Lovestory im Thriller-Gewand Rapace & Farrell: "Dead Man Down"
04.04.2013, 13:25 Uhr
Mit “Verblendung” legt der dänische Regisseur Niels Arden Oplev den Grundstein für den Leinwanderfolg der "Millennium"-Trilogie von Stieg Larsson. Danach wird er mit Angeboten überschüttet. Es dauert aber mehrere Jahre, bis Oplev das perfekte Drehbuch für sein Hollywood-Debüt findet. Mit Colin Farrell und seiner Muse Noomi Rapace macht er daraus einen brillanten Rachethriller.

Beatrices Blick schweift ab - und bleibt bei Victors Apartment hängen.
(Foto: Central Film/Wild Bunch)
Wenn dir das Leben eine zweite Chance gibt, nutze sie! Als Beatrice (Noomi Rapace; "Millennium"-Trilogie, "Prometheus") aus ihrem Hochhaus-Apartment irgendwo in einem Randbezirk New Yorks schaut, weiß sie, dass sie diese zweite Chance soeben bekommen hat. Die junge Frau, die mit ihrer Mutter (Isabelle Huppert; "Die Klavierlehrerin", "8 Frauen") dort wohnt, ist Zeugin eines Mordes geworden. Im benachbarten Wohnblock hat gerade ein Mann einen anderen umgebracht. Beatrice zittert, aber in ihrem Gehirn schmieden sich bereits Pläne. Kurz darauf sieht sie den Mörder wieder. Er steht auf dem Balkon, schaut zu ihr herüber, als wäre nichts gewesen. Er sieht gut aus. Geheimnisvoll. Am nächsten Tag steckt sie ihm eine Nachricht in den Briefkasten.
Victor (Colin Farrell; "7 Psychos", "Total Recall") ist erstaunt. Er hat die geheimnisvolle Frau von gegenüber wahrgenommen. Aber will er sie wirklich kennenlernen? In einem Cafe treffen sie sich. Sie sitzen sich stumm gegenüber und mustern sich. Beatrice ist hübsch, aber eine Gesichtshälfte ist von Narben durchzogen. Sie ist entstellt. Als sie Victors fragende Blicke bemerkt, erzählt sie ihm ihre Geschichte.

Ein Autounfall verändert Beatrices Leben von der einen auf die nächste Sekunde: Sie ist entstellt.
(Foto: Central Film/Wild Bunch)
Bis vor einem Jahr war sie rundherum glücklich. Sie arbeitete in einem Schön heitssalon, der Job machte ihr wirklich Spaß. Dann schlug das Schicksal zu, so hart und unerbittlich, wie es eben nur das Schicksal kann. Ein betrunkener Taxifahrer fuhr Beatrice über den Haufen. Seine Strafe: drei Wochen Gefängnis. Sie selbst, sagt Beatrice mit Tränen in den Augen, habe lebenslänglich bekommen. Die Kinder in ihrem Wohnblock rufen sie nur "Monster". "Monster" steht auch tief in ihre Wohnungstür geritzt. Beatrice ist verbittert - und Victor versteht sie, aus tiefstem Herzen.
Seelenverwandte mit Rachegelüsten

