Musik

"Dreckig, kaputt, voller Leben" Wilde Ekstase mit den I Heart Sharks

Schick, schicker, I Heart Sharks.

Schick, schicker, I Heart Sharks.

Die I Heart Sharks sind drei Berliner Jungs, die einen tanzbaren Mix aus Elektro und Gitarrenmusik bieten. Die schicken Boys rocken so ziemlich jede Bühne, Ungewöhnliches schreckt sie nicht ab - gerne blockieren sie dabei ganze Treppenhäuser.

Inmitten der harten Bässe des Berliner Berghains lernten sich Pierre Bee, Simon Wangemann und Martin Wolf kennen. Schon bald wussten sie: Eine eigene Band muss her, die mehr kann, als rein maschinelle Töne zu erzeugen. Mit ihrem Album "Anthems" können sie nun endlich zeigen, was sie draufhaben. Im Gespräch mit n-tv.de erklären die drei sehr unterschiedlichen Jungs, was ihre Musik zu etwas Besonderem macht. Während sie sich bei diesem Thema sehr einig sind, können sich die stilsicheren Boys aber auch mal "haten".

n-tv.de: Ihr kommt alle aus verschiedenen Teilen der Welt: Sachsen, New York und London. Wie habt ihr als Band zusammengefunden? Woher kennt ihr euch und wie kam es zu eurer Bandgründung?

Simon: Pierre und ich sind zur selben Zeit nach Berlin gezogen. Pierre aus London und ich aus Dresden in dem Fall. Ich bin ganz viel umgezogen in meinem Leben. Ich war nicht nur in New York.

Kommst du dort denn ursprünglich her?

Simon: Nein, ich bin in München geboren, dann in New York und Virginia aufgewachsen und in Dresden noch zur Schule gegangen. Danach bin ich dann nach Berlin gezogen. Wegen der ganzen Umzüge werde ich auch manchmal "lost boy" genannt. (Pause) Was war die Frage eigentlich? (lacht)

Woher ihr euch kennt und wie I Heart Sharks entstanden ist.

Pierre: Wir sind damals sehr oft ins Berghain gegangen und haben aus dem Techno dort sehr viele Ideen gesammelt. Da haben wir uns auch kennen gelernt und beschlossen, eine Band zu gründen. Wir wollten maschinelle Elemente vom Techno und menschliche Elemente verbinden. Gerade aus Großbritannien kenne ich viel Gitarrenmusik.

Seit wann lebt ihr denn in der Hauptstadt?

Simon: Pierre und ich wohnen seit 2007 in Berlin.

Martin: Und ich wohne in Leipzig.

Was mögt ihr an Berlin? Was ist dort anders im Vergleich zu euren Heimatstädten?

Pierre: Das Leben hier ist wie gefühlte Freiheit - als ob alles niemals zum Ende kommt. In London hat man sehr viel Zeitdruck. Hier waren die Tage immer endlos. Wir haben auch lange Zeit neben der Musik als Barkeeper gearbeitet. Durch den Job war unser Tagesrhythmus ein ganz anderer - man war zu richtig komischen Uhrzeiten wach und hat dann eben Musik gemacht. In einem Song von LCD-Soundsystem heißt es "We can't have parties like in Spain where they go all night / Or like Berlin where they go another night" - das finde ich total passend. (lacht)

Glaubt ihr, dass eure Musik durch eure unterschiedliche Herkunft bereichert wird? Weil jeder andere Einflüsse einbringt?

Simon: Ich glaube schon. Also, im Vergleich zur Reggae-Kultur in Jam aika. (alle lachen) Nein, im Ernst: Unsere Musik ist auf jeden Fall eine Mischung aus der deutschen Musik der 80er-Jahre, die damals in Berlin entstanden ist, aber auch ein Künstler wie David Bowie, der in den Achtzigern in Berlin war, hat uns beeinflusst. Und englische Einflüsse haben wir auch. Was den Sound angeht sowieso, aber auch was die Texte betrifft. Pierre schreibt die Texte auf Englisch.

