Musik

The Movie Album Till Brönner goes to Hollywood

Ein Mann und sein Instrument.

Ein Mann und sein Instrument.

"Sie haben also schon mal für mich gekocht", fragt der Mann mit der bekanntesten Trompete Deutschlands mit diesem amüsiert-unverschämten Lächeln, von dem er genau weiß, dass es dem Gegenüber die Schamesröte  ins Gesicht treibt und jede potenzielle Schwiegermutter aus der Fassung bringen würde. Ach, das mit dem Kochen ist lange her, es ging um sein Album "At The End Of The Day" und die Journalistin hatte einfach zu oft "Summerbreeze" gehört und sich Tagträumereien hingegeben, Schwamm drüber. Denn jetzt treffen wir uns ja, um über das neue Album zu sprechen. Darauf hat der Herr Brönner Filmmusik interpretiert und sich Lieblingsgäste ins Studio geholt, zum Beispiel Gregory Porter oder Joy Denalane. Außerdem hat der Tausendsassa gerade einen Fotoband herausgebracht, in dem er berühmte Freunde und Kollegen porträtiert, macht Werbung für einen Herrenanzughersteller, schwärmt von seiner Baby-Nichte  und wirkt so entspannt und freundlich, als käme er direkt aus drei Wochen Ayurveda-Kur. Wir sprechen mit dem Meister des Blechs über Sinatra, das Wetter und Lieblingsfilme im - wie passend - Jazzcafé Grolman.

n-tv.de Jetzt geht’s ja an allen Ecken und Enden los bei Ihnen, aber war es in letzter Zeit denn etwas ruhiger um Sie oder täuscht das?

Till Brönner: Das täuscht natürlich (lacht). Immer, wenn man gerade kein fertiges Produkt auf den Markt bringt, denken die Leute, dass man nichts macht. Aber das stimmt natürlich nicht. Ich habe zum Beispiel einen Teilumzug nach Los Angeles hinter mir und das war sehr ereignisreich. Jetzt steht mein neues Album an, was natürlich auch zu großen Teilen in Kalifornien entstanden ist. Denn da ich nunmal in Hollywood gelandet bin, war es naheliegend, das auch zum Thema zu machen. Jazz und Filmmusik sind ja eng miteinander verbunden.

Was hat Sie denn ursprünglich nach Los Angeles getrieben?

Angekommen in Los Angeles ...

Angekommen in Los Angeles ...

Für mich steht seit mehreren Jahren fest, dass die Kreativen aus allen Bereichen sich schon immer dort treffen, weil die Berührungspunkte einfach größer sind. Meist passiert das auch noch auf einem wirklich hohen Level, das geschieht einem sonst eher selten. Maler dort sind mit den besten Galeristen connected, okay, und Schauspieler sind entweder Kellner oder Taxifahrer oder aber sie sind gleich richtig erfolgreich, und was mich am meisten fasziniert, ist, dass man dort so viele Ältere trifft. Alte Künstler, die nicht mehr reisen, aber gerne Auskunft geben. Man trifft dann den Toningenieur von Frank Sinatra und atmet somit Musikgeschichte ein.

Der Geist von Frank Sinatra weht also dort noch immer durch die Hallen?

Auf jeden Fall (lächelt). Klar, die Technik hat Einzug gehalten, aber da gibt es noch viel Handarbeit, Tradition.

Ausgerechnet in Los Angeles gibt es noch Handarbeit?

Ja, das ist erstaunlich bis erschreckend (lacht). Da wird wahrhaftig mit Können und ein bisschen Zauberei gearbeitet. Die künstlichste, kitschigste Filmmusik kommt eben doch noch immer von echten Streichern. Da haben Musiker auch eine Gewerkschaft, weil dort das Business ist. Und man kann sich hervorragend austauschen, allein in Los Angeles leben wahrscheinlich 500 Trompeter, die alle auf einem hohen Level spielen. Ich fühl' mich da sehr wohl, weil ich endlich wieder unter Gleichgesinnten bin. Das hatte ich zum letzten Mal in der Studienzeit. Irgendwann lässt das nach, dieser Austausch mit anderen. Hier komme ich mir immer vor wie der einzige Trompeter.

Ist das nicht aber auch eine große Konkurrenz?

