"Four Lions" Heiliger Krieg mit Humor
18.04.2011, 09:55 UhrIm September jährt sich der Terrorangriff auf die Twin Towers in New York zum zehnten Mal. Zeit, die Themen islamistischer Terror und Heiliger Krieg einmal von der satirischen Seite zu betrachten. Und wer könnte das besser als die Briten: Schwarzen Humor satt bietet "Four Lions“.
Vorsicht, Terror-Satire! Während in Deutschland eine Integrationsdebatte tobt und sich eine zunehmende Islamophobie breitmacht, kommt ein Film in die Kinos, der sich dem Thema satirisch nähert - aber mit voller Wucht: "Four Lions“. Es geht um vier beziehungsweise fünf Möchtegern-Gotteskrieger, die den Heiligen Krieg leben und sich via Selbstmordanschlag in den Märtyrerhimmel bomben wollen. Der öffentliche Aufschrei scheint da programmiert - und es gibt ihn bereits.
Um der, wie es scheint, allgegenwärtigen Terrorgefahr "kein Öl ins Feuer“ zu gießen, dachte ein CSU-Bundestagsabgeordneter laut über ein Verbot des Films in Deutschland nach. Lange wagte sich auch kein Verleih an den heißen Stoff. Capelight bringt "Four Lions“ jetzt in die deutschen Kinos. Endlich, werden viele Fans des Fantasy Filmfests sagen, die den Streifen bereits im Sommer 2010 im Rahmen des Festivalprogramms sehen durften und ihm prompt den Publikumspreis, den sogenannten Fresh-Blood-Award, verliehen. Er folgt damit auf das äußerst erfolgreiche Alien-Spektakel "District 9“. Nun heißt es aber: Auf in den Heiligen Krieg!
"Gotteskrieger" mal anders
Die Protagonisten des Streifens heißen Omar (Riz Ahmed), Waj (Kayvan Novak), Hassan "The Mal“ (Arsher Ali), Faisal (Adeel Akhtar) und Barry (Nigel Lindsay). Von Barry, dem Konvertiten bis zu "The Mal“, dem Dschihad-Rapper - alle verbindet der innige Wunsch, via Selbstmordanschlag "ungläubige Kuffar“ zu töten und so selbst zum Märtyrer zu werden. Barry, der sich selbst als Chef der kleinen Dschihadistentruppe aus dem englischen Sheffield sieht, will am liebsten eine Moschee in die Luft sprengen, um auch die "normalen“ Moslems zu radikalisieren und so den "totalen Krieg“ anzuzetteln, an dessen Schluss dann das "Ende der Zeit“ steht. Omar wiederum, waschechter Pakistani, mit Frau, Sohn und im westlichen Standard eingerichteten Haus, ist der wirkliche Kopf der Truppe und plant etwas ganz anderes.
Der Rest der "Lions“ glänzt eher durch subtile Dummheit: Faisal, der für den Bombenbau Wasserstoffperoxyd organisieren soll, tut dies in der nachbarschaftlichen Drogerie. Er kauft über mehrere Jahre hinweg Unmengen von Flaschen gleichzeitig, hortet sie und sagt seinen Kumpanen, er habe beim Kauf verschiedene Stimmen benutzt, damit der Verkäufer in nicht erkennt und Verdacht schöpft. So habe er etwa seine "IRA-Stimme“ verwendet oder die Stimme einer Frau. Dass er einen Bart trägt und aussieht wie Osama bin Laden - na und?!
Lacher am laufenden Band
Überhaupt sorgt die Chaotentruppe für jede Menge Lacher: Bereits die Eröffnungsszene des Films, als Waj ein Probe-Bekennervideo dreht und dafür eine zu kleine Spielzeug-AK-47 in den Händen hält. Darauf angesprochen, dass die Waffe doch ein wenig zu klein sei, rutscht er einfach näher an die Kamera - und damit selbst aus dem Bild. Barry wiederum rät seinen Kumpanen, die Sim-Karten ihrer Handys zu verspeisen, damit sie nicht aufgespürt werden können. Waj fragt daraufhin, ob er sie auch einfach kochen könne. Auch der Tipp von Barry, sich beim Beladen eines Van mit ständig schüttelnden Köpfen zu zeigen, beherzigen Hassan und Waj, schließlich können die feindlichen Satelliten von ihnen so nur unscharfe Bilder machen und ihre Gesichter nicht erkennen.
Als Waj mit Omar in ein Terror-Trainingscamp nach Pakistan reist, nimmt er nicht nur seinen Bet-Bären mit. Er will auch noch Erinnerungsfotos mit seinem Handy machen - im "Mudschahedin-Style“. Omar versucht indes, eine US-amerikanische Drohne mit einer Bazooka abzuschießen. Das ganze geht im wahrsten Sinn des Wortes nach hinten los und sorgt für Riesenwirbel, wie der Zuschauer im Abspann des Films erfährt, und eine schnelle Abreise der beiden "Gotteskrieger“ aus Pakistan.