Pierre: Ich finde es immer gut, eine Mischung aus allem zu haben. Das ist schöner. Das ist genau wie bei Städten: Auch die schönsten Städte bestehen aus Menschen, die aus verschiedenen Ecken kommen. Ich freue mich immer, wenn mehr Leute nach Berlin ziehen. Ich finde es schade, wenn jemand etwas dagegen hat, dass Leute aus anderen Ländern nach Deutschland kommen. Denn ich finde das super und es bringt auch sehr viel für eine Stadt. Wie Simon schon meinte: Es ist natürlich diese Mischung aus der deutschen elektronischen Seite von Musik und der britischen Seite, die menschlicher ist und gitarrenlastiger.

Simon: Vielleicht kann man auch sagen, dass wir diese deutsche elektronische Präzision und Härte - die im Berghain wie Beton ist - diesen "Made-in-Germany-Ansatz" - damit meine ich das Maschinelle wie bei Kraftwerk - mit einer menschlichen Seele verbinden.

Pierre, du hast auch über die Fashion Week in Berlin gebloggt - du interessierst dich also anscheinend für Mode. Bist du sonst auch auf irgendeine Art und Weise in der Branche unterwegs?

Die Jungs sagen sich untereinander gerne ihre Meinung.

Die Jungs sagen sich untereinander gerne ihre Meinung.

Pierre: Wir interessieren uns alle sehr für Mode. Wir entscheiden auch immer selbst und suchen selbst aus, was wir auf der Bühne tragen, da uns sehr wichtig ist, rüberzubringen, dass wir eine homogene Gruppe sind. Früher haben wir sogar Uniformen getragen, das fanden wir total wichtig. Denn sie sind dafür da, dass man sich nicht auf die Kleidung konzentriert, sondern auf etwas anderes, in unserem Fall die Musik. Damals haben wir alle weiße Schuhe und blaue Hemden getragen, damit wir besser zusammenpassen. Heute gehen wir noch genauso bewusst damit um, bringen aber mehr Individualität in unsere Outfits ein.

Eigene Mode mache ich zwar nicht, aber wir kümmern uns immer selbst um unsere Merchandising-Produkte. Dieses Jahr setzen wir unsere Ideen stärker um und die Sachen werden auch modebewusster designed. Das ist eine bewusste Entscheidung von uns: Wir wollen den Leuten, die unsere Musik hören, das anbieten, was sie auch gerne tragen.

Macht ihr das alle drei zusammen?

Pierre: Normalerweise mache ich ungefähr 20 Entwürfe und schicke die an die anderen. Die Hälfte wird dann 'weggehated'. (alle lachen) Nein, wir sind da sehr ehrlich miteinander und am Ende bleiben so vier oder fünf Entwürfe übrig und die entwickele ich dann weiter. Danach werden dann die Teile ausgesucht, auf die wir die Vorlagen drucken. Mit Jutebeuteln ist es ja langsam vorbei (lacht) - mit denen machen wir also nichts mehr. Daher müssen wir uns andere Dinge zum Bedrucken suchen und da muss man ein bisschen recherchieren. Solche Sachen machen wir sehr demokratisch untereinander.

Stil haben die Berliner Boys.

Stil haben die Berliner Boys.

Martin: Ich finde dieses 'haten' auch wieder interessant, denn bei anderen heißt es vielleicht: Wir machen das so, fertig. Und wir diskutieren darüber, was wir wirklich wollen. Und dann kommt man auf einen guten gemeinsamen Konsens und alle sind zufrieden.

Pierre: Und anstatt irgendwelche Kompromisse zu machen, sucht man dann lieber nach einer anderen, stärkeren Idee.

Wieso heißt ihr eigentlich I Heart Sharks?

Pierre: (lacht) Es gibt tausend Geschichten, wie der Name zustande gekommen sein soll, aber eigentlich stimmt keine. Was wir gut an dem Namen finden, ist, dass Leute ihn sich gut merken können. Er macht nicht wirklich Sinn, aber sollte er auch gar nicht.

Also war der Name Zufall?

Pierre: Ja, total.

Ihr habt schon auf vielen Festivals gespielt, dieses Jahr geht ihr zum Hurricane/Southside Festival. Sind das die größten Festivals, bei denen ihr bisher gespielt habt, oder seid ihr schon an solche Massen gewöhnt?

