Musik

Von DJs und iPod-Benutzern The Prodigy ist für die Nacht gedacht

The Prodigy stehen nicht auf Schubladen: "Das ist Prodigy-Musik!"

The Prodigy stehen nicht auf Schubladen: "Das ist Prodigy-Musik!"

Mit ihrem neuen Album "The Day Is My Enemy" zeigen The Prodigy der Electronic-Dance-Music-Szene den Mittelfinger. "Elektronische Musik wird kommerzialisiert", kritisiert der Kopf der britischen Band, Liam Howlett. Die Antwort des Trios ist brachial.

Die 1990 gegründeten The Prodigy sind schon immer aus der Genre-Reihe getanzt. Acid House, Techno, Trip-Hop, auch Hardcore- und Punkanleihen - alles dabei gewesen. Das Trio mit dem "Firestarter"-Hit ist auf ganz eigene Weise Charts-Superstar und etwas fremdelnder Außenseiter zugleich. Auf ihrem neuen Album, dem ersten seit "Invaders Must Die" vor sechs Jahren, rebellieren The Prodigy auch gegen die Übermacht der DJs in der Electro-Szene. Über den Hang zum Live-Krawall, Glaubwürdigkeit und Verantwortung sowie glasklare After-Show-Momente sprach n-tv.de mit Liam Howlett und Sänger Keith Flint in Berlin.

n-tv.de: "The Day Is My Enemy" ist sehr laut und aggressiv geworden – fast verstörend. 

Liam Howlett: Das Album ist eine Reaktion auf das, was um uns herum passiert. Elektronische Musik wird kommerzialisiert, jeder will ein Stück davon haben - der Rap, die Popmusik. Unser Job ist es, einen rebellischen Soundtrack zu schreiben. Wir sind keine wütenden Menschen, unsere Musik kommt einfach aus uns heraus. Es gibt in unserer Szene kaum Bands, sondern vor allem DJs. Wir dürfen sie nicht alles übernehmen lassen.

Wenn ihr nicht wütend seid, wie würdet ihr euch dann beschreiben?

Keith Flint: Wenn du etwas mit Leidenschaft machst, brennst du dafür. Es hat für uns keinen Sinn, auf die Bühne zu gehen und keinen Krawall zu machen, nicht diese große fanatische Meute zu entfachen. Das ist die Vision, die uns im Studio antreibt, und das suchen wir auch in einem Album: etwas, das dich aufwühlt. Wir sind kein Beruhigungsmittel.

Was nervt euch an der elektronischen Musik derzeit am meisten?

The Prodigy können noch immer kräftig zubeißen.

The Prodigy können noch immer kräftig zubeißen.

Howlett: Musik ist zyklisch und gerade sind wir in einer sehr unkreativen Phase. Elektronische Musik ist heute für jeden sehr einfach selbst zu machen. Ich habe das satt, es geht dabei nicht um Kreativität, sondern nur ums Geldverdienen. Musik, die von Kindern im Schlafzimmer gemacht wird, kann dir kein Feuer und keine Hoffnung geben. Vielleicht liest das jetzt jemand und wird sauer und schreibt Musik. Das hoffe ich, das will ich provozieren.    

Das Stück, in dem diese Kritik sehr deutlich wird, heißt "Ibiza".

Howlett: Der Track ist kein Angriff auf die Insel. Es geht um die Situationen, die wir dort erlebt haben. "Ibiza" ist ein Weckruf für faule DJs, die ein vorgemischtes Set auf einem USB-Stick absolvieren und nur die Arme in die Luft werfen. So jemand ist kein DJ, er ist ein iPod-Anwender.

Flint: Wir haben auch eine Verantwortung, glaubwürdig zu sein. Einige DJs nutzen das Ganze als Geldmaschine für sich selbst. Sie vergessen ihre Fans, die 90 Euro zahlen, um in den Club zu kommen. Es hat etwas Unehrliches, die Szene auszubeuten, aus der man stammt.

Euer neues Album wird im Labeltext als Reise "durch die unerforschten Schattenseiten des urbanen Nachtlebens" beschrieben. Was soll das heißen?

Howlett: Ich dachte, das wäre Journalistensprache und ihr wüsstet dann, worum es geht.

Der Albumtitel "The Day Is My Enemy" ist einfacher zu verstehen.

Okay, das mit der Nacht haben wir verstanden.

Okay, das mit der Nacht haben wir verstanden.

Howlett: In den letzten drei Monaten der Arbeit an der Platte kam ich an den Punkt, wo es mich langweilte, Tag für Tag von 11 bis 20 Uhr ins Studio zu gehen. Es fühlte sich wie ein Job an. Ich hatte zehn Tracks geschrieben, aber es musste mehr Intensität rein. Ich entschied, nachts zu arbeiten - erst um 18 Uhr loszugehen und um 4 Uhr früh nach Hause zu kommen. Es war meine kreativste Phase. Die Musik von The Prodigy ist für die Nacht gedacht.

Kann man eure neue Platte noch als Dance Music bezeichnen?

Howlett: Es ist Prodigy-Musik. Wir glauben, dass man inspiriert wird, wenn man jung ist und dass diese Inspirationen dich nie mehr verlassen wird. Bei uns waren das die Rave-Szene, der HipHop der späten 80er, Public-Enemy-Beats, der Ethos des Punks, die Gangmentalität von The Specials. All das macht The Prodigy aus – schon immer. Wir sehen uns als Piraten: Wir nehmen uns von jedem Genre das, was uns gefällt und mischen es auf unsere Art zusammen.

Du schreibst viele Tracks nach Shows. Warum bist du dann am kreativsten?

Howlett: Ich habe dann einen offenen Geist. Ich will nicht wie ein Hippie klingen. Aber es gibt keine größere Klarheit als den Moment, in dem du von der Bühne gehst. Und wenn wir ein Album schreiben, wollen wir etwas Ganzes machen - nicht eine Sammlung von zwölf Tracks. Wir hoffen, dass es noch Menschen gibt, die eine Platte von Anfang bis Ende hören.

Ihr hattet schon 2010 ein neues Album angekündigt. Warum hat es so lange gedauert?

Howlett: Die damals angekündigte Platte hat es nie gegeben. Wir hatten die Hälfte der Tracks geschrieben, ein paar davon haben wir auch live gespielt. Aber ich merkte, dass ich es besser kann. Es fühlte sich nicht richtig an. Also haben wir die Tracks in die Schublade gepackt. Nur "Rok-Weiler" überlebte und schaffte es auf "The Day Is My Enemy".

Mit Liam Howlett und Keith Flint sprach Nadine Emmerich

"The Day Is My Enemy" erscheint am 27. März 2015 - bei Amazon bestellen

Quelle: ntv.de

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