Ja klar gibt es Konkurrenz, aber Trompeter untereinander haben ein gutes Gefühl füreinander, man versteht sich oft blind und weiß um die Leiden des anderen.

Leiden?

Ja, technisches Leiden. Es gibt Stolperfallen bei Blechblasinstrumenten, die darin begründet sind, dass die Tonerzeugung beim Menschen selbst stattfindet. Jeder Fehler ist unmittelbar auf den Spieler zurückzuführen, es gibt keine Ausreden.

Haben Sie denn einen der alten Recken noch erleben können, Stichwort Frank Sinatra?

Till Brönner fühlt sich wohl in Kalifornien.

Till Brönner fühlt sich wohl in Kalifornien.

Naja, das ist jetzt leider zu lange her, er ist ja schon eine Weile tot (seit 14.Mai 1998, Anm. d. Red.) Ich habe damals, als er zum letzten Mal in Deutschland aufgetreten ist, blöderweise nicht realisiert, dass man ihn sich noch einmal anschauen sollte, da war ich gerade zu sehr mit meinen eigenen Dingen beschäftigt. Ich hab' ihn leider erst nach seinem Tod für mich entdeckt. Aber ich hatte neulich eine Begegnung der anderen Art. Ich war zu einem nennen wir es mal Salon eingeladen, da saß ich mit vier älteren Herren am Tisch. Die sahen aus wie die beiden Typen vom Balkon in der Muppets Show und waren sehr freundlich zu mir und am Ende des Abends stellt sich heraus, dass der eine die Musik für "M.A.S.H.2, "Love Boat" und viele andere erfolgreiche Serien komponiert hat. Daneben saß Van Alexander, der hat für Ella Fitzgerald geschrieben und der Dritte war Komponist für die Muppetshow (lacht). Mein Kopf wär' fast ins Essen gefallen, weil ich da mit Typen saß, die echt Geschichte geschrieben haben. Da sitzen dann Junge und Alte und tauschen sich über das Filmbusiness aus, und den Alten zuzuhören ist wirklich anrührend und spannend.

Noch mehr Geschichten?

Ja gerne. Neulich habe ich mit meinem Freund und Förderer Arturo Sandoval gespielt. Plötzlich geht die Tür auf und Andy Garcia kommt rein. Der hatte einfach Lust, Bongo zu spielen. In Kalifornien dürfen Schauspieler Musik machen, ohne dass sich einer wundert. (zögert kurz) Ein wunderbares Pflaster ist das. Das kalifornische Wetter brauche ich nicht extra zu erwähnen, oder? (lächelt)

Bitte nicht …

Ja, hier droht jetzt natürlich Ungemach.

Ist Till Brönner in Amerika eigentlich Till Bronner, wie Diane Kruger ohne Punktchen auf dem Vokal?

(lacht) Ja, das geht nicht anders, das mit dem ö ist eine schwierige Sache.

Wie ist es denn zu der schönen Mischung von Künstlern auf Ihrem neuen Album gekommen? Nicht nur Joy Denalane und Gregory Porter, auch der unfassbar gute Jazz-Pianist Frank Chastenier ist dabei.

Ja, da ist vieles auch spontan entstanden. Wir wussten, wen wir haben wollen, da mussten wir nicht lange fackeln oder überreden. Von Joy bin ich schon lange Fan und dass sie eine gute Figur machen würde, ist klar. Gregory Porter ist der Mann der Stunde, da freu' ich mich natürlich, dass er der Mann für "Stand By Me" ist. Lizzy Cuesta ist eine Neuentdeckung für deutsche Konsumenten, aber eine, von der man wieder hören wird! Und ich selbst habe natürlich das schönste Lied auf dem Album gesungen (lacht).

Welcher ist denn Ihr Lieblingsfilm?

Schwer zu sagen, auf dem Album sind durchweg Stücke, deren Filme mich sehr berührt haben. Es gibt Filme, wo die Musik berühmter geworden ist als der Film. Dazu gehört zum Beispiel "Cinema Paradiso". Für so etwas ist ja gerne Ennio Morricone verantwortlich. Der hat diese großen Melodie-Klopper geschrieben. Ich hab' ja immer eher das Ziel, auf der Trompete auch wie 'ne menschliche Stimme zu klingen. Also, mein absoluter Lieblingsfilm ist "Der alte Mann und das Meer" mit Spencer Tracey. Der eignet sich aber nicht so sehr für Trompete.