Simon: Wir wissen noch gar nicht, wie groß das wird, weil wir noch nicht wissen, auf welcher Bühne wir spielen. Wir freuen uns jetzt aber vor allem erst mal auf unsere Headlinertour, denn da kommen die Leute hin, um wirklich uns zu sehen, nur uns.

Pierre: Ich war vor vielen Jahren mal da, also im Publikum. Und mir hat es extrem gut gefallen. Es war wie so ein Maßstab in meinem Kopf, dort mal zu spielen. Dass wir das geschafft haben, ist super. Das war sogar das erste Mal, dass ich in Deutschland war. Und auf unsere Tour vorher freue ich mich natürlich auch. Denn das ist einfach unser Ding und da können wir alles zeigen, was wir wollen.

Aber noch mal zur Größe: Ab einer gewissen Größe ist es eigentlich egal, wie groß es ist. Ab tausend Leuten merkst du den Unterschied gar nicht. Man hat vor tausend Leuten genauso viel Angst wie vor zehntausend Leuten. Es macht immer Angst irgendwie. Genauso machen aber auch die ganz kleinen Shows Angst. Da siehst du die Leute direkt, sie sind ganz nah. Das ist aber dann eine andere Art der Nervosität, denn man guckt ihnen die ganze Zeit in die Augen.

Genau das habe ich neulich erlebt. Da sind die Fans sogar auf die Bühne gestiegen und haben bei der Show einfach mitgemacht. Hättet ihr auf so was auch Lust oder wäre auch das zu viel?

Pierre: Wir machen so was oft. (lacht) Und das ist auch witzig. In St. Gallen haben wir mal in einem winzigen Raum gespielt.

Simon: Das war total geil. Die Toilette war hinter der Bühne. Und wenn die Leute dort hingehen wollten, mussten sie über die Bühne, durch die Instrumente durch.

Ihr habt auch schon in verlassenen Treppenhäusern und umfunktionierten Flugzeughangars gespielt. Was war denn die verrückteste Show, die ihr jemals erlebt habt?

Pierre: Die Treppenhaus-Show war am krassesten. Das war in der "Villa", einem Club in Berlin, den gibt es mittlerweile aber nicht mehr. Das war also in einem Treppenhaus, aber das waren 'aktive' Stufen - er war nämlich die einzige Verbindung zwischen den beiden Tanzflächen. Und irgendwann haben die Leute dann da auch Crowdsurfing gemacht und haben angefangen, über die Treppengeländer zu springen. Deshalb mussten wir aufhören, es wäre zu gefährlich geworden. Das war wirklich verrückt.
Auch unser Auftritt mit Kraftklub in der Westfalenhalle war krass. Da waren zehntausend Menschen - es war unglaublich, wie groß das war. Man geht auf die Bühne und hört nur eine Wand aus Tönen aus der Menge. Das ist wie eine andere Welt.

Simon: Wir hatten auch mal ein Konzert in London - das war auch verrückt. Wir sind morgens dort hingeflogen, haben unser Konzert gespielt, das live auf "Channel 4" übertragen wurde, und sind dann abends wieder nach Hause geflogen. So viel an einem einzigen Tag.

Martin: Wir haben auch erst ganz kurz vorher erfahren, dass das Konzert bei einem der größten Sender dort ausgestrahlt wird, wir dachten, es läuft nur im Internet. Und dann im Backstage-Raum kurz vor der Show zu erfahren: "Ey, ihr seid gleich vor ganz vielen - Millionen - Leuten." Das war schon aufregend.

Euer erstes Album "Summer" wurde teilweise mit Hilfe der Fans finanziert. Wie genau haben sie euch geholfen und wie kam diese Idee überhaupt zustande?

Simon: Wir hatten das ganze Album schon geschrieben und zum Teil auch aufgenommen. Wir waren also quasi fertig. Aber es hat uns noch ein bisschen Geld gefehlt, um die letzten Studiokosten zu decken und das wirklich rauszubringen. Über Pledgemusic haben wir dann Fans organisiert, die bestimmte Sachen von uns kaufen konnten. Das waren das Album an sich und auch bestimmte Fanartikel oder Merchandise-Produkte.