Bomber, die Spaß machen

"Auf mein Kommando fliegst du zum Ziel. Und wenn ich hier drauf drücke, kommst du in den Himmel, Bruder Krähe“, sagt Faisal.
Faisal versucht indes im heimatlichen Sheffield, Krähen als Bombenträger abzurichten: "Auf mein Kommando fliegst du zum Ziel. Und wenn ich hier drauf drücke, kommst du in den Himmel, Bruder Krähe“, sagt Faisal, kommt versehentlich an den Auslöser und das Federvieh ward nicht mehr. Faisal trifft es dann wenig später selbst - beladen mit eigenhändig hergestelltem Sprengstoff rennt er am helllichten Tag in Sheffield über eine Wiese und springt über eine Mauer. Angefeuert von seinen Kumpanen stolpert er in eine Schafherde und sprengt sich und ein Schaf in die Luft. Danach diskutieren Hassan, Waj, Barry und Omar, ob das Töten eines Schafes - immerhin gehört es zur "Infrastruktur der ungläubigen Feinde“ - Faisal zum Märtyrer macht.
Als Omar bei all dem Dilettantismus seiner Kollegen den Plan eines Selbstmordanschlags ad acta legen will, spricht ihm seine hübsche Ehefrau Sophia Mut zu: "Du warst viel besser drauf, als du dich noch in die Luft sprengen wolltest.“ Und auch der Sohn will seinen Vater als Märtyrer sehen, genau wie in seiner Lieblingsgeschichte, dem etwas abgewandelten "König der Löwen“, in der Simba auch ein Märtyrer ist.
Offene Gesellschaftskritik
Omars Bruder hält von all dem Selbstmordanschlagsplänen indes nichts. Während Omar aber voll in die Gesellschaft integriert zu sein scheint: sicherer Job, Familie und hübsches Haus samt LCD-TV. ist sein Bruder ein strenggläubiger Moslem, der nicht mit Omars Frau sprechen will, solange sie im selben Raum ist. Er ist es dann aber, den die Polizei in einer Nacht-und-Nebel-Aktion verhaftet, als es Hinweise auf einen möglichen Terroranschlag gibt. Ganz offen zielt Regisseur Christopher Morris damit auf die heutige Gesellschaft, kritisiert sie direkt, indem er ihr den Spiegel vorhält: Jeder, der anders aussieht, wird von der Öffentlichkeit als potenzielle Gefahr wahrgenommen, vor allem in einer wie derzeit von der Politik aufgeheizten Stimmungslage.

Polizist: "Die Kostüme werden Euch umbringen." Wenn er wüsste, wie recht er doch hat.
"Four Lions“ gipfelt zum Schuss darin, dass sich Omar mit seinen Kumpanen darauf versteift, nicht etwa die von Barry favorisierte Moschee in die Luft zu jagen, sondern beim London Marathon soviel wie mögliche "fette Kuffar“ zu töten. Sie verkleiden sich als Spaßläufer, die Kostüme für einen guten Zweck tragen. In den Verkleidungen lassen sich die Sprengsätze prima verstecken und fertig sind die "Benefiz-Bomber“. Lacher inklusive. Egal, ob auf der Fahrt nach London, als die Möchtegern-Dschihadisten lauthals im Van "Dancing in the moonlight“ intonieren. Oder als herauskommt, dass Omars Bruder in einem Container auf einem britischen Luftwaffenstützpunkt verhört wird, der sich dank tatkräftiger US-amerikanischer Mithilfe auf ägyptischem Hoheitsgebiet befindet.
"Das Leben des Brian" trifft "Paradise Now"
Lacher sind in "Four Lions“ fast pausenlos garantiert, auch wenn dem einen oder anderen Kinogänger dieselbigen vielleicht ab und an im Hals stecken bleiben. Der am Ende des Films gezeigte "Heimlich-Griff“ kann da explosionsartig für wieder gute Stimmung sorgen.
Der Abspann ist bei "Four Lions“ absolute Pflicht. Warum, wird hier nicht verraten. Aber auch er macht deutlich, dass bei all dem Klamauk und Nonsens des Films der eine oder andere ernste Ansatz in der Handlung versteckt wurde. "Four Lions“ ist deshalb auch ein Film, den man sich locker mehr als einmal anschauen kann. Es gibt vieles, was erst beim zweiten Blick ins Auge oder ins Zwerchfell sticht.
Die Frage, ob "Four Lions“, ähnlich wie die Mohamed-Karikaturen, den Bogen überspannt haben könnten, muss jeder für sich selbst entscheiden. Wer "Das Leben des Brian“ liebt, kommt an "Four Lions“ nicht vorbei. Aber auch die Fans von "Paradise Now“ dürften auf ihre Kosten kommen.
"Four Lions" läuft ab 21. April 2011 in den deutschen Kinos.
Quelle: ntv.de