Und Ihr "Raindrops Keep Fallin' On My Head" ist nun das Lieblingslied?

Ja, es passt super zu meiner Stimmfarbe, das darf man auch nicht so ganz außer acht lassen (lacht). Außerdem ist es von Burt Bacharach, der es immer geschafft hat, etwas zu schreiben, an dem eigentlich niemand vorbeikam. Alle großen Sängerinnen haben einen Song von Burt Bacharach gesungen.

Und Sie jetzt auch!

Ja! (lacht)

Ich möchte auf jeden Fall jetzt alle diese Filme sehen, die auf dem Album sind. Haben Sie auch schon Filmmusik geschrieben?

Ja, bereits zwei Mal. Das ist gar nicht so einfach, die Musik muss da oft viel retten, wenn es an anderen Stellen im Film nicht passt. Es muss immer schnell gehen und das Geld wurde eigentlich auch schon vorher ausgegeben. Oft ist Filmmusik inzwischen, vor allem im Fernsehen, zu einer Art Klangteppich verkommen. Es wäre schön, wenn sich das mal wieder ändern würde. Und die Tatsache, dass Jazz hervorragend als Filmmusik eingesetzt werden kann, ist auch in Vergessenheit geraten, das ist wirklich schade. Aber ansonsten ist Filmmusik eine schöne Sache. (lächelt)

Sie modeln, Sie fotografieren, Sie machen Musik, wann sehen wir Sie vor der Kamera?

Naja, ich werde eingekleidet von einem Herrenausstatter und da darf der mich natürlich auch fotografieren (lacht), aber Anfragen für Filme gibt es tatsächlich. Ich habe allerdings sehr großen Respekt vor der Schauspielerei. Da ich mich ungerne blamiere, sage ich das dann lieber ab, wenn ich mich nicht sicher fühle oder einfach keine Zeit habe, mich ausreichend vorzubereiten.

Haben Sie manchmal Angst, sich zu verheizen?

Es gibt diesen schönen Satz: "Warum gibt es Künstler, die alles machen?" "Weil sie es können." Es gibt tatsächlich diese Talente, die vieles in sich vereinen. Ich versuche also lieber, es zu dosieren und nicht belanglos zu werden, es muss mir einfach wichtig sein. Und es muss auch Fans finden.

Deswegen vielleicht jetzt auch Hollywood?

Ja, da traut man den Künstlern, siehe Gwyneth Paltrow, Catherine Zeta Jones, Hugh Jackman, Shirley MacLaine, einfach zu, dass sie vieles können. Das ist in Deutschland schwieriger.

Als wir uns das letzte Mal getroffen haben, haben wir auch über die Rolle der Musik in Deutschland gesprochen und darüber, dass sie mehr erforscht werden müsste, Sie hatten sogar Pläne für ein Jazz-Zentrum ...

Ja, richtig, ich wünschte, ich könnte bessere Neuigkeiten vermelden. Ich hab' zwar nicht locker gelassen, aber wir sind nicht wirklich vorangekommen. Ich hänge an dem Thema, aber in Zeiten wie diesen gibt es keinen so richtigen Ansprechpartner. Das entmutigt mich aber nicht, ich bleib' dran. Das Dilemma, dass Musik nicht richtig gewürdigt wird, fängt in der Schule an, wo der Musikunterricht gern mal ausfällt. Da frage ich mich, wie Kinder den Stress abbauen oder Aggressionen bewältigen sollen.

Musik als therapeutischer Aspekt?

Bald tourt das Till-Brönner-Orchestra.

Bald tourt das Till-Brönner-Orchestra.

Musik ist eigentlich Prophylaxe gegen Stress und tut jedem gut. Man muss kein Riesentalent sein, um sich zum Beispiel am Klavier auszuprobieren.

Pläne?

Erst das Album, dann die Tour, und zwar mit dem Till-Brönner-Orchestra (lacht). Das wird was für die Ohren und die Augen, eine Show!  

Mit Till Brönner sprach Sabine Oelmann

"The Movie Album" ist am 26. September bei Universal Music erschienen - bei Amazon bestellen

Quelle: ntv.de

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