Pierre: Das war echt nett. Sie konnten das ersteigern und das hat sehr geholfen.

Euer zweites, neues Album "Anthems" hat Joseph Cross - der Produzent von Hurts - produziert. Wie kam es dazu? Kam er auf euch zu oder habt ihr ihn euch selbst an Land gezogen?

Simon: Wir haben ihn gesucht. Wir wussten schon relativ früh, dass wir uns einen Produzenten in England angeln wollten, einfach wegen des englischen Sounds, den wir schon beschrieben haben: ein bisschen Gitarrenmusik, ein bisschen dreckig und kaputt, aber trotzdem voller Leben. Das ganze Album steht auch unter dem Reiseaspekt - dass wir also reisen, denn auch während der Produktion sind wir immer wieder zwischen Berlin und Manchester gependelt und waren auch mal in Hamburg um Songs aufzunehmen. Außerdem waren wir gleichzeitig auf Tour, sind dadurch also auch ständig unterwegs gewesen. Es gab eine permanente Bewegung in unseren Köpfen, es gab kein Stillstehen. Es ging immer ums aufbrechen, irgendwo ankommen und dort kreativ sein.

Wenn wir schon bei dem Album sind: Um was geht es thematisch?

Pierre: Das ganze Album ist eine Realitätsflucht. Die Idee ist, dass man einen Fluchtweg von seinem Alltag hat, wenn einem der einfach zu viel wird. Es soll eine Welt im Kopf geben, in der man selbst der Star ist, wenn man es sein will. In "Karaoke" ist das ganz stark und auch "Headlines" und "Drive" bringt einen in andere Welten, die in der Realität nicht existieren. Für uns ist es thematisch auch ein Erwachsenwerden. Wie wir in unseren Köpfen größer geworden sind und wie wir damit umgegangen sind. Es ist auf jeden Fall eine sehr ehrliche Platte.

Es geht also um euch persönlich?

Pierre: Oft. Die Texte sind autobiografisch, denn wir schreiben schon über Dinge, die wir erlebt haben, die wir gefühlt haben, aber eben auf eine aufgeblasene Art und Weise - ein bisschen übertrieben, damit sie einfach spannender rüberkommen.

Was ist denn das Besondere an eurer Musik? Was hebt euch von den anderen Bands ab?

Pierre: Es ist die Kombination aus dem britischen und dem deutschen Stil. Wir sind eine gemischte Band, die aus beiden Stilen die Stärken rausholt. Ich kenne außerdem wenige Bands, die Popmusik machen, die so authentisch ist und nicht nur auf eine kommerzielle Ebene abzielt. Viele Bands haben vielleicht Angst, ehrliche Musik zu machen, aber dann ist sie weniger eingängig. Viele haben Angst, nicht cool rüberzukommen.

Aber ihr wollt nicht nur authentisch sein, sondern die Leute auch zum Tanzen bringen, oder?

Pierre: Ja, die Idee ist natürlich schon, dass man seine Füße und seinen Kopf bewegen kann.

Und neben der Musik, habt ihr auch andere Jobs? Produziert ihr zum Beispiel auch?

Simon: Das nimmt jetzt wieder zu. Zwischendurch mussten wir auch andere Sachen machen, die wir nicht unbedingt tun wollten, aber irgendwie mussten wir ja unseren Lebensunterhalt finanzieren. Seit über einem Jahr arbeiten wir auch für andere Künstler. Pierre und ich schreiben Texte für andere, wir haben ein Studio in Neukölln, das wir immer wieder benutzen, um Remixe zu machen oder individuell mit anderen Künstlern etwas zu produzieren. Außerdem hat Pierre jetzt zum ersten Mal für eine andere Band auch ein Musikvideo gedreht und produziert. Wenn wir die Zeit haben, uns mit anderen Künstlern zu beschäftigen, machen wir das sehr gerne. Es tut gut, auch mal aus dem eigenen starren Konstrukt auszubrechen.

Mit I Heart Sharks sprach Saskia Nothofer

Das Album "Anthems" erscheint am 28. März 2014.

Quelle: ntv.de

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