Musik

"Ich bin kein Samariter!" Jon Bon Jovi tut trotzdem Gutes

Ein durch und durch sympathischer Superstar: Jon Bon Jovi.

Ein durch und durch sympathischer Superstar: Jon Bon Jovi.

(Foto: dpa)

Bon Jovi sind wieder voll da! Mit ihrem 14. Studioalbum "This House Is Not For Sale" präsentieren sie einen ganzen Strauß euphorischer Stücke mit fetten Melodien, die sich gut in jedem Stadion machen dürften. Und natürlich fehlt auch nicht die eine oder andere Powerballade. Dabei sah es die letzten drei Jahre gar nicht so gut aus bei der Band aus New Jersey. Gitarrist und Co-Songwriter Richie Sambora erschien 2013 einfach nicht mehr zur Arbeit, und man musste ohne ihn weitermachen. Zudem war Jon Bon Jovi (eigentlich John Francis Bongiovi jr.) sauer, weil die Plattenfirma nach 31 Jahren ihren Vertrag nicht ohne weiteres verlängern wollte. Was wiederum dazu führte, dass die Gruppe aus einer Verweigerungshaltung heraus ihr Album "Burning Bridges" im Jahr 2015 ohne Bilder, Videos und Interviews veröffentlichte. Aber nun ist alles wieder in Butter: Für Sambora ist Bon Jovis Kumpel Phil X (eigentlich Philip Eric Xenidis) als festes Bandmitglied eingestiegen. Und der Vertrag mit ihrem neuen alten Label ist auch in trockenen Tüchern. Jon Bon Jovi wirkt dann auch rundum zufrieden, als er uns in einem Londoner Luxus-Hotel begrüßt. Das Erste was auffällt: Die ergrauten Haare stehen ihm viel besser als die blonde Langhaarmatte in den Achtzigern. Das Zweite: Die Wortschöpfung Zahnpasta-Lächeln muss für ihn erfunden worden sein – so strahlend weiß sind seine Beißerchen. Im Interview erzählt der 54-Jährige über seine Anfänge als Bodyguard der Rolling Stones, seinen Silberfuchs-Status sowie sein Engagement für Hillary Clinton im US-Präsidentschaftswahlkampf.

n-tv.de: Mr. Bongiovi, haben Sie die letzte Präsidentschaftsdebatte im Fernsehen gesehen?

Jon Bon Jovi: Einen Teil. Ich versuche, politisch korrekt zu bleiben, denn es ist so einfach, auf den Typen draufzuhauen. Insofern äußere ich mich nur über die derzeitige politische Lage. Ob das nun der Brexit ist, die Flüchtlingskrise in Europa oder die wirtschaftlichen Probleme anderer Länder: Wir haben eine Gesellschaft aus Reich und Arm geschaffen. Die Kluft wird jeden Tag größer.

Machen Sie diese Kluft für das gesellschaftliche Klima verantwortlich?

Klar, die Stimme derer, die enttäuscht sind und Angst haben, weil sie nicht ihren Anteil des Traums bekommen haben, wird immer lauter. Sie haben nicht die Sicherheit, dass sie im Alter versorgt sind. Deswegen müssen wir ihre Stimmen hören. Was die amerikanische Politik angeht, wünschte ich einfach nur, dass diese Stimmen in der Bevölkerung durch einen besseren, politisch versierteren Botschafter vertreten werden würden. Dann wäre eine ehrliche, interessante Debatte über Politik möglich gewesen. Aber das kann der Typ einfach nicht.

Wenn Präsidentin Clinton ruft, dann würde er nicht nein sagen.

Wenn Präsidentin Clinton ruft, dann würde er nicht nein sagen.

(Foto: dpa)

Sie unterstützen Hillary Clinton im Wahlkampf. Was schätzen Sie an ihr?

Ich respektiere sie immens. Ich verehre sie und ihren Mann, ich bin seit 20 Jahren an ihrer Seite. Es gibt niemanden, der mehr Erfahrung hat als Hillary. Sie hat als First Lady schon bewiesen, dass sie eine Vision davon hat, dass jeder Mensch Gesundheitsfürsorge braucht. Als Senatorin hat sie das Staatsgebiet von New York bestens vertreten. Als Außenministerin hat sie vier Jahre damit verbracht, den Scherbenhaufen, den George Bush hinterlassen hat, zu beseitigen. Sie ist die logische Wahl für den Job der Präsidentin.

Obama hat Sie 2010 in ein Gremium ins Weiße Haus berufen. Werden Sie Ihr politisches Engagement unter Clinton ausweiten?