Auch Victor hat einen Schicksalsschlag erlitten - und seine Familie verloren.
(Foto: Central Film/Wild Bunch)
Er selbst war glücklicher Familienvater. Er kam mit Frau und Tochter aus Ungarn nach New York, um ihnen allen ein besseres Leben zu schenken. Aber auch ihn traf ein harter Schicksalsschlag: Eine Gang Albaner wollte ihn und seine Familie aus der Wohnung vertreiben. Als sie mit Waffengewalt anrücken, tötet ein Querschläger Victors schlafende Tochter. Gemeinsam mit seiner Frau will er der Bande das Handwerk legen und vor Gericht gegen die Gruppe aussagen. Das kostet seine Frau das Leben. Victor selbst überlebt nur wie durch ein Wunder. Die Bande glaubt, er sei tot.
Bei ihrem ersten Treffen im Cafe merken Beatrice und Victor bereits, dass es zwischen ihnen knistert, dass etwas in der Luft liegt. Nach und nach lassen sie sich aufeinander ein. Lernen sich näher kennen und vertrauen. Vertrauen müssen sie sich auch. Das weiß Victor spätestens dann, als Beatrice ihm erzählt, ihn bei seinem Mord beobachtet zu haben. Die Polizei will sie nicht einschalten, für ihr Schweigen, soll Victor aber den Taxifahrer töten, der ihr Leben ruiniert hat. Victor ist sprachlos und fasziniert gleichermaßen. Er willigt ein.
Aber Victor geht nicht nur für Beatrice auf Rachefeldzug, er hat auch seinen ganz privaten - seitdem er vor ziemlich ge nau zwei Jahren seine Familie verloren hat. Er will die Bande und deren Hintermänner erledigen. Der Boss Alphonse (Terrence Howard; "Iron Man", "L.A. Crash") ist kein unbeschriebenes Blatt für Victor, der sich nun daran macht, selbst Schicksal zu spielen. Aber er muss sich beeilen, denn nicht nur Beatrice ist ihm auf die Schliche gekommen.
Gelungenes Hollywood-Debüt
Die berühmte zweite Chance im Leben - wer hat sie sich nicht schon einmal gewünscht? Fast alle wohl. Aber nur die wenigsten erhalten sie auch, so wie Victor und Beatrice. Sie bekommen die Chance, ihr Leben noch einmal von Grund auf zu ändern, einen neuen , einen besseren Weg einzuschlagen. Die Faszination, die dieser Story innewohnt, hat der dänische Regisseur Niels Arden Oplev sofort erkannt. Nach seinem international viel beachteten Eröffnungsfilm "Verblendung" der "Millennium"-Trilogie von Stieg Larsson 2009 ist Oplev mit Film-Drehbüchern überschüttet worden. Mehrere hundert seien es gewesen, aber "nur das Drehbuch zu 'Dead Man Down' war beinahe perfekt", sagt er: "Es geht um die Erlösung des Herzens, die Erlösung deines Schicksals. In dem Sinne, dass in den Momenten, wo das Leben am trostlosesten aussieht, am finstersten, jemand dir eine zweite Chance geben wird, dich zu rehabilitieren und dein Leben wieder auf Kurs zu bringen."
Für Oplev ist dieses Thema das schönste für einen Film. So musste er auch nicht lange überlegen, ob er den Film machen will: Er ist Oplevs Hollywood-Debüt - und er ist brillant geworden: Ein mit düsteren Bildern gezeichneter Rachethriller, verpackt in eine emotionsgeladene Liebesgeschichte mit zahlreichen Twists und Actionszenen.
Als Hauptdarsteller kamen für Oplev nur Colin Farrell und Noomi Rapace in Frage. Letztere hatte der Regisseur bei "Verblendung" kennen- und schätzengelernt und gemeinsam mit ihr die Figur der Lisbeth Salander zum Leben erweckt. Dass die Chemie zwischen Regisseur und Hauptdarstellern gestimmt hat, sieht der Zuschauer auf Anhieb. Die Figuren von Victor und Beatrice kommen mit einer solchen Tiefe daher, dass es einen als Zuschauer schier umhaut. Man kommt nicht umhin, mit den beiden vom Schicksal geprügelten Protagonisten mitzufühlen, sich in sie hineinzuversetzen, sich zu fragen: Was würde ich an deren Stelle machen?
"Einfach nur Wahnsinn"
Die beiden Hauptdarsteller sind dann auch voll des Lobes. Farrell erinnert die düstere Aufmachung des Films, die Story, die Figuren, das ganze Ambiente an einen Streifen des Suspense-Altmeisters Alfred Hitchcock. Seine Filmkollegin Rapace sei "einfach nur Wahnsinn" und das "emotionale Herz des Films". Das stimmt. Rapaces Leinwandpräsenz ist mit Worten nicht fassbar. Sie könnte auch mit dem emotionslosen Vorlesen eines stinklangweiligen Zeitungsartikels oder Telefonbuchs die Zuschauer in ihren Bann ziehen.
In den Nächten zwischen den Drehtagen bekam das auch Farrell zu spüren. Er erhielt Dutzende SMS von Rapace - alle aber auf die Arbeit am Film bezogen. Schade eigentlich, denn für Rapace ist "Dead Man Down" die "ultimative Liebesgeschichte" über eine "alles verzehrende Liebe auf den ersten Blick". Dass es zwischen Farrell und Rapace dabei nicht auch hinter der Kamera gefunkt hat, ist wohl Schicksal. Aber das Leben gibt dir ja immer eine zweite Chance …
Kinostart für "Dead Man Down" ist in Deutschland am 4. April 2013.
Quelle: ntv.de