Mary Roos ist frecher geworden "Die Helene Fischer aus der Bronzezeit"
29.05.2018, 16:14 Uhr
Denkt kein Stück an Ruhestand: Mary Roos.
(Foto: Manfred Esser)
Mary Roos' Karriere begleitet die meisten von uns bereits ihr Leben lang. Wir denken an Schlager und unterschätzen die 69-Jährige mit der jungen Ausstrahlung damit gewaltig. Mary Roos' Weg in der Musikindustrie begann bereits im Kindesalter: Per Zufall wurde sie als Neunjährige bei einem Sommerfest entdeckt und hielt 1958 ihre erste eigene Schallplatte in der Hand. Bereits mit 15 Jahren landete Mary Roos mit "Arizona Man" ihren ersten großen Hit. Zweimal vertrat sie Deutschland beim "Grand Prix d'Eurovision", und ihre TV-Show "Maryland" wurde weltweit in 25 Ländern gezeigt. Sie war der erste deutsche Stargast in der legendären "Muppet Show" und die erste deutsche Sängerin, die im Pariser "Olympia" auftrat.
Jetzt interpretiert sie bei "Sing meinen Song - Das Tauschkonzert" die Songs der anderen, ist verzückt von dem, was Rea Garvey, Mark Forster und Johannes Strate dort aus ihren Liedern machen, verdrückt das eine oder andere Tränchen und lacht am liebsten über sich selbst und so gelungene Textzeilen wie "Wenn ich du wär', wär' ich bei mir geblieben" auf ihrem neuen Album "Abenteuer Unvernunft". Mit n-tv.de spricht sie über das Älterwerden, Respekt, den "Echo", ihre Schwester und ihre Pläne.
n-tv.de: "Sing meinen Song" - alle schwärmen davon: Sie dürfen das jetzt auch!
Mary Roos: (lacht) Ja, das ist auch zum Schwärmen! Wenn man da hin kommt, dann passiert etwas mit einem, das ist wirklich so. Bei unserem Begrüßungsabendessen war es schon so magisch, vom Licht bis zu den Gesprächen, wir waren uns überhaupt nicht fremd. Ich hatte ein bisschen die Befürchtung, dass sich alle kennen und ich dann nur daneben sitze, aber ich war von Anfang an so integriert, alle waren so lieb zu mir. Anscheinend kannten die anderen mich doch (lacht), da war ich dann doch beruhigt und bin fröhlich nach Südafrika gefahren.
Ihre Sorgen begründeten sich darin, dass Sie aus der sogenannten Schlagerecke kommen? Oder meinen Sie das Altersgefälle?
Ja, genau, beides, da hatte ich schon Sorgen, dass ich erstmal nicht so gut ankomme. Aber das war nicht so, überhaupt nicht!
Musik verbindet: von Heino bis Heavy Metal - Musiker scheinen irgendwie doch immer an einem Strang zu ziehen.
Ja, genau! Das hat mit Leidenschaft zu tun. Und gerade bei der Sendung jetzt ist es so, dass man nicht das Gefühl hat, wir arbeiten. Wir sitzen da zusammen, wir sehen keine Kameras, und wir machen das, was wir alle können und was wir lieben. Und das ist wie eine Grillparty (lacht).
Oder eine Klassenfahrt?
Ja, da kommen sich die unterschiedlichsten Leute näher - und das passiert einem im normalen Leben ja nicht mehr andauernd. Es ist wirklich unglaublich, was da in Südafrika geschieht.
Wer ist Ihr Lieblingsmensch dort, Rea Garvey?
(lacht) Ja, den finde ich total gut, aber ich muss ehrlich sagen, jede Person hat auf ihre eigene Art etwas Tolles. Marian Gold war anfangs sehr zurückhaltend, ist nun aber einer meiner liebsten Kollegen, der ist voller Elan, und fröhlich und respektvoll, einfach toll. Wie einfach alle sehr respektvoll dort miteinander umgehen, so, wie man sich das wünscht.
Dann noch ein Thema, bei dem es um Respekt geht. Die "Echo"-Preisvergabe - war das ein Skandal?
Ja, es war schon ein Skandal. Ich hätte es anders gemacht. Klar ist, dass die Leute, die die meisten Platten verkaufen, einen Preis bekommen. Aber man könnte ja Preise übergeben, ohne den Künstlern eine Bühne zu verschaffen, bei so viel Unmut im Vorfeld. So wie es gelaufen ist an dem Abend mit Farid Bang und Kollegah, war das nicht gut. Das war doch abzusehen all die Wochen vorher, da hätte man sich was überlegen müssen. Großes Kompliment von mir aber auch jetzt noch an Campino.
Die Frage lautet doch, was darf Kunst und was darf sie nicht?
Ich finde, Kunst darf nicht frauenfeindlich sein. Ich finde Rapper grundsätzlich oft lustig und oft auch sehr gut, zum Beispiel Gentleman. Und dann gibt es auch genug andere Themen, die man in einem Rap verarbeiten kann, es muss doch nicht gegen Frauen gehen, oder Schwule oder Minderheiten. Und geschmacklos muss es schon gar nicht werden. Leute zu beleidigen, ist auf jeden Fall gefährlich, weil junge Menschen dann denken könnten, das gehört dazu, dass man so respektlos miteinander umgeht.
Und war es richtig, den "Echo" abzuschaffen, statt daran zu arbeiten, Fremdenfeindlichkeit, Homophobie, Frauenhass zu verhindern?
Ja, das muss man im Keim ersticken. Ich weiß tatsächlich nicht, ob man jetzt wirklich diesen Preis abschaffen musste. Ganz ehrlich, ich habe schon lange vor dem "Echo" gedacht, dass das Ärger geben wird. Zu Recht!