Der Job, den ich da gemacht habe, war nur auf zwei Jahre ausgelegt. Ich war Vermittler. Meine Aufgabe war es, für entrechtete Teenager, die ihren Job verloren und keinen College-Abschluss haben, eine Lanze zu brechen und ihnen die Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu ermöglichen. Dafür bin ich an meinen freien Tagen von Küste zu Küste gereist, habe Notunterkünfte besucht und Überzeugungsarbeit geleistet. Aber das ist vorbei.

Und wenn Hillary Clinton Sie ins Weiße Haus beruft?

Wenn die Präsidentin der Vereinigten Staaten dich bittet, etwas zu tun, sagst du mit hoher Wahrscheinlichkeit ja. Ich schätze mich glücklich, eng verbunden mit ihr und ihrer Tochter Chelsea zu sein. Präsident Obama war auch großartig zu mir. Wir hatten einige erinnerungswürdige Momente ...

Welche sind das?

Ich bin in der Air Force One mit ihm geflogen. Ich bin auch schon mal mit dem Helikopter vorm Weißen Haus gelandet. Das Beste war aber, als ich von Obama und Bill Clinton in die mit Panzerglas ausgestattete Präsidenten-Limousine eingeladen wurde. Sie nennen sie The Beast! Aber meine Beziehung zu Obama ist nicht vergleichbar mit der zu den Clintons. Mit den Clintons habe ich Abende mit viel Wein und intensiven Gesprächen verbracht, ohne, dass überhaupt jemand dabei war. Die Clintons saßen auch schon auf meiner Veranda zum Quatschen. Ich kenne sie wirklich gut.

Bill Clinton hat auch schon mal Ihr Gemeinde-Restaurant "Soul Kitchen" in New Jersey besucht.

Das stimmt. Es ist ein wunderbarer Ort. Dort sitzen Arm und Reich nebeneinander. Wir fragen Leute nicht, wie viel Geld sie verdienen. Auf der Speisekarte stehen keine Preise. Gäste können für ihr Essen zehn Dollar spenden oder in der Küche mitarbeiten. Es arbeiten Leute umsonst, die Geld haben, und Leute, die es nicht haben. Die Wahrheit ist: Man kann den Unterschied heutzutage kaum mehr erkennen. Die Amerikaner, die hungrig zu Bett gehen, sind nicht nur welche von der Straße, die ein Alkoholproblem haben. Es sind immer öfter hart arbeitende Leute, die aufgrund der Wirtschaftslage trotzdem keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen.

Sie selbst sind in behüteten Verhältnissen aufgewachsen. Warum ist Ihnen soziales Engagement so wichtig?

Ich denke, es hat mit meinem ethischen Grundverständnis zu tun. Mir wurde die Möglichkeit gegeben, die Welt zu sehen - Arm und Reich, Glamour und Abgründe. Irgendwann kommt man an einen Punkt im Leben, wo du andere Dinge tun willst, als nur in einer Rock'n'Roll-Band zu spielen. In deinen Zwanzigern und Dreißigern versuchst du herauszufinden, wer du sein willst und was dein Karriereweg ist. Wenn du vierzig bist, guckst du zurück und fragst dich, ob du die Ziele erreicht hast. Jetzt, mit Mitte fünfzig, geht es mir darum, Wichtiges für die Allgemeinheit zu tun - deshalb tue ich es.

Ihre JBJ Soul Foundation hat vor vier Wochen in New York City ihr zehnjähriges Bestehen gefeiert. Bill Clinton war da und bezeichnete Sie und Ihre Frau als gute Samariter. Klingt das besser in Ihren Ohren als das Etikett Rockstar?

Ich sehe mich nicht als Samariter. Aber ich bin unglaublich stolz auf die Arbeit der Stiftung - das ist vergleichbar mit dem Gefühl, das durch den Erfolg der Band ausgelöst wird. Als ich mit der Stiftung anfing, war das vielleicht noch so eine typische Rockstar-Sache, die auch andere machen. Aber es gibt einen Unterschied dazwischen, wirklich mit anzupacken oder nur darüber zu reden an einem gut gedeckten Tisch einer Wohltätigkeitsveranstaltung.

Kann auch Bodyguard: Jon Bon Jovi und seine Jungs.

Kann auch Bodyguard: Jon Bon Jovi und seine Jungs.

(Foto: dpa)

Sie wollen noch weitere Küchen eröffnen.

Richtig. Entweder machen wir es langsam und stocken auf zehn Restaurants auf. Oder gleich auf 100 flächendeckend in Amerika. Wir stehen in Verhandlungen. Das Konzept der Soul Kitchen gab es ja vorher gar nicht, dass sich die Idee eines Armen-Restaurants durchgesetzt hat, hat alles verändert.

