Musik

Feuer und Vertrauen Selah Sue, im Wechselbad der Gefühle

Alone? Ja. Together? Auch. Sad? Manchmal. Aber alles hat einen "Reason"!

Alone? Ja. Together? Auch. Sad? Manchmal. Aber alles hat einen "Reason"!

Ihr neues Album trägt zwar den Titel "Reason", doch ein vernünftiger Mensch sei sie nicht, verrät die belgische Sängerin im Interview. Die 25-Jährige spricht offen über ihr Gefühlschaos, das innige Verhältnis zu ihrem Vater und das Finden der große Liebe.

Landsmann Milow war es, der die belgische Sängerin Selah Sue einst bei einer Open Mike Session entdeckte. Nicht nur er war begeistert von ihrem mit Reggae- und HipHop-Einflüssen gespickten Soul-Pop: Selah Sues selbstbetiteltes Debüt ging alleine in Europa mehr als 720.000 Mal über die Ladentische. Auf ihrem zweiten Album "Reason" ergänzt die 25-Jährige ihren Sound nun um leichte Trip-Hop-Einflüsse, sanfte Drum'n'Bass-Beats und Disco-Sounds. In den Texten derweil durchlebt sie das reinste Wechselbad der Gefühle. Wie es tief in ihr drinnen aussieht, verrät Selah Sue im Interview.

Ihr neues Album trägt den Titel "Reason". Sind Sie ein vernünftiger Mensch?

Selah Sue: (lacht) Vermutlich eher das Gegenteil! Ich bin extrem emotional und meine Stimmung ändert sich ständig. Wobei ich in den letzten Jahren tatsächlich eine kleine Spur vernünftiger geworden bin. Zum einen, weil ich seit einiger Zeit Stiefmutter bin, und zum anderen, weil ich seit meinem Erfolg zehn Leute beschäftige. Schon deshalb musste ich sicherstellen, dass diese Platte gut wird - und wenigstens etwas Vernunft an den Tag legen, um all dieser starken Gefühle Herr zu werden. Aber ich bin nach wie vor sehr emotional und sensibel.

Wünscht sich mehr Offenheit.

Wünscht sich mehr Offenheit.

Das hört man Ihren neuen Songs an: Mal sind Sie "Alone", dann "Together", mal singen Sie von "Sadness", dann von "The Light".

Ja, auf der einen Seite stehen der Schmerz, die Suche nach Glück und der damit verbundene Kampf, auf der anderen Seite gibt es aber auch viel Liebe und Freude. Das Album ist eine emotionale Achterbahnfahrt.

Sie haben mal Psychologie studiert. Sind die Songs kleine Studien Ihrer Seele und Psyche?

Das könnte man so sagen. Psychologie ist mein großes Interesse, ich finde das alles super spannend. Zumal ich selbst zu den Leuten gehöre, die alles extrem analysieren. Ich denke ständig über Gefühle nach und spreche darüber. Das liegt nicht zuletzt daran, dass ich seit meinem 14. Lebensjahr selbst zum Psychologen gehe.

Wieso das?

Ich war lange Zeit schwer depressiv und brauchte ab einem jungen Alter eine Therapie, um halbwegs glücklich zu sein und meinen Weg im Leben zu finden. Mittlerweile kann ich damit zwar ganz gut umgehen, aber ich habe nach wie vor viele Hochs und Tiefs. Das liegt bei mir in der Familie: Meine Großeltern waren ebenfalls in der Psychiatrie. Die Depression steckt also in mir und ich muss aufpassen, dass sie nicht wieder zu Tage kommt.

Hilft Ihnen die Musik dabei?

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Aus einer schweren Depression kann die Musik einem nicht heraushelfen, das weiß ich aus eigener Erfahrung. Depression ist eine Krankheit, gegen die man nur mit Medikamenten oder einer guten Therapie ankommt. Aber meine Musik ist für mich wie ein Tagebuch. Sie ist ein Hilfsmittel, um die Gedanken in meinem Kopf zu sortieren. Insofern kann sie schon dafür sorgen, dass es einem ein bisschen besser geht. Aber auch die Tatsache, dass ich so offen damit umgehe, macht es leichter damit zu leben.

Werden Depressionen in unserer Gesellschaft zu wenig thematisiert?

Leider ja. Dabei ist es so wichtig darüber zu sprechen. Ich hoffe, dass ich einen kleinen Beitrag leisten kann, um das zu ändern. Neulich war ich zum Beispiel in einer großen TV-Show, in der es um Depression ging. Man darf das Thema nicht totschweigen - das ist die Botschaft, die ich verbreiten will.

Auf Ihrem Album geht es aber keineswegs nur melancholisch zu. Mit "Together" haben Sie sogar Ihr erstes Liebeslied geschrieben. Für wen ist der Song?

Für meinen Freund. Ich hätte ja nie gedacht, dass ich mal dieses Klischee erfüllen und Liebeslieder schreiben würde, aber es hat mich einfach überkommen. Unsere Beziehung ist so besonders, so gut und rein, dass ich einfach darüber schreiben musste! Vor ihm dachte ich immer, eine gesunde Beziehung zu führen sei unmöglich. Entweder man vertraute sich, es fühlte sich aber an wie Bruder und Schwester, also irgendwie langeilig, oder es war ein ständiges Auf und Ab mit viel Feuer aber ohne Vertrauen. Jetzt führe ich zum ersten Mal eine Beziehung, in der es beides gibt: Feuer und Vertrauen. Das tut wirklich gut.

Was macht Ihren Freund so besonders?

Er ist lustig und bringt mich jeden Tag zum Lachen. Außerdem steht er mit beiden Beinen auf dem Boden, so wie ich. Und wenn es mir mal schlecht geht, schafft er es immer, mich aufzuheitern, indem er einfach sagt, dass alles nicht so schlimm ist. Wir passen wirklich gut zusammen.

Neben ihm haben Sie noch einem anderen Mann einen Song gewidmet, und zwar Ihrem "Daddy". Auf dem letzten Album sangen Sie noch Ihrer "Mommy" ein Ständchen. Hat Ihr Vater sich beschwert, dass er auch einen Song will?

(Lacht) Das nicht, aber ich wollte es gerne. Auf meinem nächsten Album werde ich einen Song für meine Schwester machen, auf dem danach für meinen Bruder und dann habe ich sicher Kinder, die an der Reihe sind. Jeder kriegt seinen Song! Im Ernst: Mein Vater hat es wirklich verdient. Meine Mutter ist mein mentaler Coach, sie ist immer um mein Glück besorgt. Mein Vater hingegen ist eher mein Karrierecoach und der Träumer der Familie. Alle anderen sind super realistisch und bodenständig, aber mein Vater hat immer große Träume. Deswegen singe ich auch "the one that makes me dream is daddy". Er ist es, der mich anspornt nach Erfolg zu streben. Und er ist super stolz: Er guckt sich jeden Tag YouTube Videos von mir an.

Am Ende des Songs ist eine Stimme zu hören. Ist das Ihr Vater? Und was sagt er?

Ja, das ist er. Ich habe es heimlich aufgenommen, als ich von einer Tour nach Hause kam. Er spricht niederländisch und sagt: "Oh mein Baby, wie geht es dir, ich bin so stolz", gibt mir einen Kuss, und am Ende – das ist das Lustigste – fragt er: "Und wie wirst du bezahlt?"(lacht).

Mit Selah Sue sprach Nadine Lischick

Das Album "Reason" erscheint am 27. März 2015 - bei Amazon bestellen

Quelle: ntv.de

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