Dann zu Erfreulichem: Ihr neues Album heißt "Abenteuer Unvernunft" - was ist denn unvernünftig?
Ich glaube, dass man am Anfang einer Karriere immer versucht, alles richtig zu machen. Man ist kontrolliert, man will nie anecken. Je älter man wird, desto unwichtiger wird das. Dann macht man auch mal Sachen, die unvernünftig sind, was ich wunderbar finde. Unvernunft im Alter ist etwas, was ich sehr positiv finde. Ich wünschte, alle Leute in meinem Alter wären unvernünftig.
Waren Sie denn sehr vernünftig früher?
Ja, bis dreißig. (lacht) Dann fing es langsam an, dass ich mir sagte, ich habe eine Menge erreicht. Das Leben ist ja kurz, ich hätte nie gedacht, dass es so kurz ist und so schnell vorüber zieht. Und dann irgendwann zu sagen: "Ach, hätte ich das doch nur gemacht", das ist doch doof. Oder alles zu verschieben auf "in ein paar Jahren" - das klappt vielleicht nicht mehr …
Haben Sie das Gefühl, dass Sie gerade viele Dinge machen, die Sie früher nicht gemacht hätten?
Ich bin auf jeden Fall frecher geworden! Das liegt bestimmt auch an unserem Stück "Nutten, Koks und frische Erdbeeren" von Wolfgang Trepper, mit dem ich gerade toure. Ich werde angekündigt mit dem Spruch: "Hier kommt die Helene Fischer aus der Bonze-Zeit." (lacht) Aber das ist Satire, und ich lache auch gerne über mich selbst.
Sie sind 69 Jahre alt.
Ja.
Sie stehen auch dazu …
Allerdings! Ich bin eine der wenigen, die das richtige Alter sagen. Und da ich alt werden will, muss ich auch älter werden können.
Haben Sie je ein Problem mit dem Altern?
Nö, eigentlich nicht, vieles wird leichter. Man spielt nicht mehr so, man ist, wie man ist. Man muss weniger aufdrehen, das ist erleichternd. Wir sind doch alle einzigartig.
Sie haben eine einzigartige Karriere hingelegt, in der Sie sich mittendrin befinden. Dennoch ist der Eindruck, dass Sie "jetzt wieder da sind" - denn entweder ist man heute sehr jung oder sehr alt, dazwischen gibt es nicht so viel …
Ja, da ist was dran, aber in dieser Zwischenzeit haben viele vielleicht einfach anderes zu tun, die Familie zum Beispiel. So wie ich. Und ich muss jetzt vor allem darauf aufpassen, dass ich meine Ruhezeiten einhalte, dass ich mich immer wieder finde. Auf der anderen Seite ist aber auch alles so schön momentan, ich habe das Gefühl, dass sich die Gesellschaft gerade verändert. Dass dieses Älterwerden gar nicht mehr so ein Problem ist. Heute muss man sich nicht so viele Gedanken machen - also ich muss heute nicht mehr im Strasskleid auf der Bühne stehen. Ich kann Turnschuhe anziehen.
Die Sie auch beim Sport tragen?
Ich? Ach gar nicht, ich mache keinen Sport. (lacht) Ich muss ja nicht mehr Size Zero tragen. Ich esse zu gerne. (lacht)
Haben Sie sich je Sorgen um Ihre Karriere gemacht?
Ich muss gestehen, dass ich ein unglaubliches Gottvertrauen habe. Ich hatte nie Existenzängste. Ich habe auch mal sieben Jahre Pause gemacht, als mein Sohn geboren wurde. Das ist ja eigentlich tödlich im Showbusiness. Und dann kam Mike Krüger, und ich war plötzlich wieder da in seinen Sketchen. Zu mir kam immer alles, ich musste mich gar nicht so sehr bemühen.
Haben Sie Tipps für junge Kollegen?
Ja, nicht verzweifeln, wenn man mit 30 noch nicht verheiratet ist und immer ein bisschen was zur Seite legen. (lacht) Dann kommt die Steuer, dann eine unerwartete Rechnung … das hat mir meine Mutter beigebracht. Und: Man kann nur ausgeben was man hat - dafür muss ich auch keine Autogramme mehr in der Fleischabteilung geben. (lacht)
Sie erleben gerade ein echtes Revival, oder?
Ja, irgendwie schon. Und auch wenn das ein bisschen doof klingt: Ich würde Frauen gerne etwas Mut machen mit dem, was ich tue. Man muss neugierig bleiben, dann geht auch der Spaß immer weiter. Ich habe erst vor ein paar Jahren einen Fallschirmsprung gemacht - da habe ich mich drüber gefreut wie ein Kind, weil ich das schon immer machen wollte. Und wenn ich jetzt mit jungen Kollegen zusammenarbeite, und die mir sagen, dass sie gut finden, was ich mache, dann könnte ich anfangen zu heulen. Vor Glück.
Sie denken kein bisschen an Ruhestand, oder?
Nein! Ich habe einfach zu viel Power. Ich kann nicht zu Hause sitzen bleiben. Und wenn ich nicht mehr auftrete, dann eröffne ich ein Café für Jung und Alt, wo man sich treffen kann und kleine Vernissagen oder Konzerte veranstaltet. Ich habe noch viel vor.
In den Dschungel - wie Ihre Schwester Tina York - wollen Sie aber nicht?
Nee! Für kein Geld der Welt!
Mit Mary Roos sprach Sabine Oelmann
Quelle: ntv.de