Wie schaffen Sie das alles neben dem Rockstar-Dasein?

Ich habe mir die letzten zwei Jahre eine Auszeit genommen. Ich habe mir Zeit mit meiner Familie gegeben und versucht, als Vater ein besserer Zuhörer zu werden. Meine zwei jüngeren Kinder, sie sind zwölf und vierzehn Jahre alt, sind anhänglicher, als es meine zwei älteren Kinder je waren. Wobei anhänglich vermutlich das falsche Wort ist: Sie sind weniger vergebend, was meine Reiseplanung betrifft. Sie stellen unangenehme Fragen wie: "Wo gehst du hin? Warum tust du das?" Es gefällt ihnen nicht, wenn ich länger weg bin. Meine Erstgeborenen sagten früher höchstens: "O.K., wir sehen dich dann in sechs Monaten, Dad. Mach's gut."

Sie haben gerade erst wieder eine Welttournee angekündigt.

Nun war ich ja lange genug zu Hause. (lacht)

Sie haben das neue Bon-Jovi-Album in den Avatar Studios in New York aufgenommen, wo schon die ersten Bon-Jovi-Produktionen entstanden sind. Erinnern Sie sich noch daran, als Sie die Räumlichkeiten das erste Mal betraten?

Sehr genau sogar. Das war im September 1980. Damals hieß das Studio noch "The Power Station". Ich war dort mit einem Cousin von mir verabredet, den ich zuvor noch nicht getroffen hatte. Er war Produzent und hatte mich bei einem Konzert auf der Bühne gesehen und danach zu meinem Vater gesagt: "Der Bursche ist gut, doch die Band, in der er spielt, ist es nicht. Aber wenn ich irgendetwas für ihn tun kann, meldet euch." Also rief ich ihn an und fragte, ob er irgendeinen Job für mich hat. Und er meinte: "Du kannst unser Mädchen für alles sein." Darüber war ich überglücklich. Ich wurde in dem Studio Zeuge einiger magischer Momente.

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(Foto: dpa)

Welche waren das?

Ich habe durch das Fenster im Studio zusehen können, wie Bowie und Freddie Mercury "Under Pressure" gesungen haben. Ich habe aus einer gewissen Entfernung Bowie und Stevie Ray Vaughan zugeschaut, wie sie "Let's Dance" gemacht haben. Madonna nahm in dem Gebäude "Like A Virgin" auf und Bruce Springsteen "The River". Es ging weiter mit den Rolling Stones - ihr Bassist Bill Wyman hielt mir und meiner Band die Tür auf, während wir damit beschäftigt waren, die Paparazzi, die ins Studio eingedrungen waren, um Fotos der Stones zu schießen, zu verjagen. Ich sehe die Stones noch vor mir, wie sie uns Jungs auslachten, als wir einen der Fotografen in die Zwickmühle nahmen, um die Band zu schützen. Danach fragten Mick Jagger und Keith Richards frech: "Und wie geht's euch so?" Ich war quasi der Bodyguard der Rolling Stones. Mit den Geschichten könnte ich ein Buch füllen.

Hat das Erlebte in Ihnen Ehrgeiz geweckt?

Klar, ich wollte auch mal in solch eine Position kommen wie die großen Rockmusiker, die mich umgaben. Ich spielte ja schon in Bands, aber ich war damals erst 18 Jahre alt. 36 Jahre später noch mal dorthin zu gehen, mein 16. Album aufzunehmen, das 14. mit Bon Jovi, und einen gewissen Status erreicht zu haben, war ein Wahnsinnsgefühl. Das Erste, was ich beim Anblick der Räumlichkeiten dachte, war: Außer dem Mann im Spiegel sieht alles noch genauso aus wie damals. Aber ich bin ja auch keine 18 mehr.

Sie werden neuerdings als Silberfuchs bezeichnet. Wie fühlt sich das an?

Gut. Wollen Sie mal? (beugt sich vor)

Weich fühlt es sich an. Reagieren Frauen denn jetzt anders auf Sie?

Sie meinen so wie bei George Clooney? Ich weiß nur, dass ich nicht anfangen wollte, mir die Haare zu färben. Dann sieht es doch oben herum aus wie blank polierte Schuhe. Ich sagte also: "Scheiß drauf. Alles cool so." Ich finde es gut, in Würde zu altern, und kann damit leben, grau zu sein. Selbst wenn ich meine Haare verlieren würde, würde ich das mit der Anmut eines Bruce Willis oder Sting hinnehmen.

Mit Jon Bon Jovi sprach Katja Schwemmers.

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Quelle: ntv.de

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