den ganzen Casting-Shows, wie viel mag es also noch geben, die gar nicht erst in eine solche Show gehen? Es ist eine Menge Talent da! Die Frage ist nur: Was macht man damit? Sie dürfen nicht für übergeordnete Ziele missbraucht werden. Der Markt hat sich aber verändert, allein durch das Internet. Da gibt es immense Möglichkeiten und eigentlich ist das etwas durchaus Positives.
Man muss sich eine Menge einfallen lassen, um sich zu positionieren. So einer wie Tim Bendzko hat das alles richtig gemacht. Und auch eine wie Helene Fischer, Wahnsinn. Unglaublich talentiert, fleißig, und sie entstaubt den Schlager mal so richtig. Einer meiner Texter ist sehr viel jünger als ich, der spricht eine ganz andere Sprache, und das beeinflusst mich auch sehr. Ich mag das! Ich brauche meine Identität nicht aufzugeben, denn den Berufsjugendlichen mit 64 kauft mir sowieso keiner ab, aber diese Inspirationen sind großartig für mich. Man kann beidseitig davon profitieren.
Thema Zusammenarbeit mit jüngeren Menschen: Können wir noch über Bushido reden oder rennen Sie dann gleich weg?
Ich hab‘ das alles abgefrühstückt. Er macht sein Ding, ich mach meins.
Sind Sie vorsichtiger geworden im Umgang mit Menschen?
Neee! Diese Geschichte hält mich von gar nichts ab. Es war der richtige Ansatz, es hat sich nur falsch entwickelt. Aber das muss er mit sich ausmachen. Man hört über seine Musik ja weniger als über sein Privatleben (lacht). Es soll doch um Musik gehen.
Ihr neues Album ist ja rockig und zart … Was entspricht Ihnen mehr?
Ich bin ein zartes Kerlchen (lacht).
So so …
Ja, das sieht man doch?
Darf ich das schreiben?
Na klar.
Eigentlich ging es mir um die inneren Werte.
Ja, ich hab' das beides, das ist doch schön. Oder?
Auf jeden Fall!
Ich muss doch nicht immer den harten Macker rauskehren … der ich eigentlich auch gar nicht bin. Ich kann hart sein, aber eher zu mir, seltener anderen gegenüber, meist unbegründet. Ich kann schon heftig werden, aber das ist nicht meine Absicht. Die wirkliche Härte liegt in der Weichheit, das diskutier' ich mit meinem Sohn immer wieder: "Lass dir nie auf die Zehen treten! Aber am besten vermeide es, in diese Situation zu kommen." Ich lass' mir nicht auf die Füße treten, und ich gehe Aggressionen gern aus dem Weg, das ist für mich Zeitverschwendung.
Ihr Sohn versteht das schon?
Ja, der ist zehn, und auch wenn er das vielleicht nicht differenzieren kann, dann kommen Kinder doch mit einem angeborenen Gerechtigkeitssinn auf die Welt, der wird ihnen erst später abtrainiert, das ist schade. Am Anfang ist alles total senkrecht und richtig.
Kennen Sie Ihre Fans?
Was denken Sie denn, wie die aussehen? Wer das so ist?
Das hab' ich vorhin schon überlegt. Ich stelle mir da Jungs und Mädchen vor, mit ihren Familien, aber auch Männergruppen, eher alt-rockig, aber auch Freundinnen-Ausflüge. Jeden Alters. Also eigentlich alle.
(lacht) Ja, zusammengefasst kann man sagen: Menschen. Da kommen die Tabaluga-Kids mit der Oma, da kommen die Kanten und die Zartbesaiteten, so wie neulich, ein Haufen überaus hübsch anzusehender junger Damen, von denen eine heiraten wollte und bei dem Konzert noch mal auf die Pauke hauen wollte ...
... den letzten Abend in Freiheit wollte Sie mit Ihnen verbringen, richtig?
Also, ich hätte mich fast dazu entschlossen ... (lacht).
Sie engagieren sich für die Roma ...
Darf ich da gleich unterbrechen?
Immerzu ...
Ich engagiere mich für die Leute, für die man sich engagieren sollte, also nicht nur für die Roma, sondern immer, wenn ich kann, für Minoritäten. Ich engagiere mich für Menschen, die man diskriminiert, weil ich das grauenhaft finde. Wir haben eine Stiftung für traumatisierte Kinder gegründet. Aber natürlich hab' ich auch mit Sinti und Roma zu tun, vor allem, wenn ich in meinem Dorf in Rumänien bin. Da sind viele gestrandet, aus gut nachvollziehbaren Gründen, weil das Schicksal ihnen übel mitgespielt hat, und natürlich bekomme ich diesen Populismus mit, mit dem über solche Themen geredet wird.
Meine Arbeit dort ist die Antwort darauf, so würde ich das nennen. Mein Lösungsansatz ist, dort zu helfen, wo es nötig ist, und nicht darauf zu warten, bis der Konflikt bei uns vor der Tür steht. Es ist Europa, nebenan! Monsieur Sarkozys Variante war es nicht, Rassismus kann es nicht sein und ein paar Gesetzesvorschläge reichen da eben auch nicht. Es muss ohne Zynismus gearbeitet werden, sachlich und klar. Die demokratischen Strukturen in solchen Ländern wie Rumänien müssen gestärkt werden, da muss es eine Mitte geben, die wirtschaftlich in der Lage ist, das Land über Wasser zu halten, eigentlich ganz einfach Dinge, die jeder hier, der sozial oder wirtschaftlich denkt, nachvollziehen kann.
Darüber könnten wir noch lange sprechen, aber ich muss jetzt noch wissen, wann man Sie wieder auf der Bühne sehen kann.
Da muss ich überlegen, aber ich denke, meine Tour geht erst nächstes Jahr los.
Mit Peter Maffay sprach Sabine Oelmann
Aus Peter Maffays neuem Album "Wenn das so ist" erschien am 21. März die zweite Single "Gelobtes Land", eine Motorradhymne.
Quelle: ntv.de